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Kreisverkehr: Die wichtigsten Regeln und Urteile zu Vorfahrt, Blinken und Haftung

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

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Der Kreisverkehr gehört zum modernen Straßenbild. Er soll den Verkehrsfluss verbessern und die Sicherheit im Vergleich zu klassischen Kreuzungen erhöhen. Doch trotz seiner weiten Verbreitung kommt es immer wieder zu Unfällen, weil die spezifischen Verkehrsregeln nicht allen Verkehrsteilnehmern geläufig sind. Die rechtlichen Grundlagen für das Verhalten im Kreisverkehr finden sich vornehmlich in § 8 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Vorfahrtsregelung: Wer hat Vorrang?

Eine der häufigsten Irrtümer ist der Glaube, dass der Verkehr innerhalb des Kreisels ausnahmslos Vorfahrt hat. Dies ist nicht immer der Fall. Entscheidend ist die Beschilderung an der Einfahrt zum Kreisverkehr.

In den meisten Fällen wird ein Kreisverkehr durch die Kombination zweier Verkehrszeichen angekündigt: dem runden blauen Schild mit drei weißen Pfeilen (Zeichen 215) und dem „Vorfahrt gewähren“-Schild (Zeichen 205). In dieser Konstellation ist die Regel eindeutig: Der Verkehr, der sich bereits auf der Kreisfahrbahn befindet, hat Vorfahrt. Wer in den Kreisverkehr einfahren möchte, ist wartepflichtig.

Fehlt jedoch das „Vorfahrt gewähren“-Schild (Zeichen 205) und es ist lediglich das blaue Kreisverkehrsschild (Zeichen 215) aufgestellt, greift die allgemeine Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gemäß § 8 Abs. 1 StVO. In diesem selteneren Fall müssen die Fahrzeuge im Kreisel den von rechts einfahrenden Fahrzeugen Vorfahrt gewähren. Das Amtsgericht München hat diese Differenzierung in einer Entscheidung klargestellt und betont, dass die Fahrzeuge im Kreisverkehr nicht automatisch Vorfahrt genießen (vgl. AG München, 11.07.2012 - Az: 343 C 8149/12). Es ist also stets ein genauer Blick auf die Beschilderung geboten.

Haftung bei Vorfahrtsmissachtung und der Anscheinsbeweis

Kollisionen im Kreisverkehr sind häufig auf Vorfahrtsverletzungen zurückzuführen. Die Gerichte wenden in solchen Fällen regelmäßig die Grundsätze des Anscheinsbeweises an. Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren Einmündungsbereich zwischen einem einfahrenden und einem bereits im Kreisel befindlichen Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der einfahrende, wartepflichtige Fahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat. Diesem wird die alleinige Schuld zugewiesen, wenn er den Anscheinsbeweis nicht durch den Nachweis eines atypischen Geschehensablaufs erschüttern kann. Ein solcher atypischer Verlauf könnte beispielsweise vorliegen, wenn der Vorfahrtsberechtigte im Kreisel seinerseits einen groben Fahrfehler begeht.

So hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek entschieden, dass derjenige, der unter Missachtung der Vorfahrt in den Kreisverkehr einfährt, für den entstandenen Schaden vollumfänglich haftet. Ein etwaiges Mitverschulden des im Kreisverkehr Fahrenden tritt in der Regel vollständig zurück (vgl. AG Hamburg-Barmbek, 06.12.2011 - Az: 813B C 256/10). Dieser Grundsatz gilt auch, wenn unklar ist, welcher der beiden Fahrer zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Kollidieren die Fahrzeuge im Einmündungsbereich des einen Fahrers, spricht die Lebenserfahrung dafür, dass dieser wartepflichtig war, da der andere Fahrer offensichtlich schon eine gewisse Strecke im Kreisel zurückgelegt haben muss (vgl. AG Hamburg-Barmbek, 24.05.2018 - Az: 812 C 4/18).

Der Anscheinsbeweis zulasten des Einfahrenden kann jedoch erschüttert werden. Dies wäre etwa der Fall, wenn der im Kreisverkehr fahrende Verkehrsteilnehmer den rechten Fahrtrichtungsanzeiger so frühzeitig gesetzt hat, dass der Einfahrende darauf vertrauen durfte, dieser werde den Kreisel vor seiner Einfahrt verlassen. Die Beweislast für einen solchen Sachverhalt trägt allerdings der Einfahrende (vgl. AG Perleberg, 14.04.2016 - Az: 11 C 382/15). Ist nach einer Beweisaufnahme hingegen gänzlich unklar, wer sich verkehrswidrig verhalten hat, kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht (vgl. AG Köln, 24.04.2012 - Az: 267 C 120/10).

