Der Verkäufer eines Pferdes ist verpflichtet, dem Käufer das Tier frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben. Die zentrale und in der Praxis häufig streitige Frage ist jedoch, wann ein Pferd rechtlich als mangelhaft gilt. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Ein Pferd ist demnach frei von Sachmängeln, wenn es bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und etwaigen Montageanforderungen entspricht. Für den Pferdekauf sind vor allem die subjektiven und objektiven Anforderungen des
§ 434 BGB relevant.
Beim Pferdekauf handelt es sich rechtlich um einen normalen
Kaufvertrag über eine bewegliche Sache i.S.d. §§
433 ff. BGB. Besonderheiten ergeben sich daraus, dass es sich bei Pferden um Lebewesen handelt, sodass biologische Unwägbarkeiten und tierartspezifische Eigenheiten zu berücksichtigen sind (vgl. § 90a BGB).
Die subjektiven Anforderungen: Die Beschaffenheitsvereinbarung
Ein Sachmangel liegt nach § 434 Abs. 1 BGB vorrangig dann vor, wenn das Pferd nicht die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Weicht der tatsächliche Zustand (Ist-Beschaffenheit) des Pferdes von dieser vertraglichen Vereinbarung (Soll-Beschaffenheit) ab, ist es mangelhaft. Diese Beschaffenheitsvereinbarung ist der wichtigste Maßstab.
Eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent geschlossen werden. Bei der Auslegung, was Vertragsinhalt geworden ist, sind auch im Vorfeld geführte Kommunikation, Angaben in Verkaufsinseraten oder tierärztliche Vorberichte miteinzubeziehen, sofern diese erkennbar Grundlage des Vertrags geworden sind (§§ 133, 157 BGB).
Eine solche Vereinbarung kann sich auf vielfältige Aspekte beziehen. Wird beispielsweise ein Pferd im Kaufvertrag ausdrücklich mit der Farbbezeichnung „braunfalbe“ verkauft, stellt dies eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung dar. Ändert das Pferd später aufgrund seiner genetischen Veranlagung die Farbe zu „schimmel“, liegt ein Sachmangel vor, der zum Rücktritt berechtigen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Identität des Pferdes, etwa durch eine Lebensnummer, anderweitig gesichert ist und die Farbangabe somit nicht reindeskriptiven Charakter hat. Ein im Vertrag enthaltener allgemeiner Gewährleistungsausschluss erfasst eine solch konkrete, gleichrangig danebenstehende Beschaffenheitsvereinbarung nicht (LG Saarbrücken, 10.03.2023 - Az:
1 O 249/21).
Ebenso können Angaben wie Geburtsjahr, Rasse, Abstammung oder eine bestimmte züchterische Verwendung als vertraglich vereinbarte Beschaffenheit einzustufen sein.
Besonders praxisrelevant sind Vereinbarungen über den Gesundheitszustand oder den Ausbildungsstand. Wird ein Pferd beispielsweise als „Lehrpferd“ für einen Anfänger oder ängstlichen Reiter gesucht und verkauft, stellt die Eignung hierfür eine vereinbarte Beschaffenheit dar. Stellt sich das Tier nach dem Kauf als nervös, unberechenbar und für einen Anfänger ungeeignet heraus, weicht es von der vereinbarten Beschaffenheit ab (OLG Oldenburg, 01.02.2018 - Az:
1 U 51/16).
Häufig wird auch der Inhalt einer
tierärztlichen Ankaufsuntersuchung zur vertraglichen Grundlage gemacht. Vereinbaren die Parteien beispielsweise, dass der Gesundheitszustand dem Untersuchungsprotokoll entspricht, definiert dieses Protokoll die Soll-Beschaffenheit. Wird im Protokoll ein Befund als „geringgradige Existosen“ beschrieben, das Pferd weist aber tatsächlich bereits knöcherne Veränderungen auf, die einer höheren Röntgenklasse (z.B. Klasse III) zuzuordnen sind, liegt ein Mangel vor. Der Mangel ist in diesem Fall die Abweichung vom vereinbarten Protokoll und das damit verbundene, höhere Risiko einer zukünftigen Lahmheit (LG Essen, 26.07.2016 - Az:
19 O 90/15).
Wertminderungen aufgrund üblicher, nicht krankheitswertiger Befunde oder markttypisch akzeptierter Erscheinungen begründen nach der Rechtsprechung keinen Sachmangel, sofern keine Erkrankung vorliegt.
