Die Vorfreude auf den wohlverdienten Urlaub ist groß, doch am Reiseziel angekommen, wird die erhoffte Erholung jäh gestört: Lärm. Ob von der Baustelle nebenan, der hauseigenen Diskothek oder von feiernden Mitreisenden – Lärmbelästigung zählt zu den häufigsten Ärgernissen im Urlaub und führt regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Doch nicht jedes störende Geräusch stellt automatisch einen
Reisemangel dar, der zu einer
Minderung des Reisepreises berechtigt. Entscheidend ist, ob die Lärmbelästigung das zumutbare Maß übersteigt und die
Reise in ihrer Qualität erheblich beeinträchtigt wurde. Hierbei kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die vertraglichen Vereinbarungen und die Beschreibungen im
Reisekatalog.
Die Tücken der Katalogsprache: Was ist „üblich“ und was nicht?
Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung, ob Lärm einen Reisemangel darstellt, ist der zwischen dem Reisenden und dem
Reiseveranstalter geschlossene Reisevertrag. Die geschuldete Leistung, die sogenannte Soll-Beschaffenheit der Reise, ergibt sich maßgeblich aus den Angaben im Reisekatalog oder der Hotelbeschreibung. Absolute Stille ist dabei nur in den seltensten Fällen Vertragsbestandteil. Reiseveranstalter verwenden zudem häufig Formulierungen, die einen gewissen Interpretationsspielraum lassen.
So muss ein Reisender, der ein Hotel in zentraler Lage bucht, zwangsläufig mit einer belebten und verkehrsreichen Umgebung rechnen. Eine Klage wegen Geräuschbelästigungen in einem Hotel im Zentrum von Dubai wurde daher beispielsweise abgewiesen, da die Lage bereits auf eine turbulente Umgebung hindeutete (vgl. AG Köln, 28.12.2006 - Az:
133 C 428/05). Ähnlich verhält es sich, wenn im Katalog die Entfernung zu einem Ferienzentrum mit 300 Metern und zu einer Bushaltestelle mit 350 Metern angegeben wird. Auch hier ist mit entsprechendem Verkehrslärm zu rechnen, und eine Minderung des Reisepreises scheidet aus (vgl. AG Duisburg, 15.07.2004 - Az:
74 C 1819/04).
Wirbt ein Veranstalter hingegen explizit mit der „ruhigen Lage“ eines Hotels, darf der Reisende ein höheres Maß an Ruhe erwarten. Dies bedeutet jedoch nicht völlige Stille. Das nächtliche An- und Abfahren von Reisebussen kann beispielsweise noch als Teil des
allgemeinen Lebensrisikos gewertet werden, auch wenn ein Zimmer dadurch eine weniger ruhige Lage hat als andere im selben Hotel (vgl. AG Düsseldorf, 13.06.2003 - Az:
230 C 5432/03). Besondere Vorsicht ist bei Hinweisen wie „jugendliches Publikum“ oder „gelegentliche Lärmbelästigungen“ geboten. Solche Beschreibungen können in der Realität auf ein erhebliches Lärmpotenzial hindeuten, das dann entsprechend hingenommen werden muss.
Ortsüblicher Lärm: Was hingenommen werden muss
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die sogenannte Ortsüblichkeit von Geräuschen. So herrscht beispielsweise in südlichen Ländern oft eine andere Lebenskultur, die mit einem höheren Geräuschpegel verbunden sein kann. Das Zirpen von Zikaden, lebhafte Abendstunden auf den Straßen oder auch religiöse Gepflogenheiten sind Teil des landestypischen Charakters und stellen in der Regel keinen Reisemangel dar. So entschied das Amtsgericht Düsseldorf, dass die fünfmal täglichen Gebetsrufe eines Muezzins in der Türkei als ortsüblich hinzunehmen sind und keinen Anspruch auf Minderung begründen (AG Düsseldorf, 24.10.2008 - Az:
48 C 5461/08).
Allerdings hat auch die Ortsüblichkeit ihre Grenzen, insbesondere wenn die Nachtruhe massiv gestört wird. Lärm aus einer Diskothek, der bis vier Uhr morgens andauert, muss auch in südlichen Ländern nicht toleriert werden, wenn das Hotel im Katalog als „ruhig gelegen“ beschrieben wurde. In einem solchen Fall kann eine Minderung von 20 % gerechtfertigt sein (vgl. OLG Köln, 24.01.2000 - Az:
16 U 42/99). Wurde eine ruhige Lage hingegen nicht ausdrücklich zugesichert, muss der Reisende mit dem üblichen Lärm des Massentourismus, etwa durch Unterhaltungsprogramme, rechnen.
Lärm durch Hotelbetrieb und andere Gäste
Nicht nur von außen, auch im Hotel selbst können störende Lärmquellen vorhanden sein. Störendes Dauerbrummen einer defekten Klimaanlage, das einen entspannten Aufenthalt im Zimmer oder das Schlafen unmöglich macht, stellt daher einen Reisemangel dar (vgl. OLG Düsseldorf, 21.09.2000 - Az:
18 U 52/00). Gleiches gilt für außergewöhnliche Lärmbelästigungen, die nicht dem normalen Hotelbetrieb entsprechen. In einem etwas kurios anmutenden Fall führte der nächtliche Lärm durch Nagetiere, die an der Wand des Hotelzimmers nagten und kratzten, zu einer Minderung des Reisepreises um 45 %, da an Schlaf nicht zu denken war (AG München, 07.11.2024 - Az:
223 C 17811/24).
Geräusche, die durch das reguläre Verhalten anderer Gäste oder des Personals entstehen, müssen hingegen oft als bloße Unannehmlichkeit hingenommen werden. Das Klingeln von Mobiltelefonen beim Abendessen ist zwar störend, begründet aber keinen Reisemangel (vgl. AG Potsdam, 17.04.2003 - Az:
27 C 50/03). Auch Geräusche von Koffern oder Reinigungswagen auf gefliesten Fluren am Morgen erreichen in der Regel nicht das Ausmaß eines zur Minderung berechtigenden Mangels (vgl. OLG Düsseldorf, 10.02.2015 - Az:
I-21 U 149/14). Hoteleigene Unterhaltungsprogramme müssen ebenfalls akzeptiert werden, sofern im Prospekt darauf hingewiesen wurde und diese nicht über Mitternacht hinausgehen.
Sonderfall Kinderlärm: Meist kein Reisemangel
Ein häufiger Streitpunkt ist Lärm, der von Kindern ausgeht. Juristisch wird Kinderlärm jedoch als Ausdruck der kindlichen Natur und Lebensfreude angesehen und ist im Rahmen des sozial Üblichen zu tolerieren. Gerichte werten ihn in der Regel nicht als Reisemangel. Ein Reisender, der sich über spielende Kinder am Pool, im Restaurant oder am Strand beschwert, hat daher meist keine Aussicht auf Erfolg. Kinderlärm gilt als sozialadäquat und ist hinzunehmen. Zudem ist zu beachten, dass völlige Ruhe - beispielsweise am Pool - auch bei ausschließlich erwachsenen Gästen in der Hochsaison nicht zu erwarten ist (vgl. AG Hannover, 11.07.2014 - Az:
558 C 2900/14).
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