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Betreuungsunterhalt oder Naturalunterhalt im Familienrecht: Mehr als nur „Kost und Logis“

Familienrecht | Lesezeit: ca. 14 Minuten

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Der sogenannte Naturalunterhalt spielt im Unterhaltsrecht eine wesentliche Rolle. Während der Barunterhalt, also die monatliche Zahlung eines Geldbetrages, das bekanntere Gegenstück ist, handelt es sich beim Naturalunterhalt um die grundlegende Form der Unterhaltsgewährung. Er umfasst neben der Bereitstellung von Essen und Unterkunft die gesamte alltägliche Versorgung und Betreuung. Die Gewährung von Naturalunterhalt wirkt sich auf die Berechnung anderer Unterhaltsansprüche und sogar auf die Pfändbarkeit von Einkommen aus.

Naturalunterhalt als gesetzlicher Regelfall

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geht vom Grundsatz aus, dass Unterhalt durch die Deckung der laufenden Lebensbedürfnisse in natura zu leisten ist. § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass der Unterhalt durch die Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist, fügt jedoch hinzu, dass eine andere Art der Unterhaltsgewährung verlangen werden kann, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Der Naturalunterhalt findet seine gesetzliche Grundlage in § 1612 Abs. 2 BGB. Hiernach kann der Unterhalt entweder durch die Gewährung von Lebensbedarfsleistungen in Form von Kost, Wohnung, Kleidung, Taschengeld, Erziehung, Pflege, Betreuung und weiteren persönlich erbrachten Leistungen geleistet werden. Die konkreten Verpflichtungen orientieren sich grundsätzlich am konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten und an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, sodass keine Pauschalisierung möglich ist.

Im Familienalltag ist der Naturalunterhalt der Regelfall. Innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft leisten sich die Ehegatten gemäß §§ 1360, 1360a BGB Familienunterhalt, der sich aus sämtlichen Leistungen zusammensetzt, die zum gemeinsamen Leben erforderlich sind. Dazu gehört die Haushaltsführung, die Erziehung der Kinder, die Bereitstellung von Wohnraum, Kleidung, Verpflegung und die Deckung persönlicher Bedürfnisse.

Nach einer Trennung der Eltern ändert sich die Lage in der Regel. Für minderjährige Kinder wird der Unterhalt in der Regel aufgeteilt: Ein Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, leistet seinen Beitrag durch die tatsächliche Pflege und Erziehung des Kindes und erbringt damit weiterhin Naturalunterhalt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Der andere Elternteil kommt seiner Verpflichtung durch die Zahlung von Barunterhalt nach. Das Gesetz erkennt die Betreuungsleistung als gleichwertig zur Barzahlung an.

Bei volljährigen Kindern spielt der Naturalunterhalt dann eine Rolle, wenn das Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt und dort weiterhin verpflegt und betreut wird. Dann kann auch nach Eintritt der Volljährigkeit der ggf. noch bestehende Unterhaltsbedarf (teilweise) durch Naturalunterhalt erfüllt werden. Grundsätzlich sind jedoch beide Eltern gegenüber dem volljährigen Kind zum Barunterhalt verpflichtet. Der Anspruch auf Naturalunterhalt beschränkt sich auf Ausnahmefälle, die weiter auf Betreuung und Pflege angewiesen sind und im Haushalt der Eltern verbleiben. Der anteilige Barunterhalt richtet sich nach ihren jeweiligen Einkommen des Elternteils und kann der Düsseldorfer Tabelle entnommen werden.

Auch Ehegattenunterhalt kann als Naturalunterhalt erbracht werden - jedenfalls bei bestehender häuslicher Gemeinschaft. Trennen sich die Ehegatten, ist der Unterhalt in aller Regel als Barunterhalt zu leisten.

Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung

Der für unterhaltsberechtigte Kinder geleistete Naturalunterhalt wirkt sich unmittelbar auf die Unterhaltsberechnung aus, da dieser als Erfüllung der Unterhaltspflicht berücksichtigt wird.

