Bei der Buchung einer
Pauschalreise schließt der
Reisende einen
Vertrag mit dem
Reiseveranstalter. Dieser verspricht ein Bündel von Leistungen, die von der Beförderung über die Unterkunft bis hin zu Verpflegung und Ausflügen reichen können. Selten erbringt der Veranstalter diese Leistungen selbst. Stattdessen bedient er sich einer Vielzahl von Partnerunternehmen vor Ort, wie Fluggesellschaften, Hotelbetreibern oder Busunternehmen. Kommt es bei der Erbringung dieser Leistungen zu Fehlern, stellt sich für den Reisenden die Frage, an wen er seine Ansprüche richten muss.
Zurechnung des Verschuldens: Reiseveranstalter ist in der Pflicht
Der entscheidende Vorteil für den Buchenden einer Pauschalreise liegt darin, dass sein alleiniger Vertragspartner der Reiseveranstalter ist. Die einzelnen Leistungsträger wie das Hotel oder die Fluggesellschaft sind nicht seine direkten Vertragspartner. Für den Reisenden ist es daher unerheblich, in welchem rechtlichen Verhältnis der Reiseveranstalter zu diesen Unternehmen steht. Vielmehr haftet der Reiseveranstalter für rechtswidrige und schuldhafte Fehler dieser von ihm beauftragten Unternehmen gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) so, als hätte er den Fehler selbst begangen. Diese Unternehmen werden juristisch als Erfüllungsgehilfen bezeichnet. Für den Reisenden bedeutet dies, dass er sämtliche Forderungen, sei es wegen eines mangelhaften Hotelzimmers, eines verpassten Transfers oder eines Flugausfalls, gebündelt an den Reiseveranstalter richten kann und nicht den jeweiligen Leistungsträger verklagen muss, der möglicherweise in einem anderen Land ansässig ist.
Wer ist Erfüllungsgehilfe im Reiserecht?
Als Erfüllungsgehilfe gilt grundsätzlich jedes Unternehmen oder jede Person, die mit dem Willen des Reiseveranstalters bei der Erfüllung der reisevertraglichen Pflichten tätig wird. Maßgeblich ist, ob die jeweilige Leistung aus Sicht eines durchschnittlichen Reisenden dem Organisations- und Verantwortungsbereich des Veranstalters zuzuordnen ist.
Typische Erfüllungsgehilfen sind daher Fluggesellschaften, die den Transport zum Urlaubsort durchführen , Hotelbetreiber, die für Unterkunft und Verpflegung sorgen , sowie Busunternehmen, die für den Transfer oder für Rundreisen eingesetzt werden. Bietet ein Reiseveranstalter ein sogenanntes „
Rail & Fly“-Ticket als Teil des Gesamtpakets an, so wird auch das durchführende Bahnunternehmen zu seinem Erfüllungsgehilfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Leistung in der Buchungsbestätigung ohne gesonderten Preis und ohne expliziten Hinweis auf eine Fremdleistung aufgeführt ist. In einem solchen Fall muss der Veranstalter für eine Zugverspätung haften, die dazu führt, dass die Reisenden ihren Flug verpassen und erst später abfliegen können (vgl. LG Berlin, 30.11.2012 - Az:
55 S 114/11). Auch wenn die Deutsche Bahn es unterlässt, Reisende ausreichend über eine Zugteilung zu informieren, was zum Verpassen des Fluges führt, haftet der Veranstalter (vgl. AG Köln, 29.09.2014 - Az:
142 C 413/13).
Allerdings wird nicht jede Person, mit der ein Reisender während seines Urlaubs in Kontakt kommt, automatisch zum Erfüllungsgehilfen. Wird eine Leistung vor Ort in Anspruch genommen, die nicht vom Reiseveranstalter angeboten oder bei diesem gebucht wurde, handelt es sich nicht um eine Leistung eines Erfüllungsgehilfen. Mietet ein Urlauber beispielsweise an einem öffentlichen Strand ein Boot bei einem lokalen Verleiher, muss er etwaige Ansprüche direkt gegen diesen geltend machen. Auch örtliche Aufsichtskräfte wie „Lifeguards“ an einem öffentlichen Strand sind keine Erfüllungsgehilfen des Veranstalters. Verhängen diese ein Badeverbot, begründet dies keinen Reisemangel (vgl. AG Bad Homburg, 31.07.2001 - Az:
2 C 1658/01).
Während die Fluggesellschaft selbst als Leistungsträger und damit als Erfüllungsgehilfe gilt, trifft dies nicht auf alle am Flughafen tätigen Akteure zu. So sind die für die Personenkontrolle zuständigen Luftsicherheitsbehörden keine Erfüllungsgehilfen, da sie eine hoheitliche Aufgabe des Staates wahrnehmen. Entsteht durch eine überlange Sicherheitskontrolle eine Verzögerung, die zum Verpassen des Fluges führt, haftet der Reiseveranstalter hierfür nicht (vgl. AG München, 12.07.2023 - Az:
158 C 1985/23). Ähnlich sehen Gerichte dies auch beim Bodenpersonal des Flughafens. Verkeilt beispielsweise ein Mitarbeiter des Flughafens die Einstiegstreppe am Flugzeug und verursacht so eine erhebliche Verspätung, ist dies dem Veranstalter nicht zuzurechnen. Die Gerichte argumentieren, dass der Reiseveranstalter auf die Auswahl und Tätigkeit des Flughafenpersonals keinen Einfluss hat, da deren Leistungen monopolisiert sind und hingenommen werden müssen (vgl. LG Frankfurt/Main, 17.06.2010 - Az:
2/24 S 243/09, 2-24 S 243/09). Anders wurde jedoch im Fall einer Beschädigung des Flugzeugs durch eine Fahrgasttreppe entschieden. Hier wurde der Verantwortliche für das Treppenfahrzeug als Erfüllungsgehilfe des Luftfahrtunternehmens angesehen, da die Nutzung einer solchen Treppe zur normalen Abfertigung eines Fluges gehört und somit dem Verantwortungsbereich der Airline zuzuordnen ist (vgl. AG Frankfurt/Main, 10.04.2014 - Az:
30 C 3491/13 (25)).
Grenzen der Haftung und das allgemeine Lebensrisiko
Die Haftung des Reiseveranstalters für seine Erfüllungsgehilfen ist nicht grenzenlos. Eine Zurechnung des Fehlverhaltens findet nur statt, wenn die schädigende Handlung in einem inneren, sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe steht, die dem Gehilfen zur Erfüllung des Reisevertrages übertragen wurde. Für Handlungen, die lediglich bei Gelegenheit der Vertragserfüllung vorgenommen werden, sogenannte Exzesse, haftet der Veranstalter nicht.
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