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Behindertenparkplatz: Wer ihn nutzen darf, wann abgeschleppt wird und welche Ausreden nichts nützen

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 16 Minuten

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In kaum einem Bereich des Straßenverkehrsrechts prallen Hilfsbedürftigkeit und Rücksichtslosigkeit so unmittelbar aufeinander wie bei der Nutzung von Behindertenparkplätzen. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung wollen sicherzustellen, dass diese Sonderparkflächen ausschließlich dem berechtigten Personenkreis zur Verfügung stehen. Für Autofahrer ohne entsprechende Berechtigung, aber auch für Inhaber eines Parkausweises, die die formellen Anforderungen missachten, gelten daher strenge Maßstäbe.

Wer darf überhaupt auf einem Behindertenparkplatz parken?

Nicht jeder Mensch mit Behinderung darf automatisch einen ausgewiesenen Behindertenparkplatz nutzen. Entscheidend ist nicht der Grad der Behinderung (GdB) an sich, sondern das Vorliegen spezifischer Voraussetzungen, die im Schwerbehindertenausweis durch das Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) dokumentiert werden. Nur dann, wenn ein gehbehinderter Mensch die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erlangt hat, steht ihm auch die Benutzung von als solchen gekennzeichneten Behindertenparkplätzen zu. Diese Kennzeichnung steht aber nur außergewöhnlich stark gehbehinderten Menschen zu.

Die Hürden für dieses Merkzeichen sind entsprechend hoch. Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass für die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ die Gehfähigkeit im öffentlichen Verkehrsraum maßgeblich ist. Kann sich ein schwerbehinderter Mensch dort dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen, steht ihm das Merkzeichen „aG“ zu (wenn auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind). Eine eventuell bessere Gehfähigkeit in vertrauter Umgebung oder unter idealen Bedingungen ist hierbei irrelevant. Dies stärkt die Rechte von Personen, die sich beispielsweise in unbekannten Situationen nicht orientieren oder bewegen können (vgl. BSG, 09.03.2023 - Az: B 9 SB 1/22 R und B 9 SB 8/21 R).

Anders liegt der Fall, wenn technische Hilfsmittel eine ausreichende Mobilität gewährleisten. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg, dass die Nutzung von Behindertenparkplätzen nur außergewöhnlich stark gehbehinderten Menschen zusteht. Wer Funktionsstörungen, etwa im Kniegelenk, gut mit Unterarmgehstützen kompensieren kann und einen Großteil des Körpergewichts mit der linken unteren Gliedmaße aufnehmen kann, erhält die Berechtigung nicht. Kann sich der Betroffene auch ohne fremde Hilfe außerhalb seines Fahrzeugs bewegen, so kommt die Kennzeichnung nicht in Betracht. Auch das Argument, man benötige zum Ein- und Aussteigen eine weit geöffnete Autotür, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Notwendigkeit, die Benutzung eines Behindertenparkplatzes zu ermöglichen. Es kommt allein auf die Art und Weise der Fortbewegung außerhalb des Fahrzeugs an (LSG Rheinland-Pfalz, 25.06.2001 - Az: L 4 SB 176/00). Auf die Länge der zu bewältigenden Wegstrecke kommt es nicht an, sondern nur, unter welchen Bedingungen dies möglich ist.

Allerdings darf die Anforderung nicht überspannt werden. Das Sozialgericht Dortmund urteilte, dass die Nutzung von Behindertenparkplätzen bereits dann zusteht, sobald kurze Wege nur mit fremder Hilfe oder unter großer Anstrengung zurückgelegt werden können (SG Dortmund, 21.02.2003 - Az: S 7 SB 48/02).

Parkausweis: Original muss sichtbar ausgelegt werden

Der Besitz der Parkberechtigung allein genügt nicht; sie muss auch ordnungsgemäß nachgewiesen werden. Dies geschieht durch das gut sichtbare Auslegen des Parkausweises hinter der Windschutzscheibe (§ 42 Abs. 4 Ziffer 2 Satz 2 StVO). Hierbei ist größte Sorgfalt geboten, denn die Verwendung von Kopien ist unzulässig und kann gravierende Folgen haben.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf musste über einen Fall entscheiden, in dem ein Autofahrer lediglich eine Kopie des Schwerbehindertenausweises ausgelegt hatte. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme und der Gebührenforderung (VG Düsseldorf, 15.03.2011 - Az: 14 K 504/11). Der Ausweis muss zwingend im Original ausgelegt werden, um Missbrauch auszuschließen; eine Kopie erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen gerade nicht. Unerheblich ist hierbei, wem der Ausweis gehört und warum er nicht ordnungsgemäß verwendet wurde. Es ist Sache des Fahrers sicherzustellen, dass die erforderlichen Dokumente ordnungsgemäß ausgelegt werden.

