Der Erwerb eines eigenen Pferdes stellt für viele Menschen die Erfüllung eines lang gehegten Traums dar. Bei aller Emotionalität darf jedoch die rechtliche Tragweite dieses Schrittes nicht unterschätzt werden. Um den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren, ist es unerlässlich, beim Kauf eines Pferdes einen detaillierten Vertrag schriftlich abzufassen. Ein in der Branche oft noch üblicher Handschlag, der den einstigen Gepflogenheiten des Handels entspricht, ist im Ernstfall juristisch kaum belastbar. Nur durch einen schriftlichen Vertrag besteht die Möglichkeit, die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen im Streitfall beweisbar festzuhalten.
Ein schriftlicher Kaufvertrag eröffnet den Vertragspartnern zudem die Möglichkeit, auch zusätzliche Vereinbarungen oder Bedingungen zu fixieren. Da es sich bei einem Pferd oft nicht nur um eine Sache handelt, sondern auch eine starke emotionale Bindung zum Tier besteht, kommt es immer wieder vor, dass besondere Wünsche zu berücksichtigen sind. Dies können beispielsweise ein Ausschluss des Wiederverkaufs für eine bestimmte Zeit oder ein Vorkaufsrecht für den Fall des Weiterverkaufs sein.
Soll-Beschaffenheit definieren!
Ein Vertrag ist nicht nur für solche Sonderwünsche sinnvoll – es sollten explizit alle erforderlichen Eigenschaften des Pferdes aufgezählt werden. So ist beispielsweise die Reitbarkeit eines Pferdes keine selbstverständliche Eigenschaft; sie muss explizit im Vertrag aufgenommen werden. Ebenso kann ein Vorbehalt, etwa vorbehaltlich einer
Ankaufsuntersuchung (AKU) oder eines erneuten Probereitens, vereinbart werden, um den Käufer abzusichern.
Dies ist wichtig, wenn es im späteren Verlauf um die Klärung eines
Sachmangels gemäß § 434 BGB, der nach
§ 90a BGB auf Tiere entsprechend anzuwenden ist, gehen sollte. Eine Sache – und damit auch ein Pferd – ist mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Diese „Beschaffenheitsvereinbarung“ ist somit der wichtigste Teil des Vertrages. Fehlt eine solche explizite Vereinbarung, ist das Pferd mangelfrei, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Wurde beispielsweise ein Pferd explizit als „Lehrpferd“ für einen Reitanfänger gesucht, muss es dieser Anforderung auch genügen. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg, 01.02.2018 - Az:
1 U 51/16) sah eine Beschaffenheitsvereinbarung als getroffen an, als ein Pferd als „leicht zu handhaben“ verkauft wurde, sich aber später als nervös, unberechenbar und für einen Anfänger ungeeignet herausstellte.
Grenzen der Haftung beim Pferdekauf
Existiert weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung, muss sich das Pferd für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Tieren der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Hier beginnen die Schwierigkeiten, denn Tiere sind Lebewesen, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und mit individuellen, oft verborgenen Anlagen ausgestattet sind.
Die Rechtsprechung stellt daher klar, dass zur „üblichen“ Beschaffenheit eines Tieres nicht gehört, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht. Gewisse Abweichungen vom Idealzustand sind bei Lebewesen normal. Ein Käufer kann redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern muss mit physiologischen Abweichungen rechnen. Entscheidend ist: Der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (OLG Frankfurt, 27.08.2013 - Az:
15 U 7/12; OLG Zweibrücken, 13.01.2011 - Az:
4 U 34/10).
Besonders deutlich wird dies bei den Themen „Rittigkeit“ und Röntgenbefunden. Sogenannte „Rittigkeitsprobleme“, etwa Widersetzlichkeiten wie Buckeln oder Durchgehen, können natürliche Ursachen haben oder auf dem Fluchtverhalten des Tieres beruhen. Sie stellen daher für sich gesehen regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar, sofern keine klinischen Symptome wie Schmerzen oder Lahmheit vorliegen (BGH, 27.05.2020 - Az:
VIII ZR 2/19).
