Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Bei einer
Kündigung des
Arbeitsverhältnisses liegen die Gründe hierfür in der Regel im Verhalten oder in der Person des
Arbeitnehmers oder in betrieblichen Erfordernissen des
Arbeitgebers. Daneben gibt es noch eine besondere und im Arbeitsrecht umstrittene Konstellation - die sogenannte Druckkündigung. Hierbei spricht der Arbeitgeber die Kündigung nicht aus eigenem Antrieb aus, sondern weil Dritte dies von ihm verlangen. Gekündigt wird einem Mitarbeiter also aus Gründen, die für den Arbeitgeber selbst eigentlich keinen Kündigungsgrund darstellen würden.
Der Druck kann dabei von verschiedenen Seiten ausgehen: von der Belegschaft, die mit Arbeitsniederlegung droht, von wichtigen Schlüsselmitarbeitern, die mit ihrer eigenen Kündigung drohen, oder von einem bedeutenden Kunden, der die Beendigung der Geschäftsbeziehung in den Raum stellt, sollte dem unliebsamen Mitarbeiter nicht gekündigt werden. Auch Aufsichtsbehörden oder der
Betriebsrat können unter bestimmten Umständen die Entlassung eines Arbeitnehmers fordern. Der Arbeitgeber sieht sich in diesen Fällen oft in einer Zwangslage, da ihm bei Untätigkeit erhebliche wirtschaftliche Nachteile oder massive Störungen des Betriebsfriedens drohen. Da eine solche Kündigung jedoch nicht auf einem klassischen, vom Arbeitnehmer verschuldeten Grund beruht, hat die Rechtsprechung, allen voran das Bundesarbeitsgericht (BAG), sehr hohe Hürden für ihre Wirksamkeit aufgestellt.
„Echte“ und „unechte“ Druckkündigung: Wo liegt der Unterschied?
Die juristische Praxis unterscheidet zwischen zwei Arten der Druckkündigung. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die rechtliche Bewertung und die Voraussetzungen der Wirksamkeit.
Bei der sogenannten „unechten Druckkündigung“ ist der Druck von außen nur der mittelbare Anlass für die Kündigung des Arbeitgebers. Der eigentliche, unmittelbare Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt bereits im Verhalten oder in der Person des zu kündigenden Arbeitnehmers. Es existiert also ein anerkannter Kündigungsgrund nach dem
Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wie etwa eine schwere Pflichtverletzung. Das Verlangen der Dritten ist in diesem Fall durch das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv gerechtfertigt.
Ein Beispiel hierfür wäre ein Arbeitnehmer, der eine Kollegin systematisch
mobbt. Trotz wiederholter
Abmahnungen setzt er sein Verhalten fort. Wenn sich daraufhin die restliche Belegschaft solidarisiert und vom Arbeitgeber die Entlassung des mobbenden Kollegen fordert, um den Betriebsfrieden wiederherzustellen, ist dieser Druck nur die Begleiterscheinung. Der Arbeitgeber kündigt primär wegen des fortgesetzten, abgemahnten Fehlverhaltens, also aus verhaltensbedingten Gründen. Die Drucksituation kann sich in einem solchen Fall allerdings im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken.
„Echte Druckkündigung“ als betriebsbedingte Kündigung
Komplizierter und rechtlich anspruchsvoller ist die Konstellation der „echten Druckkündigung“. Hier fehlt es an einem Kündigungsgrund, der in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers selbst zu finden wäre. Dem Mitarbeiter ist objektiv kein kündigungsrelevantes Fehlverhalten vorzuwerfen. Die Kündigung wird allein durch den Druck Dritter ausgelöst, die mit erheblichen Nachteilen für den Arbeitgeber drohen.
Da kein personen- oder verhaltensbedingter Grund vorliegt, kann eine solche Kündigung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur als
betriebsbedingte Kündigung im Sinne des
§ 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Die Androhung schwerer wirtschaftlicher Schäden, etwa durch den Wegfall eines Großauftrags oder einen Produktionsstillstand infolge eines
Streiks, schafft ein dringendes betriebliches Erfordernis, das der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen kann. An die Wirksamkeit einer solchen Kündigung sind jedoch äußerst strenge Anforderungen geknüpft.
Welche Rolle spielt die Schutzpflicht des Arbeitgebers?
Das Bundesarbeitsgericht verlangt als obersten Grundsatz, dass der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen muss. Er darf dem Druck nicht einfach nachgeben, sondern ist aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht gehalten, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um die Drohung abzuwenden und die Belegschaft, den Betriebsrat oder den Kunden von der Unangemessenheit der Forderung zu überzeugen.
Dieses „sich schützend davor stellen“ erfordert ein aktives Handeln des Arbeitgebers. Es genügt nicht, lediglich allgemeine Gespräche zu führen. Der Arbeitgeber muss vielmehr argumentativ und unmissverständlich klarmachen, dass aus seiner Sicht kein objektiver Anlass für eine Kündigung besteht. Er muss versuchen, auf die druckausübenden Personen einzuwirken und den Konflikt zu lösen. So muss er beispielsweise Arbeitnehmer, die unrechtmäßig mit Arbeitsniederlegung drohen, auf die Rechtswidrigkeit ihres Tuns hinweisen und arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen (vgl. BAG, 15.12.2016 - Az:
2 AZR 431/15).
Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Nürnberg (12.12.2023 - Az:
7 Sa 61/23) illustriert das Scheitern an dieser Hürde eindrücklich. Dort hatte ein Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Rückkehr einer lange erkrankten Mitarbeiterin eine Umfrage in der Belegschaft durchgeführt. Eine Mehrheit der Kollegen gab an, nicht mehr mit der Mitarbeiterin zusammenarbeiten zu wollen, und einige stellten sogar einen Arbeitsplatzwechsel in Aussicht. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, weil der Arbeitgeber seiner Schutzpflicht nicht nachgekommen war. Anstatt aktiv zu vermitteln und sich schützend vor die Mitarbeiterin zu stellen, habe er die Befragung vielmehr dazu genutzt, einen Kündigungsgrund zu konstruieren, der zuvor nicht bestand. Er hatte es versäumt, gegenüber den Mitarbeitern klarzustellen, dass aus seiner Sicht kein Kündigungsgrund vorliegt und er eine Lösung der Probleme nicht auf diesem Wege anstrebt.
Kündigung als letztes Mittel (Ultima Ratio)
Erst wenn alle zumutbaren Versuche des Arbeitgebers, den Druck abzuwehren, nachweislich fehlgeschlagen sind, kann eine Kündigung als letztes Mittel in Betracht kommen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn bei Verwirklichung der Drohung – also zum Beispiel bei einer Massenkündigung von Leistungsträgern oder dem Abbruch wichtiger Geschäftsbeziehungen – dem Arbeitgeber schwere, unzumutbare wirtschaftliche Schäden drohen. Die Kündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um diese Schäden abzuwenden.
Auch hier muss der Arbeitgeber zunächst mildere Mittel prüfen. Dazu gehört insbesondere die Prüfung, ob der betroffene Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann, wo er dem Einfluss der druckausübenden Dritten entzogen ist. Eine solche Versetzung muss vorrangig geprüft werden. Dabei ist auch den anderen Beschäftigten zuzumuten, gewisse Nachteile in Kauf zu nehmen.
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