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Rechtsfahrgebot im Straßenverkehr: Mehr als nur rechts fahren

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

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Das Rechtsfahrgebot gehört zu den elementaren Grundregeln im Straßenverkehr. Es ist in § 2 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verankert und bezweckt, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, indem es für eine klare und vorhersehbare Ordnung auf den Fahrbahnen sorgt. Verstöße gegen dieses Gebot führen tagtäglich zu gefährlichen Situationen und schweren Verkehrsunfällen. Die Rechtsprechung muss sich daher immer wieder mit den vielfältigen Konstellationen und den haftungsrechtlichen Folgen von Verstößen auseinandersetzen.

Welche gesetzliche Grundlage gilt für das Rechtsfahrgebot?

Nach der grundlegenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 StVO ist „möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit“. Diese Formulierung stellt klar, dass es sich nicht um eine nur in besonderen Gefahrenlagen geltende Regel handelt, sondern um eine fortdauernde Pflicht für jeden Fahrzeugführer. Der Begriff „möglichst weit rechts“ bedeutet, dass ein Fahrer unter Berücksichtigung der jeweiligen Verkehrssituation, der Fahrbahnbeschaffenheit, der Fahrzeugbreite und der Geschwindigkeit einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum rechten Fahrbahnrand einhält und gleichzeitig so weit rechts fährt, dass der Gegenverkehr nicht behindert oder gefährdet wird und Überholvorgänge sicher durchgeführt werden können. Das ständige Fahren in der Mitte der eigenen Fahrspur, insbesondere auf Landstraßen, stellt bereits einen Verstoß dar.

Die besondere Bedeutung dieser Vorschrift wird in der Rechtsprechung immer wieder betont. So stellte das Landgericht Itzehoe klar, dass die Einhaltung des Rechtsfahrgebots eine grundlegende und besonders wichtige Sorgfaltsanforderung im Straßenverkehr darstellt. Ein Verstoß wiege schwer und führe, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, regelmäßig dazu, dass die Betriebsgefahr eines anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs vollständig zurücktritt (LG Itzehoe, 29.03.2019 - Az: 3 O 41/18).

Rechtsfahrgebot auf mehrspurigen Straßen

Besondere Regelungen und Ausnahmen vom Rechtsfahrgebot gelten auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung. Hierbei ist zwischen dem Fahren innerorts und außerorts zu unterscheiden.

Innerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Kraftfahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t auf Straßen mit mehreren markierten Fahrstreifen für eine Richtung den Fahrstreifen frei wählen (§ 7 Abs. 3 StVO). Das strikte Rechtsfahrgebot ist hier also gelockert. Dies dient der besseren Ausnutzung des städtischen Verkehrsraums. Dennoch entbindet dies die Fahrer nicht von der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht. Ein ständiges, grundloses Wechseln der Fahrstreifen („Slalomfahren“) ist ebenso unzulässig wie das rechtswidrige Rechtsüberholen.

Außerhalb geschlossener Ortschaften und insbesondere auf Autobahnen gilt das Rechtsfahrgebot hingegen in seiner strengen Form. Der linke und auf dreispurigen Autobahnen auch der mittlere Fahrstreifen dienen grundsätzlich nur dem Überholvorgang. Nach Abschluss des Überholens ist unverzüglich wieder auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Das dauerhafte Blockieren des linken oder mittleren Fahrstreifens, obwohl die rechte Spur frei ist, stellt einen bußgeldbewährten Verstoß dar und führt immer wieder zu gefährlichen Situationen durch drängelnde oder gar rechts überholende Verkehrsteilnehmer.

Sonderfälle rund um das Rechtsfahrgebot

Die alltägliche Verkehrspraxis hält zahlreiche Situationen bereit, in denen die Anwendung des Rechtsfahrgebots zu Rechtsstreitigkeiten führt.

