Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine
Kündigung des bestehenden
Arbeitsverhältnisses, die unmittelbar mit dem Angebot verbunden ist, das Arbeitsverhältnis zu geänderten, oft ungünstigeren Bedingungen fortzusetzen. Dieses Vorgehen ist für den
Arbeitgeber oft der einzige Weg, Vertragsinhalte anzupassen, wenn der
Arbeitnehmer einer einvernehmlichen Vertragsänderung nicht zustimmt.
Die gesetzliche Grundlage für die Änderungskündigung findet sich in
§ 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Dort ist geregelt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen und dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dieser Kündigung die Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbieten kann. Eine solche Änderungskündigung ist also ein zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Sie besteht aus einer Kündigungserklärung, die entweder ordentlich oder außerordentlich erfolgen kann, und einem klaren Vertragsangebot. Dieses Angebot muss so eindeutig formuliert sein, dass der Arbeitnehmer es mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ annehmen kann. Es soll sämtliche Vertragsbestandteile (Arbeitszeit, Vergütung, Arbeitsort, Aufgabenbereich) aufführen, die geändert werden sollen. Unbestimmte oder unvollständige Änderungsangebote können zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung führen. Beide Erklärungen, Kündigung und Angebot, müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Da die Änderungskündigung zwingend eine Kündigungserklärung enthält, unterliegt sie dem Schriftformerfordernis des
§ 623 BGB (LAG Köln, 16.06.2016 - Az:
7 Sa 359/16).
Der Arbeitgeber sollte darauf achten, dem Arbeitnehmer die Kündigung so zuzustellen, dass der Zugang nachweisbar ist (z.B. durch Boten oder Einschreiben). Mit Zugang der Kündigung beginnt die Dreiwochenfrist für eine
Änderungsschutzklage (
§ 4 KSchG). Es empfiehlt sich, den Arbeitnehmer in der Kündigung auf diese Frist ausdrücklich hinzuweisen.
Abgrenzung zum Weisungsrecht (Direktionsrecht)
Nicht jede Änderung der Arbeitsumstände erfordert eine Änderungskündigung. Der Arbeitgeber verfügt über ein sogenanntes
Weisungsrecht, auch Direktionsrecht genannt, das in § 106 der Gewerbeordnung (GewO) normiert ist. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Aspekte nicht bereits durch den
Arbeitsvertrag, eine
Betriebsvereinbarung, einen
Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Eine Änderungskündigung zielt auf eine dauerhafte Änderung des Vertragsinhalts selbst ab, während das Weisungsrecht lediglich der Konkretisierung des bestehenden, unveränderten Vertragsinhalts dient. Ist eine vom Arbeitgeber gewünschte Änderung bereits vom bestehenden Direktionsrecht gedeckt, ist eine Änderungskündigung nicht erforderlich und daher unwirksam. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel enthält, die den Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer an einen anderen Ort zu versetzen.
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass eine Klage gegen eine Änderungskündigung (eine sogenannte Änderungsschutzklage nach
§ 4 Satz 2 KSchG) unbegründet ist, wenn der Arbeitgeber die im Angebot genannten Änderungen bereits einseitig durch Ausübung seines Weisungsrechts durchsetzen könnte. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sein Direktionsrecht tatsächlich bereits wirksam ausgeübt hat. Allein die rechtliche Möglichkeit dazu genügt (BAG, 26.01.2012 - Az:
2 AZR 102/11). Eine Änderungskündigung ist also nur dann notwendig, wenn der Arbeitgeber die angestrebte Änderung gerade nicht auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen erreichen kann.
Gleichwohl kann eine formal fehlerhafte Änderungskündigung auch dann unwirksam sein, wenn sie „überflüssig“ war, weil die Änderung per Weisungsrecht möglich gewesen wäre. Nimmt der Arbeitnehmer ein solches Angebot unter Vorbehalt an und klagt, kann ein Mangel in der Kündigungserklärung, etwa eine fehlende
Anhörung der Mitarbeitervertretung, zum Erfolg der Klage führen (BAG, 22.10.2015 - Az:
2 AZR 124/14).
Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung
Die Änderungskündigung hat aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich Vorrang vor einer Beendigungskündigung. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigen, wenn auch zu geänderten Bedingungen, muss er diesen Weg wählen, bevor er das Arbeitsverhältnis vollständig beendet. Die Beendigungskündigung ist nur als „ultima ratio“, als letztes Mittel, zulässig.
Dieser Vorrang gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer einem informellen Änderungsangebot des Arbeitgebers bereits widersprochen hat. Bietet ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen an und lehnt der Mitarbeiter dies ab, darf der Arbeitgeber nicht sogleich eine Beendigungskündigung aussprechen. Er muss dem Arbeitnehmer stattdessen im Wege einer formellen Änderungskündigung die Möglichkeit geben, seinen Entschluss zu überdenken. Dies gibt dem Arbeitnehmer die Chance, die gesetzliche Reaktionsmöglichkeit des § 2 KSchG zu nutzen und das Angebot unter Vorbehalt anzunehmen. Nur wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er unter gar keinen Umständen zu den geänderten Bedingungen arbeiten werde, kann eine Beendigungskündigung gerechtfertigt sein (LAG Hamm, 04.02.2003 - Az:
7 Sa 1624/02).
Voraussetzungen der Wirksamkeit einer Änderungskündigung
Findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung (was in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern und bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten der Fall ist), unterliegt die Änderungskündigung einer strengen Wirksamkeitskontrolle.
