Die rechtliche Betreuung dient dem Schutz und der Unterstützung volljähriger Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen können. Das
Betreuungsgericht bestellt hierfür einen oder mehrere
Betreuer, deren Handeln sich am Wohl und den Wünschen der
betreuten Person auszurichten hat. Im Grundsatz ist die Bestellung eines einzelnen Betreuers vorgesehen. Doch was geschieht, wenn dieser Betreuer selbst ausfällt – sei es durch Krankheit, Urlaub oder einen rechtlichen Interessenkonflikt? Um die kontinuierliche Wahrnehmung der Interessen der betreuten Person sicherzustellen, gibt es den Verhinderungsbetreuer.
Grundlagen der Verhinderungsbetreuung
Das Gesetz geht in
§ 1816 Abs. 1 BGB vom Leitbild der Einzelbetreuung aus („Das Betreuungsgericht bestellt einen Betreuer ...“). Demnach wird für einen Betreuten grundsätzlich nur ein Betreuer bestellt. Dies soll klare Verantwortlichkeiten schaffen und eine persönliche, vertrauensvolle Beziehung zwischen Betreuer und betreuter Person fördern. Die Praxis zeigt jedoch, dass Situationen eintreten können, in denen der bestellte Betreuer vorübergehend an der Ausübung seines Amtes gehindert ist.
Für solche Fälle sieht
§ 1817 Abs. 4 BGB die Möglichkeit vor, mehrere Betreuer in der Weise zu bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere aus tatsächlichen Gründen verhindert ist. Dieser sogenannte Verhinderungsbetreuer (auch Ersatzbetreuer genannt) tritt also nicht neben den Hauptbetreuer, sondern agiert ausschließlich als dessen Stellvertreter im Verhinderungsfall. Seine Zuständigkeit ist zeitlich begrenzt und an das Vorliegen eines konkreten Verhinderungsgrundes geknüpft. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt klargestellt hat, kommt dem Verhinderungsbetreuer nur dann eine vorübergehende Entscheidungsverantwortlichkeit zu, wenn der Hauptbetreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Führung des Betreueramtes gehindert ist (vgl. BGH, 08.05.2024 - Az:
XII ZB 577/23).
Die Bestellung eines Verhinderungsbetreuers stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes der Einzelbetreuung dar und bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung. Sie ist nur dann veranlasst, wenn eine Verhinderung des Hauptbetreuers konkret zu besorgen ist und daher erwartet werden kann, dass der Verhinderungsbetreuer tatsächlich tätig werden muss. Ein nur abstraktes Risiko eines Ausfalls genügt nicht. Es muss ein konkret absehbarer Bedarf für das Tätigwerden einer weiteren Betreuungsperson bestehen (vgl. BGH, 25.09.2019 - Az:
XII ZB 251/19).
Unterschiede zwischen tatsächlicher und rechtlicher Verhinderung
Das Gesetz unterscheidet im Wesentlichen zwischen zwei Arten von Verhinderungsgründen, die unterschiedliche Rechtsfolgen, insbesondere bei der Vergütung, nach sich ziehen.
Tatsächliche VerhinderungEine tatsächliche Verhinderung liegt vor, wenn der Betreuer aus faktischen Gründen seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Die häufigsten Fälle sind Krankheit oder
Urlaub. Auch eine plötzliche, unvorhergesehene Abwesenheit kann eine tatsächliche Verhinderung begründen. In diesen Fällen ist eine Vertretung notwendig, um die laufenden Angelegenheiten der betreuten Person weiterzuführen und bei unaufschiebbaren Entscheidungen handlungsfähig zu bleiben.
Es ist jedoch zu betonen, dass der Betreuer seine Aufgaben grundsätzlich persönlich wahrzunehmen hat. Eine eigenmächtige Delegation der gesamten Betreuung oder kompletter
Aufgabenbereiche auf Dritte, beispielsweise durch die Bevollmächtigung eines selbst gewählten „Urlaubsvertreters“, ist unzulässig. Ein solches Vorgehen würde die gerichtliche Auswahlentscheidung umgehen und widerspricht dem gesetzlichen Leitbild der persönlichen Betreuung (vgl. OLG Frankfurt, 11.04.2002 - Az:
20 W 512/01). Die korrekte Vorgehensweise ist die rechtzeitige Anregung beim Betreuungsgericht, für die Dauer der Abwesenheit einen Verhinderungsbetreuer zu bestellen. Ist ein Betreuer für eine längere Zeit nicht erreichbar und hat er keine Vertretung organisiert, kann dies sogar zum Verlust seines
Vergütungsanspruchs für diesen Zeitraum führen (vgl. LG Frankfurt/Oder, 19.05.2008 - Az:
19 T 274/07).
Rechtliche VerhinderungEine rechtliche Verhinderung tritt ein, wenn dem Betreuer die Vertretung der betreuten Person in einer bestimmten Angelegenheit von Gesetzes wegen untersagt ist. Dies dient dem Schutz der betreuten Person vor Interessenkonflikten. Der wichtigste Fall ist das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB. Ein Betreuer kann nicht gleichzeitig als Vertreter der betreuten Person und als Vertragspartner in eigenem Namen handeln. Er kann also beispielsweise nicht ein Grundstück der betreuten Person an sich selbst verkaufen.
Ein Vertretungsausschluss besteht ebenfalls bei Rechtsgeschäften zwischen der betreuten Person und dem Ehegatten, dem Lebenspartner oder nahen Verwandten des Betreuers (vgl.