Ein weiterer häufiger Streitpunkt sind Röntgenbefunde, wie beispielsweise „Kissing Spines“ (Engstand der Dornfortsätze). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass ein reiner Röntgenbefund, der (noch) nicht mit Krankheitserscheinungen verbunden ist, grundsätzlich nicht vertragswidrig ist. Ein Mangel liegt nur vor, wenn bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Pferd alsbald erkranken und für die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar sein wird.
Ankaufsuntersuchung (AKU) als Vertragsbestandteil
Um genau diese Risiken zu minimieren, ist die Ankaufsuntersuchung (AKU) von großer Bedeutung. Deren Ergebnisse müssen jedoch präzise in den Vertrag einfließen. Das OLG Düsseldorf (25.09.2008 - Az:
I-12 U 168/07) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem im Vertrag handschriftlich vermerkt war: „Röntgenbilder vom 03.02.04 wurden dem oben genannten Tierarzt per E-Mail zur Besichtigung übermittelt.“. Dies wertete das Gericht diesen Vermerk als Teil der Beschaffenheitsvereinbarung. Indem der Käufer auf eine erneute röntgenologische Untersuchung verzichtete, akzeptierte er den Zustand des Pferdes, wie er sich bei einer solchen Untersuchung gezeigt hätte, als vertragsgemäß.
Umgekehrt kann das AKU-Protokoll auch den Mangel begründen. Weicht der tatsächliche Zustand des Pferdes von einem im Protokoll attestierten Zustand „ohne besonderen Befund“ (o.b.B.) ab, liegt ein Sachmangel vor (LG Frankfurt/Main, 05.04.2018 - Az:
2-32 O 95/17).
Mündliche Zusagen und Gewährleistungsausschluss
Oft verlassen sich Käufer auf mündliche Aussagen des Verkäufers. Erklärungen wie, mit dem Pferd sei „alles in Ordnung“ oder es leide „an keiner Krankheit“, werden von Gerichten jedoch oft zurückhaltend bewertet. Handelt es sich um einen Privatverkauf mit gleichzeitigem schriftlichem Gewährleistungsausschluss, werden solche Äußerungen häufig nur als reine „Wisserklärungen“ (Aussage über den Kenntnisstand) und nicht als verbindliche „Beschaffenheitsvereinbarung“ oder gar als „Garantie“ gewertet (LG Marburg, 13.12.2011 - Az:
2 O 52/11; OLG Zweibrücken, 13.01.2011 - Az:
4 U 34/10).
Unterschied zwischen Privatverkauf und Verbrauchsgüterkauf
Beim Verkauf von Privat an Privat kann die Gewährleistung für Mängel weitgehend wirksam ausgeschlossen werden. Klauseln wie „gekauft wie gesehen unter Ausschluss jeglicher Garantie oder Gewährleistung“ sind hier oft wirksam, sofern sie als Individualabrede und nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einzustufen sind (LG Marburg, 13.12.2011 - Az:
2 O 52/11). Die Folge ist gravierend: Der Käufer muss voll beweisen, dass ein (oft verdeckter) Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, was in der Praxis häufig scheitert.
Anders beim Verbrauchsgüterkauf (Verkäufer ist Unternehmer, Käufer ist Verbraucher). Hier gelten strengere Anforderungen. Ein Unternehmer kann die Gewährleistung nicht wirksam ausschließen. Selbst bei „gebrauchten“ Sachen – wozu nach der Rechtsprechung des BGH (09.10.2019 - Az:
VIII ZR 240/18) auch ein junger, noch nicht gerittener Hengst zählt – kann die Verjährungsfrist lediglich verkürzt, aber die Haftung nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Entscheidend ist hier die Beweislastumkehr: Zeigt sich innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang ein Sachmangel, wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Der Verkäufer muss dann das Gegenteil beweisen. Im Fall des LG Frankfurt (05.04.2018 - Az:
2-32 O 95/17) zeigten sich Augenprobleme und Verhaltensauffälligkeiten kurz nach dem Kauf. Der Verkäufer (Unternehmer) konnte nicht beweisen, dass der Mangel erst nach Übergabe entstanden ist; der bloße Hinweis, das Pferd habe vorher keine Symptome gezeigt, reichte nicht aus, um die Vermutung zu widerlegen.
Kein Gewährleistungsausschluss bei Arglist!
