Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Ein
Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte
Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Auf Verlangen des
Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung (Verhalten) und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 I 3 GewO. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 II GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen.
Die Frage, ob ein Ermittlungsverfahren in ein Arbeitszeugnis aufgenommen werden darf oder nicht, ist in der Rechtsprechung und Literatur stark umstritten.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer bereits älteren Entscheidung im Leitsatz insoweit ausgeführt:
„Läuft gegen einen als Heimerzieher beschäftigten Angestellten ein Strafverfahren wegen sittlicher Verfehlungen des Heimerziehers an seinen Pfleglingen, so kann der Heimerzieher nach seiner Entlassung von seinem bisherigen Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser in einem Zeugnis über Führung und Leistung des Heimerziehers das Strafverfahren unerwähnt lässt. Das gleiche gilt für Auskünfte, die der bisherige Arbeitgeber solchen Stellen erteilt, die eine Anstellung des Heimerziehers in seinem bisherigen Beruf in Betracht ziehen.“ (vgl. BAG, 05.08.1976 - Az: 3 AZR 491/75).
Das OLG Oldenburg führt in seinem Beschluss vom 23. Juli 2021 - Az: 1 Ws 190/21 - zur Frage der Verantwortlichkeit einer Klinikleitung für spätere Tötungsdelikte ihres vormaligen Krankenpflegers in einem anderen Klinikum bei Nichterwähnung von Verdachtsmomenten im Arbeitszeugnis aus:
„Gemessen an diesen Maßstäben erscheint es zweifelhaft, ob das Arbeitszeugnis für II dem Gebot der Zeugniswahrheit und -klarheit entspricht. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen haben insbesondere die das Zeugnis ausstellenden Angeschuldigten DD und AA spätestens Ende Oktober 2001 erkannt, dass II Patienten in reanimationspflichtige Zustände gebracht und somit deren Leben gefährdet hat. Durch das Verschweigen eben dieses, einen Krankenpfleger völlig disqualifizierenden Umstands unter zeitgleicher Erwähnung nur der günstigen, auf ein – so wörtlich – „umsichtiges“, „gewissenhaftes“, „überlegt und sachlich richtiges“ Arbeitsverhalten hinweisenden Tatsachen ist die Annahme durchaus berechtigt, dass diese Angeschuldigten beim Ausstellen des Zeugnisses pflichtwidrig gehandelt haben. Denn eine durch das Verschweigen etwaiger strafbarer Handlungen zum Ausdruck kommende wohlwollende Gesinnung zugunsten des Arbeitnehmers auf Kosten anderer, zukünftiger Arbeitgeber begründet einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB. Beiden Angeschuldigten DD und AA muss bei Zeugnisausstellung klar gewesen sein, dass es für einen zukünftigen Arbeitgeber ersichtlich von Bedeutung ist, nur eine solche Pflegekraft einzustellen, deren einwandfreie Führung und Leistung es erlaubt, diesem das Wohl von hilfebedürftigen Patienten anzuvertrauen; ein Zeugnis in dieser Form hätten sie daher ohne Erwähnung ihres Kenntnisstandes von den bisherigen internen Ermittlungen zu den reanimierungspflichtigen Vorgänge um II (etwa „CC-Liste“; „Kaliumkonferenz“) wohl kaum ausstellen dürfen.
Dementsprechend dürfte auch eine Pflicht zur Aufnahme eines dahingehenden Tatverdachts in das Arbeitszeugnis bestanden haben – und zwar gerade auch vor dem Hintergrund des vorstehend zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 5. August 1976: Jene Entscheidung hatte den Schadensersatzanspruch eines pädagogischen Mitarbeiters wegen der Erstellung eines aus seiner Sicht unrichtigen Zeugnisses zum Gegenstand. Gegen den Kläger hatte der (bisherige) Arbeitgeber zuvor eine Strafanzeige wegen sexueller Übergriffe auf von ihm betreute Jugendliche erstattet. Obwohl das daraufhin eingeleitete Strafverfahren mangels Tatverdachts mit einem rechtskräftigen Freispruch geendet hatte, hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber nicht habe verlangen können, dass dieser das Strafverfahren in seinem Zeugnis über Führung und Leistung hätte unerwähnt lassen dürfen.
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