Weiterhin ist zu beachten, dass nicht jede Äußerung des Verkäufers sofort zu einer bindenden Beschaffenheitsvereinbarung wird. Mündliche Erklärungen aus vorangegangenen Vertragsverhandlungen, die keinen Eingang in den abschließenden schriftlichen Kaufvertrag finden, werden oft nicht als vertraglich bindend angesehen (OLG Koblenz, 14.04.2016 - Az:
1 U 254/15). Insbesondere bei Privatverkäufen werden allgemeine Anpreisungen wie, mit dem Pferd sei „alles in Ordnung“, von den Gerichten oft nur als reine Wissenserklärung und nicht als verbindliche Zusage gewertet (LG Marburg, 13.12.2011 - Az:
2 O 52/11).
Die objektiven Anforderungen: Die gewöhnliche Verwendung und übliche Beschaffenheit
Fehlt eine spezielle Vereinbarung (subjektive Anforderung), muss das Pferd den objektiven Anforderungen des § 434 Abs. 3 BGB genügen. Es muss sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Pferden der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann.
Öffentlich gemachte Angaben des Verkäufers oder Dritter (beispielsweise in Verkaufsinseraten) können Erwartungen und damit die Soll-Beschaffenheit ebenfalls prägen, wenn sie für die Kaufentscheidung relevant waren (§ 434 Abs. 3 S. 2 BGB).
Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, dass es sich bei Pferden um Lebewesen handelt, die ständigen Entwicklungen unterliegen. Die Rechtsprechung, insbesondere der Bundesgerichtshof, hat klargestellt, dass der Käufer redlicherweise nicht erwarten kann, ein Tier mit „idealen“ Anlagen oder einer biologisch-physiologischen „Idealnorm“ zu erhalten.
Ein bloßes Risiko, dass zukünftig klinische Symptome auftreten könnten, stellt für sich genommen noch keinen Mangel dar, solange das Pferd bei Gefahrübergang klinisch unauffällig ist. Weist ein Pferd beispielsweise röntgenologische Veränderungen auf, etwa im Bereich der Dornfortsätze (sogenannte „Kissing Spines“), gilt dies ohne klinische Symptome wie Lahmheit oder Schmerzhaftigkeit nicht als Mangel. Selbst wenn der Markt auf solche Röntgenbefunde mit Preisabschlägen reagiert, begründet dies rechtlich keinen Sachmangel (BGH, 07.02.2007 - Az:
VIII ZR 266/06).
Auch sogenannte „Rittigkeitsprobleme“ wie Buckeln oder gelegentliches Durchgehen („Durchgehen“) werden von der Rechtsprechung nicht per se als Mangel eingestuft. Der Bundesgerichtshof sieht darin kein klinisches Symptom für eine Erkrankung (wie Kissing Spines), sondern ein Verhalten, das zum natürlichen Verhaltensmuster eines Pferdes als Fluchttier gehört. Ohne eine anderslautende Vereinbarung (z.B. „Anfängerpferd“) stellen solche Verhaltensweisen daher keinen Sachmangel dar (BGH, 27.05.2020 - Az:
VIII ZR 2/19). Gleiches gilt für einen behaupteten „Charaktermangel“, wenn ein Pferd Schreckhaftigkeit zeigt, die von einem Sachverständigen noch als „Normalverhalten“ eingestuft wird (LG Coburg, 26.01.2016 - Az:
23 O 500/14).
Ein objektiver Mangel liegt hingegen vor, wenn das Pferd für die gewöhnliche Verwendung ungeeignet ist. Dies bejahte das OLG Köln beispielsweise im Fall einer verschwiegenen Vor-Operation an einer Beugesehne, welche die Tauglichkeit als Freizeitpferd reduzierte (OLG Köln, 23.08.2017 - Az:
16 U 68/17).
Der maßgebliche Zeitpunkt: Gefahrübergang
Entscheidend für das Vorliegen eines Mangels ist immer der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, was beim Pferdekauf in der Regel die Übergabe des Tieres an den Käufer ist. Der Käufer trägt grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Mangel bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag.
