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Auffahrunfall mit Fahrschulfahrzeug im Kreisverkehr und die Haftungsverteilung

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

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Vorliegend war es zu einem Auffahrunfall im Kreisverkehr gekommen. Dabei befuhren der Fahrlehrer sowie ein am Steuer sitzender Fahrschüler in einen Verkehrskreisel ein, um diesen in der ersten Ausfahrt wieder zu verlassen. Beim Ausbiegen aus dem Kreisel bremste das als solches gekennzeichnete Fahrschulauto unvermittelt stark ab, so dass das dahinter befindliche klägerische Fahrzeug auf dieses auffuhr.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug aber in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm angehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war in der Regel unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins.

Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann nach allgemeinen Grundsätzen dadurch erschüttert werden, dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird. Soweit dies in Rechtsprechung und Literatur in Fällen in Betracht gezogen wird, in denen dem Auffahrenden der Nachweis gelingt, dass der Vorausfahrende sein Fahrzeug ohne zwingenden Grund stark abbremste kann dies jedenfalls nicht für Unfallsituationen gelten, in denen mit einem abrupten Abbremsen auch ohne zwingenden Grund gerade typischerweise zu rechnen ist.

So liegt der Fall hier: Jeder Verkehrsteilnehmer, der einem deutlich als solchen gekennzeichneten Fahrschulfahrzeug folgt, muss mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen, auch ohne dass sie durch eine vor dem Fahrschulfahrzeug bestehende Verkehrssituation hervorgerufen werden, rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen. Denn das grundlose Abbremsen oder auch „Abwürgen“ des Motors gehört zu den typischen Anfängerfehlern eines Fahrschülers. Dementsprechend kann der Umstand, dass der Fahrschulwagen nach den Feststellungen des Erstgerichts vorliegend ohne zwingenden Grund abgebremst wurde, nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises herangezogen werden, weshalb es auf Seiten des Auffahrenden bei dem festgestellten Sorgfaltsverstoß gegen § 4 Abs. 1 S.1 StVO verbleibt.

Soweit das Amtsgericht von einer hälftigen Mitverursachung beider Seiten ausgegangen ist, würdigt dies die gesonderte Sorgfaltspflicht des hinter dem Fahrschulwagen befindlichen Fahrzeugs nicht ausreichend.

Die Verpflichtung, den Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug so zu bemessen, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird, trifft grundsätzlich jeden Verkehrsteilnehmer. Vorliegend hatte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs aber zudem besondere Vorsicht walten zu lassen, denn die deutliche Kenntlichmachung von Fahrschulfahrzeugen bei Übungsfahrten dient dem Zweck, auf das insoweit erhöhte Risiko eines unangepassten Fahrverhaltens, vorliegend in Form des unvermittelten Abbremsens ohne zwingenden Grund, hinzuweisen.

Anders als in dem vom LG Ellwangen (Urteil vom 15.11.1979 – Az: III S 3/79 (11)) entschiedenen Fall, das eine hälftige Haftungsverteilung angenommen hatte, kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass in der streitgegenständlichen Verkehrssituation mit einem abrupten Abbremsen des Fahrzeugs grundsätzlich unter keinen Umständen zu rechnen gewesen wäre.

Denn der Ehemann der späteren Klägerin hat bei seiner Vernehmung selbst angegeben, die herannahende Person in einer Entfernung von ca. 4 Metern wahrgenommen zu haben. Eine Reaktion des voranfahrenden Fahrschulwagens auf die sich der Fahrbahn nähernde Person war daher nicht völlig fernliegend und hätte bei der Wahl des Sicherheitsabstands einkalkuliert werden müssen.

Andererseits wurde der Fahrschulwagen vorliegend beim Verlassen des Kreisverkehrs und damit an einer Stelle bis zum Stillstand abgebremst, die dem nachfolgenden Verkehr räumlich wenig Reaktionsmöglichkeiten lässt, ggfs. zu einem Anhalten innerhalb des Kreisels zwingt und damit besonders gefährlich ist. Aus diesem Grund tritt die Betriebsgefahr des Fahrschulfahrzeugs hier nicht zurück.

Die Kammer hält vielmehr eine Haftungsverteilung von 70 % zu Lasten der Auffahrenden und 30 % zu Lasten der Beklagten für gerechtfertigt.


LG Saarbrücken, 02.11.2018 - Az: 13 S 104/18

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