§ 1795 BGB, der über die Verweisungskette im Betreuungsrecht Anwendung findet). Auch wenn der Betreuer einen Rechtsstreit gegen die betreute Person führen muss oder in einer Angelegenheit erheblich widerstreitende Interessen bestehen, ist er rechtlich an der Vertretung gehindert.
Für diese Konstellationen wird ein Verhinderungsbetreuer, der begrifflich in der Regel mit dem Ergänzungsbetreuer identisch ist, bestellt (§ 1817 Abs. 5 BGB: „Soweit ein Betreuer aus rechtlichen Gründen gehindert ist, einzelne Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, hat das Betreuungsgericht hierfür einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen.“). Seine Aufgabe beschränkt sich auf die Vornahme genau dieses einen Rechtsgeschäfts oder die Führung des entsprechenden Verfahrens.
Bestellung und Auswahl des Verhinderungsbetreuers
Die Bestellung eines Verhinderungsbetreuers erfolgt wie die des Hauptbetreuers durch das zuständige Betreuungsgericht. Dies kann bereits bei der erstmaligen Einrichtung der Betreuung vorsorglich geschehen, wenn absehbar ist, dass Verhinderungsfälle eintreten werden, oder aber erst bei konkretem Bedarf.
Besteht für den Betroffenen eine vorläufige Betreuung im Wege einer einstweiligen Anordnung, so kann auch der Verhinderungsbetreuer nur vorläufig bestellt werden. Die Verhinderungsbetreuung ist in ihrem Bestand stets von der Hauptbetreuung abhängig und kann nicht über deren Dauer hinaus andauern (vgl. BGH, 20.11.2019 - Az:
XII ZB 501/18).
Bei der Auswahl der Person des Verhinderungsbetreuers gelten dieselben Grundsätze wie bei der Auswahl des Hauptbetreuers gemäß
§ 1816 BGB. Den Wünschen der betreuten Person ist zu entsprechen, sofern die vorgeschlagene Person geeignet ist. Schlägt der Betroffene niemanden vor, sind familiäre Beziehungen und persönliche Bindungen vorrangig zu berücksichtigen. Ein Familienangehöriger, der zur Übernahme bereit ist, darf grundsätzlich nur dann zugunsten eines
Berufsbetreuers übergangen werden, wenn er als ungeeignet erscheint. Die Eignungsprüfung durch das Gericht muss dabei auf einer umfassenden Gesamtschau aller Umstände und einer Prognoseentscheidung beruhen und darf sich nicht nur auf einzelne Vorfälle aus der Vergangenheit stützen, ohne aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, 05.03.2025 - Az:
XII ZB 260/24).
Die funktionelle Zuständigkeit für die Bestellung und auch für einen späteren Wechsel des Verhinderungsbetreuers liegt in der Regel beim Rechtspfleger, sofern die Angelegenheit nicht ausnahmsweise dem Richter vorbehalten ist (vgl. AG Regensburg, 24.01.2024 - Az:
XVII 2813/10 (2)).
Wann endet die Verhinderungsbetreuung?
Die Verhinderungsbetreuung endet automatisch mit der Beendigung der Hauptbetreuung. Sie kann aber auch durch Entlassung enden, wenn beispielsweise ein wichtiger Grund vorliegt. So kann eine große räumliche Entfernung zur betreuten Person, die eine persönliche Betreuung unzumutbar macht, ein Grund für die Entlassung sowohl des Haupt- als auch des Verhinderungsbetreuers sein (vgl. AG Meiningen, 09.09.2024 - Az:
3 XVII 34/24).
Vergütung des Verhinderungsbetreuers
Die Vergütung und der Aufwendungsersatz für Verhinderungsbetreuer sind im
Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) speziell geregelt.
Der Verhinderungsbetreuer erhält seine Vergütung gemäß
§ 11 VBVG nach Tagen. Die monatliche Pauschale wird also anteilig gezahlt. Eine Vergütung nach konkretem Zeitaufwand erfolgt nicht mehr.
Auch bei einer tatsächlichen Verhinderung (z.B. Urlaub) erhält der Verhinderungsbetreuer die sonst übliche pauschale Vergütung anteilig für die Dauer seiner Tätigkeit. Die Vergütungspauschale des Hauptbetreuers wird für diesen Zeitraum entsprechend gekürzt. Es erfolgt also eine taggenaue Aufteilung der Pauschale zwischen Haupt- und Verhinderungsbetreuer.
Für ehrenamtliche Verhinderungsbetreuer gelten diese Grundsätze entsprechend für den Anspruch auf die jährliche Aufwandspauschale nach
§ 1878 BGB. Der ehrenamtliche Verhinderungsbetreuer hat Anspruch auf die pauschale Aufwandsentschädigung für den Zeitraum, in dem der Hauptbetreuer tatsächlich verhindert war und er als Vertreter tätig geworden ist. Der Anspruch des Hauptbetreuers wird im Gegenzug zeitanteilig gekürzt (§ 1878 Abs. 2 BGB). Diese Prinzipien der taggenauen Aufteilung des Aufwendungsersatzes können auch analog auf den Fall eines ehrenamtlich tätigen Verhinderungsbevollmächtigten angewendet werden, der für einen verhinderten Hauptbevollmächtigten einspringt (vgl. AG Brandenburg, 12.03.2020 - Az:
31 C 107/19).