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Unfall im Urlaub: Wann haftet der Reiseveranstalter für Personen- und Sachschäden?

Reiserecht | Lesezeit: ca. 17 Minuten

Kommt es während einer Reise zu einem Unfall, so stellt sich für die betroffenen Reisenden die Frage nach der Haftung. Wer kommt für die entstandenen Schäden auf, insbesondere wenn es sich um eine Pauschalreise handelt? Die rechtliche Bewertung hängt entscheidend davon ab, ob der Unfall in den Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters fällt oder ob sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat, das der Reisende selbst zu tragen hat.

Das allgemeine Lebensrisiko trägt der Reisende

Grundsätzlich gilt, dass ein Reiseveranstalter nicht für jedes unglückliche Ereignis während einer Reise einstehen muss. Eine Haftung kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Darunter versteht man Gefahren, die nicht spezifisch mit der Reise verbunden sind und denen man auch im alltäglichen Leben ausgesetzt ist. Stürzt beispielsweise ein Reisender nach Regenfällen in der feuchten Hotel-Lobby und zieht sich dabei einen komplizierten Knöchelbruch zu, so ist dies dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Mit einer durch Regen verursachten Nässe und Rutschgefahr muss im Eingangsbereich eines Gebäudes gerechnet werden, dies stellt keinen Reisemangel dar (vgl. LG Duisburg, 18.11.2004 - Az: 4 O 228/04). Ähnliches gilt für Stürze im Schwimmbadbereich auf nassen Fliesen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass im unmittelbaren Umfeld eines Pools mit einem nassen und daher rutschigen Boden zu rechnen ist (vgl. AG München, 15.04.2014 - Az: 182 C 1465/14). Auch das Ausrutschen im Sanitärbereich des Hotels, etwa in der Dusche, fällt in der Regel in den Risikobereich des Reisenden, da hier stets mit Nässe zu rechnen ist (vgl. OLG Koblenz, 07.09.2011 - Az: 1 U 243/11; AG Neuwied, 02.03.2007 - Az: 4 C 1527/06).

Auch unvorhersehbare Ereignisse durch Tiere gehören häufig zum allgemeinen Lebensrisiko. So begründet der Angriff eines Ziegenbocks, der durch eine Lücke in der Mauer auf ein Hotelgelände gelangte und eine Urlauberin verletzte, keine Haftung des Veranstalters (vgl. LG Frankfurt/Main, 22.10.1999 - Az: 2/21 O 60/99). Ebenso wurde entschieden, dass sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht, wenn ein Kamel während eines Ausritts plötzlich scheut und der Reiter dadurch zu Fall kommt und sich verletzt (vgl. AG München, 24.06.2015 - Az: 111 C 30051/14). Wird ein Urlauber, der am Pool auf seiner Liege entspannt, von einem Wasserball getroffen, den Animateure im Rahmen eines Spiels verwenden, so fällt auch dies unter das allgemeine Lebensrisiko, da mit verirrten Bällen bei Ballspielen zu rechnen ist (vgl. AG Bad Homburg, 22.08.2002 - Az: 2 C 769/02).

In all diesen Fällen haftet der Reiseveranstalter nicht. Mögliche Ansprüche müssten direkt gegen den Verursacher, etwa den Hotelbetreiber oder eine andere Person, geltend gemacht werden. Dies unterliegt jedoch dem Recht des jeweiligen Reiselandes und muss in der Regel auch vor Ort durchgesetzt werden, was mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Zur Abdeckung finanzieller Risiken, wie etwa der Kosten für einen vorzeitigen Reiseabbruch, empfiehlt sich daher der Abschluss einer entsprechenden Reiseabbruchversicherung.

Haftung des Reiseveranstalters bei einem Reisemangel

Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Unfall auf einen Reisemangel zurückzuführen ist. Ein solcher liegt vor, wenn die Reise nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder mit Fehlern behaftet ist, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit mindern. Bei Unfällen ist hierbei vor allem die Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht von Bedeutung. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reiseleistungen so zu erbringen, dass von ihnen keine vermeidbaren Gefahren für die Reisenden ausgehen. Er muss also dafür Sorge tragen, dass Hotels, Transportmittel und sonstige Einrichtungen einen ausreichenden Sicherheitsstandard aufweisen.

