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Hausfrieden: was versteht man eigentlich darunter?

Mietrecht | Lesezeit: ca. 14 Minuten

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Streitigkeiten unter Nachbarn, übermäßiger Lärm, aggressive Auseinandersetzungen im Treppenhaus – wenn das Zusammenleben im Mietshaus eskaliert, ist oft vom „Hausfrieden“ die Rede. Der Begriff ist juristisch nicht normiert, hat aber erhebliche praktische Bedeutung. Der Hausfrieden spielt sowohl im Verhältnis der Mieter untereinander als auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter eine zentrale Rolle. Störungen des Hausfriedens können zu Abmahnungen, Kündigungen und sogar Schadensersatzforderungen führen.

Wie definiert sich Hausfrieden?

Der Begriff des Hausfriedens ist gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Er umfasst den ungestörten Zustand des häuslichen Zusammenlebens innerhalb eines Mietobjekts, insbesondere in Mehrparteienhäusern. Geschützt ist dabei nicht nur das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, sondern auch das friedliche Miteinander der Hausgemeinschaft.

Der Hausfrieden ist die Einhaltung des Erfordernisses der gegenseitigen Rücksichtnahme, durch die das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus überhaupt erst erträglich wird. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt voraus, dass eine Mietpartei die gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletzt (ständige Rechtsprechung vgl. BGH, 18.02.2015 - Az: VIII ZR 186/14; BGH, 25.08.2020 - Az: VIII ZR 59/20).

Störungen des Hausfriedens liegen regelmäßig vor, wenn das Verhalten eines Mieters oder dessen Besucher das geordnete und rücksichtsvolle Zusammenleben in erheblicher Weise beeinträchtigt. Dies kann sowohl durch physische Einwirkungen (z.B. Lärm oder Beschädigungen) als auch durch psychische Belastungen wie Bedrohungen, Beleidigungen oder permanente Auseinandersetzungen geschehen.

Typische Störungen des Hausfriedens

In der Rechtsprechung sind zahlreiche Fallkonstellationen anerkannt, in denen der Hausfrieden als gestört gilt. Dazu zählen unter anderem:
  • Lärmbelästigungen, etwa durch nächtliche Musik (z.B. LG Coburg, 15.04.2008 - Az: 32 S 1/08), lautes Feiern, wiederholte Störung der Nachtruhe (z.B. LG Berlin, 17.10.2014 - Az: 63 S 166/14) oder anhaltendes Hundegebell
  • Aggressives Verhalten gegenüber Nachbarn, wie Bedrohungen (z.B. AG Berlin-Charlottenburg, 26.08.2021 - Az: 203 C 45/21), Beleidigungen (z.B. LG Coburg, 17.11.2008 - Az: 32 S 85/08) oder tätliche Angriffe (z.B. LG Hamburg, 03.11.2005 - Az: 307 S 124/04)
  • Rassistische (z.B. AG Idstein, 14.10.2019 - Az: 3 C 72/19 (20)), sexistische oder anderweitig diskriminierende Äußerungen
  • Auswirkungen von Drogenkonsum (z.B. AG Brandenburg, 30.04.2024 - Az: 30 C 196/23)
  • Sachbeschädigungen (z.B. LG München I, 20.12.2005 - Az: 14 S 22556/05)
  • Unzulässige gewerbliche Nutzung oder Zweckentfremdung der Mietwohnung
  • Geruchsbelästigungen durch Verschmutzungen (z.B. AG Münster, 08.03.2011 - Az: 3 C 4334/10; LG Hannover, 19.10.2018 - Az: 17 S 20/18)
Nicht jede einzelne Störung ist automatisch eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Hausfriedens. Entscheidend ist, ob die Auswirkungen das übliche Maß des zumutbaren Zusammenlebens überschreiten. Denn ob die allgemeine Rücksichtnahmepflicht verletzt wurde, ist durch Abwägung der widerstreitenden Interessen zu ermitteln.

So wird der Hausfrieden gewahrt

Die Pflicht zur Wahrung des Hausfriedens ergibt sich aus dem Mietvertrag. Mieter haben sich so zu verhalten, dass der Gebrauch der Mieträume durch andere Mieter nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt wird.

Die jedem Mietvertrag innewohnende Rücksichtnahmepflicht hat in einem Mehrfamilienhaus eine drittbegünstigende Ausstrahlungswirkung über das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter hinaus. Denn andere Mitmieter können von dem Vermieter eine der wechselseitigen Rücksichtnahmepflicht entsprechende Gebrauchsgewährung verlangen (ständige Rechtsprechung vgl. BGH, 12.12.2003 - Az: V ZR 180/03).

Der Vermieter hat also das Recht und zugleich die Pflicht, den Hausfrieden aufrechtzuerhalten. Er muss im Falle fortdauernder Störungen eingreifen und ist dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Unterbindung zu treffen:

Die Abmahnung als erste Reaktion

Bei erstmaligen oder weniger gravierenden Störungen ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich, bevor weitergehende Schritte unternommen werden dürfen. Mit einer Abmahnung wird dem Mieter deutlich gemacht, dass sein Verhalten nicht akzeptiert wird und im Wiederholungsfall rechtliche Konsequenzen drohen.

Eine wirksame Abmahnung muss den konkreten Verstoß benennen, eine Unterlassung verlangen und auf mögliche Folgen – insbesondere die Kündigung – hinweisen. Die Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn das Verhalten besonders schwerwiegend ist oder keine Aussicht auf Verhaltensänderung besteht.