Noch schwerwiegender wiegt der Versuch, durch Farbkopien eine Berechtigung vorzutäuschen. Das Oberlandesgericht Stuttgart sah in einem Fall, in dem ein Nichtbehinderter eine Farbkopie eines fremden Ausweises nutzte, unter Umständen den Tatbestand der Urkundenfälschung als gegeben an (vgl. OLG Stuttgart, 22.05.2006 - Az: 1 Ss 13/06). Der bloße Nachweis einer Fotokopie ist zwar in der Regel keine Urkunde. Eine Kopie wird aber dann als Urkunde behandelt, wenn der Täter eine fotografische Reproduktion als angeblich vom Aussteller herrührende Urschrift hergestellt hat und mit dieser den Anschein einer Originalurkunde erwecken wollte.

Ebenso wenig hilft ein abgelaufener Ausweis. Ein Polizeibediensteter, der das Abschleppen anordnet, weil der ausgelegte Parkausweis keine Gültigkeit mehr besitzt, muss nicht erst bei den zuständigen Stellen nachfragen, ob die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Es gehört zu den Obliegenheiten des Inhabers eines Parkausweises, sich rechtzeitig um die Verlängerung zu kümmern. Die Folgen eines Versäumnisses fallen in die Verantwortungssphäre des Ausweisinhabers (vgl. OVG Hamburg, 16.11.2011 - Az: 5 BF 292/10).

Abschleppen bei Verstößen

Das unberechtigte Parken auf einem Behindertenparkplatz wird von der Rechtsprechung als erheblicher Verstoß gewertet, der ein sofortiges Abschleppen rechtfertigt. Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse daran, diese Parkflächen für den berechtigten Personenkreis unbedingt und ungeschmälert freizuhalten.

Die Gerichte legen hier einen strengen Maßstab an die Zumutbarkeit von Wartezeiten für behinderte Menschen an. Ein unberechtigt geparktes Fahrzeug muss entfernt werden, da kein milderes und gleich effektives Mittel zur Beseitigung des Rechtsverstoßes in Betracht kommt.

Die unberechtigte Nutzung eines Schwerbehinderten-Parkplatzes führt auch dann zu einem Bußgeld, wenn das Auto für weniger als drei Minuten verlassen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, 28.09.1995 - Az: 5 Ss OWi 332/95). Ein Schwerbehinderter muss „aus den Umständen ohne weiteres“ erkennen können, dass der Fahrer des abgestellten Wagens bereit ist, sein Fahrzeug sofort zu entfernen.

Es ist nicht notwendig, dass sich die Behörde vorher bemühen muss, den Aufenthaltsort des Fahrers zu ermitteln (vgl. OVG Schleswig-Holstein, 19.03.2002 - Az: 4 L 118/01). Dies gilt auch dann, wenn der Behörde der Wohnort des Ordnungspflichtigen bekannt ist und die Wohnungsanschrift in unmittelbarer Nähe zu dem verbotswidrig geparkten Kfz liegt (vgl. VG Düsseldorf, 16.06.2014 - Az: 14 K 8019/13).

Das Hinterlegen einer Mobilfunknummer hinter der Scheibe eines falsch parkenden Wagens ist kein ausreichender Schutz vor dem Abschleppen (vgl. VGH Baden-Württemberg, 07.02.2003 - Az: 1 S 1248/02). Die Nachforschungen nach dem Fahrer hätten darüber hinaus nur eine ungewisse Erfolgsaussicht gehabt.

Wenn verbotswidrig auf einem von mehreren öffentlichen Behindertenparkplätzen geparkt wird, kann das Fahrzeug auch dann sofort abgeschleppt werden, wenn die anderen Behindertenparkplätze noch unbesetzt sind (vgl. VG Neustadt, 13.09.2011 - Az: 5 K 369/11.NW).

Bleibt ein defektes Fahrzeug liegen oder wird es an eine Stelle verbracht, an der das Parken verboten ist (etwa einem Behindertenparkplatz), so trifft den Fahrer die Verpflichtung, das Fahrzeug unverzüglich zu entfernen. Eine Unverhältnismäßigkeit einer entsprechenden Abschleppmaßnahme ist nicht zu erkennen, da Behinderte darauf vertrauen sollen, dass gekennzeichneter Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, 21.03.2000 - Az: 5 A 2339/99).

Wenn der Parkausweis nicht gilt: Einschränkungen und Verbotszonen

Der blaue Parkausweis berechtigt nur zum Parken auf entsprechend gekennzeichneten Flächen und entbindet nicht von allen anderen Verkehrsvorschriften.

Auch für entsprechend ausgewiesene Behindertenparkplätze kann eine zeitliche Einschränkung durch das Zusatzschild „Parkscheibe zwei Stunden“ erfolgen (vgl. VGH Baden-Württemberg, 22.08.2001 - Az: 5 S 69/01).