Der auf das Kind entfallende Unterhaltsanspruch wird zu gleichen Teilen auf beide Eltern aufgeteilt und der vom betreuende Elternteil zu tragende Anteil gilt als bereits durch die tatsächliche Betreuung und Versorgung erbracht.

In der Praxis bedeutet dies, dass der betreuende Elternteil im Regelfall keinen weiteren Barunterhalt schuldet und der nicht betreuende Elternteil alleine zur Zahlung von Barunterhalt herangezogen wird.

Beim Wechselmodell erfordert ist dagegen eine differenzierte Betrachtung hinsichtlich der tatsächlichen Aufwendungen notwendig, die im Einzelfall zu einer gegenseitigen Barunterhaltsverpflichtung beider Eltern führen kann.

Gibt es eine Nachweispflicht für den Naturalunterhalt?

Bei minderjährigen Kindern muss der betreuende Elternteil die Leistung von Naturalunterhalt normalerweise nicht nachweisen, wenn das Kind dauerhaft im Haushalt lebt. Sofern der andere Elternteil oder die Unterhaltsvorschusskasse jedoch Zweifel an der tatsächlichen Betreuung und Versorgung anmeldet, kann ein entsprechender der Lebensgemeinschaft z.B. durch Melde- oder Schulbescheinigung erbracht werden.

Ausgestaltung des Naturalunterhalts durch Einbeziehung Dritter

Die Erbringung von Naturalunterhalt durch Betreuung und Erziehung ist eine höchstpersönliche Leistung. In der Praxis stellt sich jedoch häufig die Frage, inwieweit die Hinzuziehung Dritter, wie Großeltern oder einer Tagesmutter, die Gleichwertigkeit der Betreuungsleistung beeinflusst. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat hierzu klargestellt, dass die Betreuungsleistung auch dann als erfüllt gilt, wenn der betreuende Elternteil aufgrund eigener Berufstätigkeit zeitweise auf die Hilfe von Verwandten zurückgreift. Entscheidend ist, dass der Elternteil die Hauptverantwortung für die Pflege und Erziehung trägt und diese nicht vollständig delegiert. Wird die Betreuung jedoch fast ausschließlich einem Dritten überlassen, ohne dass der Elternteil nennenswerte eigene Beiträge leistet, kann dies dazu führen, dass die Unterhaltspflicht als nicht erfüllt angesehen wird. Dies gilt selbst dann, wenn die dritte Person die Betreuung unentgeltlich erbringt (OLG Brandenburg, 29.04.2003 - Az: 10 UF 195/02).

Vom Natural- zum Barunterhalt für Ehegatten bei Haushaltsauflösung

Der Grundsatz des Naturalunterhalts innerhalb der Ehe kann sich wandeln, wenn die häusliche Gemeinschaft aus zwingenden Gründen aufgehoben wird, ohne dass eine (rechtliche) Trennung vorliegt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Unterbringung eines Ehegatten in einem Pflegeheim. Die eheliche Lebensgemeinschaft als solche besteht fort, aber der gemeinsame Haushalt kann nicht mehr geführt werden. In einem solchen Fall wandelt sich der Anspruch auf Familienunterhalt in Form von Naturalleistungen in einen Anspruch auf eine monatliche Geldrente um. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass der Anspruch aus §§ 1360, 1360a BGB die Kosten umfasst, die durch die Pflegebedürftigkeit entstehen, unabhängig davon, ob die Pflege ambulant oder stationär erfolgt. Da die Eheleute in dem entschiedenen Fall nicht im Sinne des Gesetzes getrennt lebten, bestand kein Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB, sondern ein fortwirkender Anspruch auf Familienunterhalt in Form von Barleistungen (OLG Celle, 20.10.2015 - Az: 18 UF 5/15).

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Stand: 26.08.2025
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