Ordentliche Kündigung

Kommt es trotz Abmahnung weiterhin zu erheblichen Störungen, kann der Vermieter gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB das Mietverhältnis ordentlich kündigen. Voraussetzung ist, dass das Verhalten des Mieters eine nachhaltige Pflichtverletzung darstellt, die das Fortbestehen des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar macht.

Fristlose Kündigung bei schwerwiegenden Verstößen

Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund in diesem Sinne liegt insbesondere vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, sodass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Rücksichtnahmepflicht: Welcher Maßstab ist anzusetzen?

Ob die allgemeine Rücksichtnahmepflicht verletzt wurde, ist durch Abwägung der widerstreitenden Interessen zu ermitteln. Dabei sind vor allem die Lautstärke, der zeitliche Umfang, die Sozialadäquanz, die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen zur Lärmprävention und die baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Dem Bewohner eines Mehrfamilienhauses ist es schließlich erlaubt, im Rahmen des Sozialadäquaten in der von ihm bewohnten Wohnung auch solche Geräusche zu verursachen, die andere Hausmitbewohner als ruhestörend empfinden mögen (AG Singen, 29.04.2022 - Az: 1 C 235/21). Derartige Störungen sind bei einer Wohnnutzung typischerweise zu erwarten und in einem Mehrfamilienhaus kaum zu vermeiden. Dies gilt sowohl für gelegentliche Störungen infolge von Unterhaltungen zwischen den Bewohnern, als auch für gelegentliche Störungen durch Türenknallen, Fensterknallen oder Trampeln, Musik- und Fernsehgeräusche, für den mit üblichen Hausarbeiten verbundenen Lärm, für gelegentliche Handwerksarbeiten sowie für Kinderlärm, solange dieser den in einem Mehrfamilienhaus üblichen Umfang nicht überschreitet (AG Frankfurt/Main, 19.01.2023 - Az: 33 C 644/21 (26)). Mit üblichen wahrnehmbaren Wohngeräuschen müssen die Mieter eines Mietshauses - wechselseitig - grundsätzlich leben.

Bei der Bestimmung des allgemeinen Maßstabs ist auf gesetzlichen Regelungen, z.B. die Lärmschutzgesetze der Länder und die TA Lärm, abzustellen.

Bei dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme muss dabei auch die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen zur Lärmprävention und die baulichen Gegebenheiten des Hauses, z.B. die Hellhörigkeit berücksichtigt werden.

Rücksichtnahmepflichten, die einer Unzumutbarkeit entgegenstehen, können sich zudem auch in Bezug auf alters- oder krankheitsbedingte Verhaltensauffälligkeiten ergeben, der jedoch ebenfalls Grenzen zu sind. So kann einem Mieter, der durch aggressive und bedrohliche Handlungen über einen langen Zeitraum hinweg den Hausfrieden erheblich stört, auch dann fristlos gekündigt werden, wenn das Verhalten einer psychischen Erkrankung geschuldet ist und der Mieter deshalb schuldunfähig ist (AG Berlin-Charlottenburg, 13.06.2014 - Az: 232 C 53/14).

Beweislast liegt im Gerichtsverfahren beim Kläger

In gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Kündigung wegen Störung des Hausfriedens stellt sich oft die Frage nach dem Beweis einzelner Vorfälle. Der Kläger trägt die Beweislast für das beanstandete Verhalten. Unterstützende Elemente sind dabei:
  • Zeugenaussagen anderer Mieter oder Mitbewohner
  • Lärmprotokolle oder schriftliche Beschwerden; Ausführungen zu Dezibel-Angaben sind hierbei nicht erforderlich, es genügt wenn dieses nach allgemeiner Lebenserfahrung nachvollziehbar ist
  • Polizeiberichte oder Ordnungsamtsprotokolle
  • Ton- oder Videoaufnahmen (sofern rechtlich zulässig)
Wichtig ist, dass auch mögliche Provokationen oder ein Mitverschulden anderer Mieter berücksichtigt werden. In manchen Fällen zeigt sich, dass es sich um eine eskalierte Nachbarschaftsstreitigkeit handelt, bei der mehrere Parteien zur Eskalation beigetragen haben. Das Gericht muss dann im Rahmen einer umfassenden Abwägung prüfen, ob tatsächlich eine erhebliche Störung des Hausfriedens durch eine bestimmte Mietpartei vorliegt.

Was gilt bei Störungen durch Dritte?

Nicht nur das Verhalten des Mieters selbst kann den Hausfrieden stören – auch Mitbewohner, Besucher oder Untermieter fallen in den Verantwortungsbereich des Hauptmieters. Wer seine Wohnung regelmäßig Dritten überlässt, haftet auch für deren Fehlverhalten.

So kann etwa das wiederholte Fehlverhalten von Gästen ebenfalls zu einer Kündigung führen, wenn der Mieter keine ausreichenden Maßnahmen ergreift, um derartige Vorkommnisse künftig zu unterbinden.

Bedeutung der Hausordnung für den Hausfrieden

Zur Konkretisierung des Hausfriedens dient häufig eine Hausordnung, die Bestandteil des Mietvertrags sein kann oder durch den Vermieter aufgestellt wird. Diese enthält in der Regel Regelungen zu Ruhezeiten, Verhalten im Treppenhaus, Müllentsorgung und Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen.

Verstöße gegen die Hausordnung können – je nach Einzelfall – als Pflichtverletzung gewertet werden, die bei Wiederholung zu Abmahnung und Kündigung führen. Die bloße Missachtung einzelner Vorschriften reicht jedoch in aller Regel nicht aus, solange sich daraus keine erhebliche Beeinträchtigung des Hausfriedens eintritt.
Stand: 22.07.2025
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