Eine Haftung des Veranstalters kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Reisender in einer Hotelbar über eine nicht erkennbare, quer durch den Raum verlaufende Stufe stürzt und sich verletzt (vgl. AG Köln, 05.07.2005 - Az: 135 C 497/03). Ebenso stellt eine unzureichend gesicherte oder zu dünne Sandschicht auf einem für Beachvolleyball beworbenen Spielfeld einen Mangel dar, wenn ein Spieler auf einer darunter liegenden Felsplatte aufschlägt und sich verletzt (vgl. LG Hannover, 09.09.2010 - Az: 14 O 38/09). Auch ein Sturz auf einer bei Nässe extrem glatten Marmortreppe, die zudem eine beschädigte Stufe aufweist, kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht begründen (vgl. LG Frankfurt/Main, 17.01.2008 - Az: 2-24 S 146/07).

Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf die Organisation von Programmpunkten. Hat sich der Reiseveranstalter verpflichtet, die Teilnehmer einer Safari bei Dunkelheit zu einem Treffpunkt zu begleiten, verletzt er seine Pflichten, wenn der Reiseleiter dies unterlässt und ein Teilnehmer auf dem unbekannten, unbeleuchteten Weg stürzt (vgl. OLG Köln, 30.06.2008 - Az: 16 U 3/08). Gleiches gilt, wenn die Guides einer gebuchten Mountainbike-Tour eigenmächtig eine ungeeignete und gefährlichere Alternativroute wählen, auf der ein Teilnehmer zu Schaden kommt (vgl. LG Frankfurt/Main, 26.06.2025 - Az: 2-24 O 55/22). Der Veranstalter haftet auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, wie Hotelangestellte oder Animateure. Verursacht beispielsweise ein Hotelangestellter einen Unfall auf einer Wasserrutsche, indem er die Wasserzufuhr abstellt, muss sich der Veranstalter dieses Fehlverhalten zurechnen lassen (vgl. AG Frankfurt/Main, 01.06.2006 - Az: 31 C 3491/05-44).

Welcher Sicherheitsstandard ist geschuldet?

Ein häufiger Streitpunkt ist die Frage, welcher Sicherheitsstandard im Ausland erwartet werden darf. Die Rechtsprechung stellt hierbei klar, dass nicht pauschal deutsche Maßstäbe, wie etwa deutsche DIN-Normen oder Bauvorschriften, angelegt werden können. Wer ins Ausland reist, verlässt bewusst seine gewohnte Umgebung und kann daher nicht die heimischen Vorschriften als Maßstab seines Sicherungsbedürfnisses heranziehen. Maßgeblich sind vielmehr die Verhältnisse und Standards des jeweiligen Gastlandes. Entsprach beispielsweise ein Hotelaufzug, in dem ein Reisender zu Schaden kam, dem im Reiseland (hier: Türkei) geltenden Sicherheitsstandard, so scheiden Ansprüche gegen den Veranstalter aus, auch wenn der Aufzug nach deutschen Maßstäben Mängel aufgewiesen hätte (LG Koblenz, 29.11.2004 - Az: 16 O 364/02).

Dies entbindet den Reiseveranstalter jedoch nicht von einer eigenen Prüf- und Kontrollpflicht. Er muss sich bei der Auswahl seiner Leistungsträger, wie Hotels, davon überzeugen, dass diese über einen ausreichenden Sicherheitsstandard verfügen. Er kann sich insbesondere im Ausland nicht blind darauf verlassen, dass behördliche Genehmigungen vorliegen oder Kontrollen stattfinden, da dort oft andere Maßstäbe gelten. Der Veranstalter muss sich also selbst davon überzeugen, dass von Treppen, Aufzügen, elektrischen Anlagen oder Balkonen keine Gefahren für die Gäste ausgehen. Diese Überprüfung muss auch in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um sicherzustellen, dass der ursprüngliche Zustand noch gewahrt ist. Stellt sich heraus, dass eine Einrichtung, wie eine Balkontür aus nicht bruchsicherem Glas, nicht den lokalen Bauvorschriften entsprach, kann dies eine besondere Gefahrenlage begründen, die eine Haftung auslöst (vgl. BGH, 25.06.2019 - Az: X ZR 166/18).

Grenzen der Verkehrssicherungspflicht

Die Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit ist jedoch nicht grenzenlos. Eine absolute Sicherheit, die jeden denkbaren Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar und wird rechtlich auch nicht gefordert. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst vielmehr diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Ein Reiseveranstalter muss daher nicht nach verborgenen Mängeln suchen, sondern nur solche Sicherheitsrisiken feststellen und beseitigen lassen, die sich bei genauerem Hinsehen offenbaren.

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Stand: 10.10.2025
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