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Schüleraustausch im Ausland: Wer zahlt den Unterhalt und die Zusatzkosten?

Familienrecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

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Der Wunsch vieler Schüler, für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen, um etwa die Sprachkenntnisse zu perfektionieren und wertvolle Lebenserfahrungen zu sammeln, ist heutzutage weit verbreitet. Ein Schüleraustausch, vorzugsweise in den USA, Kanada oder anderen englischsprachigen Ländern, steht dabei hoch im Kurs. Für getrenntlebende Eltern wirft ein solches Vorhaben jedoch eine Reihe komplexer unterhaltsrechtlicher Fragen auf. Wer kommt für den laufenden Unterhalt auf, während das Kind im Ausland ist? Und wer trägt die erheblichen Mehrkosten für Reise, Schulgebühren und Unterkunft? Die Klärung dieser Fragen führt nicht selten zu erheblichen Konflikten, insbesondere wenn ein Elternteil dem Auslandsaufenthalt nicht zustimmt.

Grundsatz: Barunterhalt und Betreuungsunterhalt

Unterhaltsrechtlich besteht bei minderjährigen Kinder eine klare Aufteilung zwischen den getrenntlebenden Eltern. Gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfüllt derjenige Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat und der es betreut, seine Unterhaltspflicht „in der Regel“ durch die Erbringung von Pflege und Erziehung. Man spricht hier vom sogenannten Betreuungsunterhalt. Der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht dauerhaft lebt, ist im Gegenzug zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Dessen Höhe richtet sich nach seinem Einkommen und dem Alter des Kindes, wobei die Düsseldorfer Tabelle als anerkannte Richtlinie dient.

Diese grundlegende Aufteilung bleibt auch dann bestehen, wenn das Kind sich für kürzere Zeiträume, etwa im Rahmen des üblichen Umgangsrechts an Wochenenden oder in den Ferien, beim barunterhaltspflichtigen Elternteil aufhält. Die Rechtsprechung geht hier von einer Kontinuität der Betreuungsleistung aus.

Wandelt sich die Unterhaltspflicht durch den Auslandsaufenthalt?

Die entscheidende erste Frage bei einem mehrmonatigen oder gar ganzjährigen Schüleraustausch ist, ob diese Aufteilung von Betreuungs- und Barunterhalt bestehen bleibt. Schließlich wird das Kind während dieser Zeit weder vom einen noch vom anderen Elternteil im Alltag betreut. Entsteht für den betreuenden Elternteil nun ebenfalls eine Pflicht, sich am Barunterhalt zu beteiligen?

Die Rechtsprechung ist in dieser Frage zurückhaltend. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Betreuungsverpflichtung nicht allein dadurch entfällt, dass das Kind für einen begrenzten Zeitraum im Ausland lebt. Solange die elterliche Sorge und die grundsätzliche Verantwortung für das Kind beim betreuenden Elternteil verbleiben – dieser also weiterhin der Ansprechpartner ist, das Kinderzimmer vorhält und die organisatorischen Fäden in der Hand behält –, wandelt sich die Betreuungspflicht nicht automatisch in eine Barunterhaltspflicht um. Eine anteilige Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils entstehe demnach auch während der Zeit eines Schüleraustauschs nicht (OLG Hamm, 04.09.1998 - Az: 10 UF 512/97).

Auch das OLG Köln hat entschieden, dass die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind auch während eines mehrmonatigen Auslandsaufenthalts im Rahmen des Schüleraustauschs unverändert fortbesteht. Eine Abänderung eines bestehenden Unterhaltstitels sei nicht gerechtfertigt. Das Gericht argumentierte, dass der Wohnbedarf für das Kind in Deutschland weiterhin vorgehalten werden müsse und auch sonstige laufende Kosten weiter anfallen. Zwar entfielen die reinen Verpflegungskosten zu Hause, diese würden jedoch in der Regel durch ein angemessen erhöhtes Taschengeld während des Auslandsaufenthalts ausgeglichen. Zudem seien vor Antritt der Reise oftmals erhöhte Anschaffungen, beispielsweise für Kleidung, notwendig (OLG Köln, 15.06.2010 - Az: 4 UF 16/10).