Korrektes Verhalten im Kreisverkehr: Blinken, Spurwechsel und Rechtsfahrgebot

Neben der Vorfahrt sind weitere Verhaltensregeln entscheidend. Ein zentraler Punkt ist die korrekte Nutzung des Fahrtrichtungsanzeigers. Bei der Einfahrt in den Kreisverkehr darf nicht geblinkt werden. Verpflichtend ist das Blinken hingegen, wenn der Kreisverkehr verlassen werden soll. Das Ausfahren aus dem Kreisverkehr stellt rechtlich ein Abbiegen im Sinne des § 9 StVO dar, weshalb die entsprechenden Sorgfaltspflichten gelten (vgl. LG Saarbrücken, 09.04.2010 - Az: 13 S 15/09).

In mehrspurigen Kreisverkehren ist besondere Vorsicht geboten. Ein Spurwechsel muss, wie im normalen Straßenverkehr auch, rechtzeitig und deutlich durch Blinken angezeigt werden, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Wer unvermittelt von einer inneren auf eine äußere Spur zieht, um den Kreisel zu verlassen, und dabei eine Kollision verursacht, trägt die alleinige Schuld (vgl. KG, 30.08.2007 - Az: 12 U 141/07). Dies gilt auch dann, wenn sich ein Fahrer an alten, nur noch schwach sichtbaren „Phantommarkierungen“ orientiert und beim Spurwechsel einen auf der äußeren Spur fahrenden Verkehrsteilnehmer übersieht. Gültig sind nur die klar erkennbaren, aktuellen Markierungen (vgl. OLG Schleswig, 30.01.2017 - Az: 7 U 46/16).

Auch im Kreisverkehr gilt das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO. Das bedeutet, dass grundsätzlich möglichst weit rechts gefahren werden muss. Das absichtliche „Schneiden“ der Kreisbahn, indem die Fahrbahn bis zum äußersten linken Rand ausgenutzt wird, ist unzulässig und kann bei einem Unfall zu einer Mithaftung oder sogar zur Alleinhaftung führen (vgl. AG Krefeld, 01.07.2011 - Az: 3 C 457/09). Das Oberlandesgericht Hamm führte hierzu aus, dass das Rechtsfahrgebot gerade im einspurigen Kreisverkehr dem Schutz des von rechts einfahrenden Verkehrs diene (OLG Hamm, 18.11.2003 - Az: 27 U 87/03).

Besondere Verkehrsteilnehmer: Fußgänger, Radfahrer und Fahrschulen

Beim Verlassen des Kreisverkehrs ist besondere Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen. Da das Ausfahren als Abbiegevorgang gewertet wird, greift die gesteigerte Rücksichtnahmepflicht des § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO. Fahrzeuge müssen Fußgängern, die die Ausfahrt überqueren wollen, das Passieren ermöglichen und notfalls anhalten. Kommt es zu einem Unfall mit einem Fußgänger an einem Fußgängerüberweg direkt an der Ausfahrt, trägt der Autofahrer in der Regel den Schaden allein (vgl. AG Kempten, 02.10.2007 - Az: 2 C 241/07). Selbst wenn der Fußgänger die Straße unachtsam überquert, trifft den ausfahrenden Fahrer das überwiegende Verschulden, da er mit querenden Fußgängern rechnen muss (vgl. LG Saarbrücken, 09.04.2010 - Az: 13 S 15/09).

Auch für Radfahrer gelten die Vorschriften des Kreisverkehrs. Eine besondere Konstellation ergibt sich, wenn Radwege parallel zur Kreisfahrbahn verlaufen. Muss ein Radfahrer auf einem solchen Radweg beim Queren einer Zufahrtsstraße ein „Vorfahrt gewähren“-Schild beachten, ist er gegenüber den Fahrzeugen, die in den Kreisverkehr einfahren wollen, wartepflichtig. Dies gilt selbst dann, wenn auch die einfahrenden Autofahrer ihrerseits durch ein „Vorfahrt gewähren“-Schild gegenüber dem Verkehr im Kreisel wartepflichtig sind (vgl. OLG Hamm, 17.07.2012 - Az: 9 U 200/11). Bei Unfällen zwischen Pkw und Radfahrern im Kreisverkehr kommt es oft zu einer Haftungsverteilung, bei der die Betriebsgefahr des Pkw und konkrete Verkehrsverstöße beider Seiten, wie überhöhte Geschwindigkeit des Radfahrers oder ein Vorfahrtsverstoß des Autofahrers, gegeneinander abgewogen werden (vgl. LG Lübeck, 13.06.2025 - Az: 9 O 146/24).

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Stand: 14.10.2025
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