Erstens muss die Kündigung an sich
sozial gerechtfertigt sein. Es muss also ein anerkannter Kündigungsgrund vorliegen, der in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder in dringenden betrieblichen Erfordernissen liegen kann (
§ 1 Abs. 2 KSchG).
Besteht im Betrieb ein
Betriebsrat oder eine andere Arbeitnehmervertretung, ist dieser vor jeder Änderungskündigung gemäß
§ 102 BetrVG beziehungsweise entsprechender Vorschriften anzuhören. Wird die Anhörung unterlassen oder fehlerhaft durchgeführt, ist die Änderungskündigung aus formellen Gründen unwirksam.
Zweitens muss das Änderungsangebot selbst sozial gerechtfertigt sein. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung und die des Änderungsangebots werden getrennt geprüft. Die Änderungen, die der Arbeitgeber vorschlägt, müssen „billigerweise“ hingenommen werden können. Dies wird anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beurteilt. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Arbeitsvertrag an die geänderten Umstände anzupassen. Der Arbeitgeber darf sich nicht weiter vom bisherigen Vertragsinhalt entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels (z.B. Anpassung an eine neue Betriebsstruktur) erforderlich ist.
Diese Prüfung gilt für jede einzelne vorgeschlagene Änderung. Ist auch nur eine von mehreren Änderungen im Angebot nicht sozial gerechtfertigt oder unverhältnismäßig, ist die gesamte Änderungskündigung unwirksam (ArbG Frankfurt/Main, 20.10.2004 - Az:
17/10 Ca 3097/04). Eine Ausnahme kann gelten, wenn die Änderung der
Vergütung lediglich die logische Konsequenz der Zuweisung einer neuen Tätigkeit innerhalb eines bestehenden betrieblichen Vergütungssystems ist. In diesem Fall ist eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung entbehrlich (BAG, 23.06.2005 - Az:
2 AZR 642/04).
Betriebsbedingte Änderungskündigung und die Sozialauswahl
In den meisten Fällen wird eine Änderungskündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt, etwa bei Auftragsmangel, Umstrukturierungen oder Betriebsschließungen. Wie bei der Beendigungskündigung muss der Arbeitgeber auch bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung eine
Sozialauswahl durchführen, wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer für die Änderung in Betracht kommen.
Der Maßstab für die Sozialauswahl ist bei der Änderungskündigung jedoch ein anderer als bei der Beendigungskündigung. Es geht nicht primär darum, welcher Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes am härtesten getroffen wird. Stattdessen ist darauf abzustellen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status der vergleichbaren Arbeitnehmer auswirkt. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob er die Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie in sozialer Hinsicht eher zumutbar gewesen wäre (ArbG Hagen, 23.11.2021 - Az:
5 Ca 460/21).
Der gekündigte Arbeitnehmer hat gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG das Recht, vom Arbeitgeber Auskunft über die Gründe zu verlangen, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Der Arbeitgeber muss dabei nicht nur die Kriterien (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) nennen, sondern auch deren Gewichtung und den Kreis der Arbeitnehmer, die er in die Auswahl einbezogen hat.
Konkrete Anwendungsfälle der Änderungskündigung
Die Rechtsprechung hat sich mit einer Vielzahl von Konstellationen zur Änderungskündigung befasst.
In tarifgebundenen Betrieben, insbesondere im öffentlichen Dienst und im Bereich kirchlicher Arbeitsverhältnisse, gelten zum Teil besondere Vorschriften zu Versetzung, Änderungskündigung und Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Diese können weitergehende Schutzvorschriften beinhalten und sind im konkreten Einzelfall zu beachten.
Korrektur der Vergütung: Stellt ein Arbeitgeber fest, dass ein Arbeitnehmer irrtümlich und dauerhaft in eine zu hohe Vergütungsgruppe eingruppiert wurde, kann dies eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Korrektur der Eingruppierung rechtfertigen. Der Arbeitgeber trägt hierbei jedoch die volle Darlegungs- und Beweislast für die fehlerhafte Eingruppierung (ArbG Hagen, 10.11.2021 - Az:
3 Ca 441/21).
Mindestlohn: Die Einführung oder Erhöhung des gesetzlichen
Mindestlohns berechtigt den Arbeitgeber nicht automatisch, bisher gewährte Zusatzleistungen wie Urlaubs- oder
Weihnachtsgeld zu streichen. Eine Änderungskündigung mit diesem Ziel ist oft unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass solche Zusatzleistungen, die nicht direkt die Arbeitsleistung vergüten, sondern als Prämie oder für einen anderen Zweck (z.B. Urlaubserholung) gezahlt werden, nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sind und zusätzlich gezahlt werden müssen. Eine Streichung wäre nur bei einer Gefährdung des Fortbestands des Betriebs denkbar (LAG Berlin-Brandenburg, 02.10.2015 - Az:
9 Sa 1727/15).
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