Dies erweist sich oft als schwierig, insbesondere bei gesundheitlichen Problemen. Eine Lahmheit, die erst Wochen oder Monate nach dem Kauf auftritt, ist ein häufiger Streitpunkt. Die Lahmheit selbst ist jedoch nur ein Symptom; es kommt auf die Ursache an. Kann ein Sachverständiger nicht ausschließen, dass die Lahmheit oder deren Ursache (z.B. eine Weichteilverletzung oder Entzündung) erst nach der Übergabe durch ein Trauma, Überlastung oder beim Transport entstanden ist, geht dies zulasten des Käufers (OLG Köln, 26.11.2014 - Az:
11 U 46/14; LG Marburg, 13.12.2011 - Az:
2 O 52/11).
Zu beachten ist, dass beim Versand oder Transport des Pferdes an den Käufer – sofern kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt – der Gefahrübergang auch schon mit Übergabe an eine vom Käufer zur Abholung bestimmte Transportperson eintreten kann (§ 447 BGB).
Die Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Eine entscheidende Ausnahme von dieser Beweislastverteilung gilt beim Verbrauchsgüterkauf. Kauft eine Privatperson (Verbraucher, § 13 BGB) ein Pferd von jemandem, der gewerbsmäßig handelt (Unternehmer, § 14 BGB), greift die Vermutungsregelung des § 477 BGB (ehemals § 476 BGB).
Als Unternehmer gilt bereits, wer planmäßig und auf Dauer Pferde verkauft, selbst wenn dies nur zur Reduzierung von Hobbykosten dient (OLG Köln, 26.11.2014 - Az:
11 U 46/14). Als Verbraucher handelt hingegen, wer das Pferd überwiegend für private Zwecke (z.B. Hobby) erwirbt, selbst wenn eine untergeordnete gewerbliche Nebentätigkeit (z.B. gelegentlicher Reitunterricht) vorliegt (LG Frankenthal, 31.08.2011 - Az:
6 O 310/07).
Beim Verbrauchsgüterkauf wird vermutet, dass ein Mangel, der sich innerhalb eines Jahres (bei Verträgen vor 2022: sechs Monate) seit Gefahrübergang zeigt, bereits bei der Übergabe vorlag. Der Käufer muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs nur beweisen, dass sich ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) innerhalb dieser Frist gezeigt hat. Der Verkäufer muss dann den vollen Beweis (§ 286 ZPO) antreten, dass der Mangel bei Übergabe noch nicht vorlag oder die Ursache erst nach Übergabe entstanden ist (LG Frankfurt/Main, 05.04.2018 - Az:
2-32 O 95/17). Bloße Vermutungen des Verkäufers, der Mangel könne auch später entstanden sein (z.B. durch Transportstress), genügen zur Widerlegung der Vermutung nicht.
Die Vermutung kann jedoch mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar sein. Der BGH entschied, dass „Rittigkeitsprobleme“ keine „Mangelerscheinung“ in diesem Sinne sind, die geeignet wäre, die Vermutung überhaupt auszulösen (BGH, 27.05.2020 - Az:
VIII ZR 2/19).
Die Beweislastumkehr nach § 477 BGB gilt für alle ab dem 1. Januar 2022 geschlossenen Kaufverträge für zwölf Monate ab Übergabe. Bei älteren Verträgen galt eine Sechsmonatsfrist. Der Unternehmer kann die gesetzliche Vermutung nur widerlegen, indem er nachweist, dass die Ursache des Mangels nach Übergabe entstanden ist.
Der Gewährleistungsausschluss und seine Grenzen
Oft versuchen Verkäufer, die Haftung vertraglich auszuschließen, etwa durch Klauseln wie „gekauft wie gesehen“ oder „unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“.
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