Die grundsätzliche Verpflichtung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, den laufenden Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle weiterzuzahlen, bleibt also in der Regel unberührt.

Wer muss die Kosten für den Schüleraustausch übernehmen?

Weitaus strittiger ist die Frage, wer die erheblichen Zusatzkosten des Auslandsaufenthalts tragen muss. Hierzu zählen Flugtickets, Gebühren der Austauschorganisation, Versicherungskosten und eventuelle Schulgebühren. Rechtlich wird hier geprüft, ob es sich um unterhaltsrechtlich relevanten Sonderbedarf oder Mehrbedarf handelt.

Sonderbedarf (§ 1613 Abs. 2 BGB) ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf, der überraschend und der Höhe nach nicht vorhersehbar auftritt und daher nicht aus den laufenden Unterhaltszahlungen angespart werden konnte.

Mehrbedarf ist ein Bedarf, der regelmäßig anfällt, aber die üblichen Sätze der Düsseldorfer Tabelle übersteigt, etwa die Kosten für eine Privatschule oder eine aufwendige medizinische Behandlung.

Haben sich beide Eltern einvernehmlich auf den Schüleraustausch geeinigt, müssen sie die Kosten in der Regel auch gemeinsam tragen. Sie haften dann anteilig nach ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen für diese Kosten. Schwierig wird es jedoch, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Zustimmung verweigert.

Schüleraustausch als Sonderbedarf?

Die Einordnung der Kosten als Sonderbedarf ist in der Rechtsprechung umstritten und hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab.

Das OLG Karlsruhe stufte in einer älteren Entscheidung zumindest die Reisekosten anlässlich eines Schüleraustauschs als Sonderbedarf ein. Die Begründung lag darin, dass bei der ursprünglichen Festlegung des laufenden Unterhalts nicht absehbar war, dass ein solcher Austausch stattfinden würde. Die Höhe der Kosten übersteige zudem das Maß üblicher Aufwendungen und sei nicht aus dem laufenden Unterhalt zu bestreiten. Ein zusätzlich gefordertes Taschengeld oder die Kosten für die Aufnahme eines ausländischen Austauschschülers im Gegenzug seien hingegen nicht als Sonderbedarf anzuerkennen (OLG Karlsruhe, 22.03.1988 - Az: 18 UF 161/87).

In einer neueren Entscheidung des OLG Hamm wurde die Ansicht vertreten, dass von einem unvorhersehbaren Bedarf nicht die Rede sein kann, wenn die Schule ein Austauschprojekt regelmäßig in einer bestimmten Klassenstufe anbietet. In einem solchen Fall seien die Kosten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar. Den Eltern sei es dann zumutbar, für diese absehbare Belastung entsprechende Rücklagen zu bilden. Ein Schüleraustausch sei in diesem Fall mit einer lange geplanten Klassenfahrt vergleichbar und stelle somit keinen Sonderbedarf dar (OLG Hamm, 21.12.2010 - Az: II - 2 WF 285/10).

Sachliche Begründung und wirtschaftliche Zumutbarkeit sind erforderlich!

Wenn die Kosten nicht als Sonderbedarf gelten, bleibt zu prüfen, ob sie als Teil der allgemeinen Unterhaltspflicht zur angemessenen Ausbildung des Kindes geschuldet sind. Hierfür hat die Rechtsprechung zwei zentrale Kriterien entwickelt: Der Auslandsaufenthalt muss sachlich begründet und für den unterhaltspflichtigen Elternteil wirtschaftlich zumutbar sein.

Das OLG Dresden hat hierzu die folgenden Grundsätze aufgestellt: Ein barunterhaltspflichtiger Elternteil muss sich an den Mehrkosten eines Auslandsaufenthalts ohne sein vorheriges Einverständnis nur dann beteiligen, wenn dieser als angemessene Ausbildung sachlich gerechtfertigt und finanziell tragbar ist. Insbesondere wenn der einjährige Auslandsaufenthalt nicht auf die Schulzeit angerechnet wird und diese sich dadurch verlängert, kommt eine Kostenbeteiligung gegen den Willen des Barunterhaltspflichtigen nur bei weit überdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen der Eltern in Betracht (OLG Dresden, 09.02.2006 - Az: 21 UF 619/05).