Ein Gewährleistungsausschluss, selbst im Privatverkauf, ist jedoch immer unwirksam, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 444 BGB). Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) ist ebenfalls möglich. Die Hürden für den Nachweis der Arglist sind jedoch hoch.
Das LG Hildesheim (09.12.2016 - Az:
4 O 12/15) lehnte Arglist ab, obwohl ältere Untersuchungsbefunde vorlagen, die auf Probleme hindeuteten. Das Gericht entschied, der Verkäufer habe als Laie die Tragweite dieser Befunde nicht erkennen müssen.
Anders urteilte das OLG Braunschweig (30.01.2025 - Az:
8 U 215/22): Ein Verkäufer erwarb ein Pferd, das im Vorvertrag als „schwierig im Umgang“ bezeichnet wurde. Er verkaufte es nur einen Monat später mit der Beschreibung „etwas dominant“. Das Pferd zeigte sich beim Käufer jedoch aggressiv. Das Gericht sah hierin eine arglistige Täuschung. Die Beschreibung „etwas dominant“ war eine verniedlichende Formulierung, die über das bekannte aggressive Verhalten hinwegtäuschte und eine Aufklärungspflicht verletzte.
Sittenwidrigkeit bei extremen Kaufpreisen
Ein Vertrag kann auch dann nichtig sein, wenn er gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB). Ein solches wucherähnliches Geschäft wird angenommen, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung (Wert des Pferdes) und Gegenleistung (Kaufpreis) besteht und eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hinzukommt.
Ein besonders grobes Missverhältnis (wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung) begründet die tatsächliche Vermutung, dass der Verkäufer die Unerfahrenheit oder Schwäche des Käufers ausgenutzt hat. Das OLG Frankfurt (26.01.2018 - Az:
13 U 214/15) bejahte dies bei einem Kaufpreis von 60.000 € für ein Pferd mit einem Verkehrswert von nur 8.800 €.
Diese Vermutung kann jedoch erschüttert werden. Das OLG München (04.02.2020 - Az:
24 U 1680/19) hatte einen Fall, bei dem der Kaufpreis (45.000 €) den Wert (ca. 22.400 €) ebenfalls um mehr als das Doppelte überstieg. Die Vermutung wurde hier jedoch als widerlegt angesehen, da die Käuferin ein überaus starkes „Affektionsinteresse“ (emotionales Interesse) hatte. Zeugenaussagen bestätigten, die Käuferin habe sich „in das Pferd verliebt“ und wollte „unbedingt dieses Pferd haben“, obwohl ihr sogar davon abgeraten wurde.
Bindungswirkung des Vertragsinhalts
Diese Beispiele zeigen, wie detailliert Gerichte die Vertragsinhalte prüfen. Ist eine Vereinbarung einmal schriftlich fixiert, ist sie bindend. Das gilt auch für ungewöhnliche Klauseln. Das LG Osnabrück (17.09.2013 - Az:
2 S 257/13) hielt eine Klausel für wirksam, die vorsah, dass das Pferd bis zu seinem Lebensende an einem bestimmten Ort zu verbleiben hat.
Selbst die Farbbezeichnung kann eine bindende Beschaffenheitsvereinbarung darstellen. Das LG Saarbrücken (10.03.2023 - Az:
1 O 249/21) entschied, dass ein Mangel vorliegt, wenn ein Pferd als „braunfalbe“ verkauft wird , genetisch bedingt aber später zu einem „Schimmel“ wird. Die Angabe der Farbe im Vertrag sei mehr als eine bloße Identifizierung (diese erfolge über die Lebensnummer) und stelle eine Beschaffenheitsvereinbarung dar, die von einem allgemeinen Gewährleistungsausschluss nicht erfasst wird.
Der schriftliche Vertrag ist beim Pferdekauf daher kein Nebenaspekt, sondern das zentrale Instrument zur Risikosteuerung. Alle mündlich besprochenen Eigenschaften, zugesicherten Fähigkeiten und Ergebnisse der Ankaufsuntersuchung müssen präzise in das Vertragswerk überführt werden. Nur so lässt sich im Streitfall nachweisen, welche „Soll-Beschaffenheit“ des Tieres tatsächlich vereinbart wurde.