Engstellen auf der Fahrbahn

Auf schmalen Straßen ist das Rechtsfahrgebot von besonderer Bedeutung. Kommt es zu einer Kollision im Begegnungsverkehr, spricht der Beweis des ersten Anscheins oft gegen denjenigen, der auf die Gegenfahrbahn geraten ist. In einem vom Amtsgericht Singen entschiedenen Fall kam es zu einem Unfall, obwohl ein Passieren mit 30 cm Abstand möglich gewesen wäre. Da ein Fahrzeugführer bereits auf die angrenzende Grünfläche ausgewichen war, stand fest, dass der andere Fahrer seinen Fahrbahnteil verlassen und somit gegen § 2 Abs. 2 StVO verstoßen hatte. Ein weiteres Ausweichen war dem korrekt fahrenden Fahrer nicht mehr möglich, weshalb die alleinige Haftung den Verursacher traf (AG Singen, 26.07.2017 - Az: 8 C 84/17).

Kreisverkehr

Auch im Kreisverkehr ist das Rechtsfahrgebot strikt zu beachten. Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein Verkehrsteilnehmer, der die Kreisbahn schneidet, indem er die Fahrbahn bis zum äußersten linken Rand ausnutzt, unzulässig handelt. Dies schütze insbesondere den von rechts in den Kreisverkehr einfahrenden Verkehr (OLG Hamm, 18.11.2003 - Az: 27 U 87/03). Das Amtsgericht Krefeld ging sogar so weit, einem Fahrer, der sich im Kreisverkehr nicht an das Rechtsfahrgebot hielt und mit einem anderen Fahrzeug kollidierte, die alleinige Haftung für den entstandenen Schaden zuzuweisen (AG Krefeld, 01.07.2011 - Az: 3 C 457/09).

Einfahren aus einem Grundstück

Von praktischer Relevanz ist die Frage, wie ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot im Verhältnis zu den Sorgfaltspflichten anderer Verkehrsteilnehmer zu werten ist. Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Fahrer aus einem Grundstück auf die Straße einfuhr und mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs kollidierte, das die linke Fahrbahnseite benutzte. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass der aus einem Grundstück Einfahrende dem fließenden Verkehr den absoluten Vorrang einräumen muss. Das Befahren der linken Fahrbahn durch den fließenden Verkehr beseitigt diese Verpflichtung nicht. Der Vorrang des fließenden Verkehrs gilt auch gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der seinerseits gegen das Rechtsfahrgebot verstößt (BGH, 20.09.2011 - Az: VI ZR 282/10).

Paralleles Abbiegen

Eine Ausnahme vom Rechtsfahrgebot ergibt sich in der Sondersituation des mehrspurigen parallelen Abbiegens. Hier wird das Recht der freien Fahrstreifenwahl und das Rechtsfahrgebot durch das Gebot, die Spur zu halten, überlagert. Das Oberlandesgericht München urteilte, dass in solchen Fällen in mehreren Reihen nebeneinander gefahren werden darf, ohne stets vor dem weiter rechts Fahrenden einscheren zu müssen. Dies gilt selbst dann, wenn der in der zweiten Reihe Abbiegende auch geradeaus weiterfahren dürfte, solange er einem entsprechenden Richtungspfeil folgt (OLG München, 01.12.2017 - Az: 10 U 3025/17).

Kollisionen im Begegnungsverkehr bei Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot

Kommt es zu einer Kollision zweier entgegenkommender Fahrzeuge, ist die Frage der Haftungsverteilung zentral. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot ist hierbei meist der entscheidende Faktor.

Gerät ein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und verursacht eine Streifkollision, so haftet der die Fahrbahnmitte überschreitende Fahrer in der Regel überwiegend. Das Landgericht Ravensburg sprach dem Geschädigten in einem solchen Fall eine Haftungsquote von 75 % zu, wobei die verbleibenden 25 % auf die Betriebsgefahr des korrekt fahrenden Fahrzeugs entfielen (LG Ravensburg, 14.11.2017 - Az: 2 O 166/17).