Ist die Geltung eines Schwerbehindertenparkplatzes zeitlich durch ein Zusatzzeichen mit der Aufschrift „Mo - Do 7 - 19 h, Fr 7 - 13 h“ beschränkt, dürfen Fahrzeugführer, die nicht über eine Schwerbehindertenparkerlaubnis verfügen, auch dann nicht parken, wenn einer der Wochentage auf einen gesetzlichen Feiertag fällt. Die Verkehrsregelung gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Wochentag im Einzelfall auf einen gesetzlichen Feiertag fällt oder nicht. Ein Verkehrszeichen darf nicht nach seinem mutmaßlichen Schutzzweck interpretiert werden (vgl. VG Düsseldorf, 11.03.2014 - Az: 14 K 7129/13).

Ein im Parkverbot abgestelltes Fahrzeug kann auch dann abgeschleppt werden, wenn ein spezieller Parkausweis für Behinderte auslag. Eine erhöhte Pflicht zur Erforschung anderer Parkplätze im Nahbereich besteht auch dann nicht, wenn ein blauer Parkausweis im PKW ausliegt (vgl. VG Köln, 01.10.2015 - Az: 20 K 5858/14).

Haftung für Abschleppkosten

Wird ein Fahrzeug unberechtigt abgeschleppt, kann sowohl der Fahrer als auch der Fahrzeughalter zur Kostentragung herangezogen werden.

Steht fest, dass nicht der Fahrzeughalter, sondern eine andere Person verbotswidrig geparkt hat und sind Name nebst Anschrift des Dritten der Behörde bekannt, so sind die Abschleppkosten vorrangig vom Fahrer zu verlangen. Nur dann, wenn dessen Inanspruchnahme aussichtslos ist, darf auf den Halter zurückgegriffen. Erklärt eine Behörde in ständiger Verwaltungspraxis bei Abschleppmaßnahmen immer den Halter zu den Kosten heranzuziehen, obwohl ihr der Fahrer bekannt ist, liegt ein Ermessensausfall vor. In diesem Fall ist der Kostenfestsetzungsbescheid rechtswidrig (vgl. VG Oldenburg, 27.02.2009 - Az: 7 A 35/09).

Bei den sogenannten zugeordneten Behindertenparkplätzen, die nur für einen bestimmten Halter reserviert sind, gelten besondere Maßstäbe bei der Verhältnismäßigkeit:

Wurde der Parkausweis nicht sichtbar im Fahrzeug ausgelegt und das Fahrzeug daher vom dem Halter zugewiesenen Schwerbehindertenparkplatz abgeschleppt, so muss der Halter die Kosten nicht bezahlen (vgl. VG Neustadt, 02.07.2004 - Az: 7 K 693/04.NW). Das Abschleppen war in diesem Fall unverhältnismäßig, da der speziell für den Halter reservierte Platz gar nicht von anderen Verkehrsteilnehmern hätte genutzt werden können.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz sieht dies anders, wenn ein Fahrzeug des Parkberechtigten von „seinem“ Parkplatz abgeschleppt wurde, weil der Parkausweis nicht gut lesbar ausgelegt war. Hier muss von einem unberechtigten Parken ausgegangen werden, und die entstandenen Kosten können vom Parkberechtigten verlangt werden (OVG Rheinland-Pfalz, 25.01.2005 - Az: 7 A 11726/04.OVG).

Gibt es einen Anspruch auf Einrichtung eines Behindertenparkplatz?

Abschließend ist für Betroffene interessant, dass unter bestimmten Umständen ein Rechtsanspruch auf Einrichtung eines individuellen Behindertenparkplatzes vor der eigenen Haustür bestehen kann. Dies kann auch personenbezogen („Mit Ausweis Nr….“) erfolgen.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verpflichtete eine Stadt zur Einrichtung eines solchen Parkplatzes, obwohl das Haus über eine Garage verfügte. Der 77-jährige Kläger war schwerbehindert mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Da er die Garage aufgrund seiner Behinderung (fehlende Möglichkeit, von der im Keller gelegenen Garage in seine Wohnung zu gelangen) faktisch nicht nutzen konnte, war ihm der Verweis auf den privaten Stellplatz nicht zumutbar. Auch das Parken vor der eigenen Einfahrt, das normalerweise als Ordnungswidrigkeit geduldet wird, ist keine rechtssichere Alternative. Im vorliegenden Fall galt vor der Einfahrt aufgrund eines abgesenkten Bordsteins ein generelles Parkverbot, das auch den Inhaber der Garage erfasste. Dem Kläger stand aufgrund der Umstände des Einzelfalls vielmehr ein Anspruch auf die Ausschilderung eines „rechtssicheren“ Sonderparkplatzes zu (VG Gelsenkirchen, 05.11.2024 - Az: 14 K 1401/24).
Stand: 27.11.2025
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Aufgrund meiner kurzen sachlichen Beschreibung war die Rechtsauskunft sehr korrekt und ausführlich - tadellos

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