Auch andere Gerichte sehen einen mehrmonatigen Aufenthalt in Übersee kritisch. Das OLG Naumburg vertrat die Auffassung, ein sechsmonatiger Aufenthalt in Kanada sei weder allgemein üblich noch für eine sinnvolle Ausbildung zwingend erforderlich. Es handele sich vielmehr um eine überobligatorische Förderung, zu der keine rechtliche Verpflichtung bestehe. Zwar habe die Zahl der Schüleraustausche zugenommen, die Mehrheit der Schüler sei aber weiterhin auf kürzere und kostengünstigere Sprachreisen beschränkt (OLG Naumburg, 08.04.1999 - Az: 3 UF 98/98). Ähnlich urteilte das OLG Schleswig, wonach die Finanzierung eines solchen Auslandsaufenthalts zumindest bei normalen Einkommensverhältnissen nicht vom unterhaltspflichtigen Elternteil verlangt werden kann (OLG Schleswig, 15.02.2006 - Az: 15 UF 134/05).

Die Angemessenheit der Maßnahme hängt somit entscheidend von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie ab. In Familien mit durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Einkommen wird ein teurer Auslandsaufenthalt gegen den Willen eines Elternteils kaum durchsetzbar sein.

Kann ein bestehender Unterhaltstitel abgeändert werden?

Existiert für den Kindesunterhalt bereits ein sogenannter Titel – also ein Urteil, ein gerichtlicher Vergleich oder eine Jugendamtsurkunde –, kann dieser nicht einseitig abgeändert werden. Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil der Meinung, sein Unterhaltsbeitrag müsse aufgrund des Auslandsaufenthalts gekürzt werden, oder verlangt der betreuende Elternteil eine Beteiligung an den Austauschkosten, muss eine Einigung gesucht werden.

Scheitert eine gütliche Einigung, muss derjenige, der eine Änderung wünscht, eine Abänderungsklage nach § 238 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) beim zuständigen Familiengericht einreichen.

Die Hürden für eine Abänderung des laufenden Unterhalts aufgrund eines nur mehrmonatigen Auslandsaufenthalts jedoch hoch. Denn die Unterhaltspflicht besteht zumindest bei einem nur einige Monate dauernden Aufenthalt fort, da sich die Verhältnisse hierdurch nicht wesentlich ändern. Eine Abänderung eines titulierten Unterhaltsanspruchs ist somit nicht gerechtfertigt (vgl. OLG Köln, 15.06.2010 - Az: 4 UF 16/10).

Kann man Besuchsreisen steuerlich geltend machen?

Das Finanzgericht Niedersachsen hat entschieden, dass ein Elternteil die Kosten für Besuchsreisen zu seinem Kind, das sich im Schüleraustausch im Ausland befindet, nicht als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer absetzen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien Kosten für den Umgang mit den Kindern, auch wenn diese im Ausland leben, typische und nicht außergewöhnliche Kosten der privaten Lebensführung, die durch den Familienlastenausgleich (z. B. Kindergeld) bereits abgegolten sind (FG Niedersachsen, 05.12.2018 - Az: 3 K 15/18).

Behinderte Kinder haben Anspruch auf Begleitperson als Eingliederungshilfe

Eine besondere Situation ergibt sich bei Kindern mit Behinderungen. Das Verwaltungsgericht Halle hatte über die Kostenübernahme für eine Begleitperson eines Schülers mit Asperger-Syndrom während eines Schüleraustauschs in Frankreich zu entscheiden. Das Gericht urteilte, dass die familiäre Beistandspflicht der Eltern überdehnt würde, wenn sie die Begleitung selbst leisten oder finanzieren müssten. Die Begleitung diene der behinderungsbedingten Integration und sei keine schulspezifische Aufsichtsmaßnahme. Daher handele es sich um eine Aufgabe der Eingliederungshilfe, deren Kosten vom zuständigen Träger zu übernehmen seien (VG Halle, 05.09.2018 - Az: 7 A 149/19 HAL und 7 A 55/17 HAL).
Stand: 28.12.2018
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