Unfall mit Fehlverhalten des Unfallgegners

Das Rechtsfahrgebot wirkt sich auch in Konstellationen mit grobem Fehlverhalten des Unfallgegners aus. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte einen Fall zu bewerten, bei dem ein absolut fahruntüchtiger, alkoholisierter Fahrer die Mittellinie wesentlich überschritt. Der entgegenkommende Fahrer wich zwar aus, missachtete dabei aber selbst geringfügig das Rechtsfahrgebot. Trotz des massiven Verschuldens des alkoholisierten Fahrers musste sich der andere Fahrer aufgrund seines eigenen Verstoßes ein Mitverschulden von 20 % anrechnen lassen (OLG Stuttgart, 26.10.2006 - Az: 13 U 74/06).

Eine differenzierte Abwägung nahm das Amtsgericht Ansbach vor. Hier kollidierte ein überholendes Fahrzeug mit einem entgegenkommenden Lkw, der in einer Fahrbahnverengung gegen das Rechtsfahrgebot verstieß. Das Gericht lastete dem Lkw-Fahrer zwar den Verstoß an, bewertete den Verursachungsbeitrag des ortskundigen Überholenden aber als höher. Dieser hatte den erforderlichen Seitenabstand nicht eingehalten und hätte auf den Überholvorgang auf der schmalen Straße verzichten müssen. Die Haftung wurde mit 60 % zu Lasten des Überholenden und 40 % zu Lasten des Lkw-Fahrers verteilt (AG Ansbach, 09.03.2017 - Az: 3 C 775/16).

Kann ein Verstoß strafrechtliche Folgen haben?

Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot kann nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere im Rahmen der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB.

Interessant ist hierbei die Abgrenzung zum Fahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass ein „Geisterfahrer“ auf einer normalen Einbahnstraße nicht im Sinne des § 315c Abs. 1 Ziff. 2 lit. e) StGB gegen das Rechtsfahrgebot verstößt. Sein Fehlverhalten falle unter einen anderen Tatbestand, der sich jedoch auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen beschränkt. Eine Subsumtion unter das Rechtsfahrgebot würde diese gesetzliche Beschränkung umgehen (OLG Köln, 10.12.2015 - Az: III-1 RVs 225/15).

Eine Sondersituation betrifft Fahrer, die nach längerer Zeit aus einem Land mit Linksverkehr wie zum Beispiel Großbritannien zurückkehren. Das Oberlandesgericht Zweibrücken urteilte, dass ein Fahrer, der sich sieben Wochen in einem solchen Land aufhielt und bei seiner ersten Fahrt in Deutschland versehentlich links fährt, in der Regel lediglich unachtsam und nicht grob verkehrswidrig und rücksichtslos handelt. Diese Unterscheidung ist für die Strafbarkeit nach § 315c StGB von entscheidender Bedeutung (OLG Zweibrücken, 28.11.2022 - Az: 1 OLG 2 Ss 34/22).

Rechtsfahrgebot für Radfahrer und Fußgänger

Auch außerhalb des motorisierten Verkehrs spielt das Rechtsfahrgebot eine Rolle, wenngleich die Rechtsprechung hier nicht gänzlich einheitlich ist. Auf gemeinsamen Geh- und Radwegen kommt es häufig zu Konflikten. Das Oberlandesgericht Hamm vertritt die Auffassung, dass auch für einen Radfahrer auf einem solchen Weg das Rechtsfahrgebot gilt. Fußgänger hingegen dürfen den Weg auf der gesamten Breite nutzen. Beide Gruppen müssen gegenseitig aufeinander Rücksicht nehmen. Ein Pedelecfahrer darf sich einem Fußgänger nicht einfach sorglos nähern, wenn er nicht sicher sein kann, dass der Fußgänger ihn wahrgenommen hat (OLG Hamm, 13.08.2019 - Az: 7 U 92/18). Etwas anders entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, wonach auf einem gemeinsam zu nutzenden Weg weder für Radfahrer noch für Fußgänger (einschließlich Inline-Skater) eine Verpflichtung bestehe, sich strikt rechts zu halten. Maßgeblich sei hier vor allem das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme, wobei der Radfahrer keinen generellen Vorrang habe (OLG Düsseldorf, 12.07.2011 - Az: I-1 U 242/10). Im Kern beider Entscheidungen steht jedoch die hohe Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht des schnelleren Verkehrsteilnehmers gegenüber dem schwächeren.
Stand: 09.09.2025
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