Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) ist eine wichtige Säule der sozialen Sicherung, die
Arbeitnehmer nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes finanziell auffängt. Doch der Bezug dieser Leistung ist an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft, deren Nichterfüllung schnell zu empfindlichen Einbußen oder gar zum vollständigen Verlust des Anspruchs führen kann. Geregelt sind die Ansprüche primär im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht grundsätzlich, wenn die Voraussetzungen des § 137 SGB III erfüllt sind. Dazu gehört, dass der Betroffene arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet hat und die sogenannte Anwartschaftszeit erfüllt. Die Definition der Arbeitslosigkeit selbst ist in § 138 SGB III festgelegt. Als arbeitslos gilt demnach nur, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich aktiv bemüht, diese Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
Arbeitslosmeldung
Am einfachsten melden sich Betroffene
online arbeitsuchend. Die Agentur für Arbeit des Beroffenen wird automatisch informiert.
Alternativ kann die Meldung vor Ort in der zuständigen Agentur für Arbeit, telefonisch unter der Service‑Nummer 0800 4 555500 (gebührenfrei) oder schriftlich erfolgen. Es sollte sich nur auf einem Weg arbeitsuchend gemeldet werden.
Elternzeitfalle: Warum das alte Gehalt beim Arbeitslosengeld plötzlich nicht mehr zählt
Die Höhe des Arbeitslosengeldes bemisst sich üblicherweise nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum (in der Regel das letzte Jahr vor der Arbeitslosigkeit) erzielt hat. Problematisch wird dies, wenn Betroffene vor der Arbeitslosmeldung eine längere Elternzeit in Anspruch genommen haben und in dieser Zeit kein oder nur ein geringes Einkommen erzielten.
In einem Fall vor dem Sozialgericht Mainz (SG Mainz, 28.02.2012 - Az:
S 4 AL 204/10) hatte eine Klägerin nach vierjähriger Elternzeit Arbeitslosengeld beantragt. Die Agentur für Arbeit berücksichtigte bei der Berechnung nicht das relativ hohe Gehalt, das sie vor der Elternzeit verdient hatte, sondern legte fiktive Beträge zugrunde (§ 152 SGB III). Das Gericht wies darauf hin, dass diese Praxis der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und auch des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Demnach ist es mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG), vereinbar, wenn Einkommen, das länger als zwei Jahre zurückliegt, nicht mehr für die Bemessung herangezogen wird. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Arbeitslosengeld das Entgelt ersetzen soll, das aktuell erzielt werden könnte. Bei länger zurückliegendem Einkommen sei die Vermutung, dass ein ähnlicher Verdienst auch aktuell noch erzielt würde, nicht mehr gerechtfertigt.
Sperrzeit: Wenn die Agentur für Arbeit die Zahlung verweigert
Selbst wenn alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen. Die häufigste Ursache hierfür ist der Eintritt einer
Sperrzeit. Eine Sperrzeit wird verhängt, wenn ein Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis von sich aus löst oder durch ein vertragswidriges Verhalten die
Kündigung durch den
Arbeitgeber veranlasst und dadurch die Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt (§ 159 SGB III). Dies gilt insbesondere bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer oder bei einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung (
Aufhebungsvertrag).
Keine Sperrzeit droht hingegen allein deshalb, weil der Arbeitnehmer das Angebot einer
Änderungskündigung nicht annimmt oder keine
Kündigungsschutzklage gegen eine arbeitgeberseitige Kündigung erhebt. Eine grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit wird oft dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer kündigt, ohne bereits eine konkrete Aussicht auf einen neuen Anschlussarbeitsplatz zu haben, oder wenn es sich bei diesem nur um ein kurzes Zeitarbeitsverhältnis handelt.
Eine Sperrfrist wird jedoch nicht verhängt, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweisen kann. Die Rechtsprechung erkennt hierbei sowohl persönliche als auch betriebliche Gründe an. Zu den persönlichen Gründen zählen beispielsweise gesundheitliche Aspekte oder der Umzug des Ehegatten oder Lebenspartners; nach neuerer Rechtsprechung kann dies auch für den Umzug eines nichtehelichen Lebensgefährten gelten. Betriebliche Gründe können vorliegen, wenn in krisenhaften Situationen, etwa bei drastischen Personalverringerungen, psychischer Druck auf Arbeitnehmer ausgeübt wird, um das Unternehmen zu verlassen. Ein rein finanzieller Anreiz des Arbeitgebers, freiwillig auszuscheiden, genügt jedoch in der Regel nicht als wichtiger Grund.
Die Sperrfrist beginnt üblicherweise mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dauert bis zu zwölf Wochen. Während dieser Zeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gravierend ist zudem, dass sich die Gesamtdauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Dauer der Sperrfrist vermindert.
Was ist zumutbar? Welche Jobs angenommen werden müssen
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht nur dann, wenn der Arbeitslose bereit ist, jede ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Die Kriterien für die Zumutbarkeit sind in § 140 SGB III (ehemals § 121 SGB III) geregelt und wurden in der Vergangenheit tendenziell verschärft. Die Zumutbarkeit richtet sich unter anderem nach der Höhe des Arbeitsentgelts im Verhältnis zum bisherigen Einkommen, den Pendelzeiten zum neuen Arbeitsort und den Qualifikationen des Arbeitslosen.
Krank und trotzdem kein Geld? Sonderfall Urlaubsabgeltung
Wer während des Bezugs von Arbeitslosengeld
arbeitsunfähig erkrankt, verliert dadurch nicht sofort seinen Anspruch. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB III besteht ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für bis zu sechs Wochen.
Allerdings gilt dieser Grundsatz, wie eine Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG Sachsen, 09.06.2022 - Az:
L 3 AL 151/19) im Anschluss an das Bundessozialgericht (BSG, 20.02.2002 - Az: B 1 AL 59/01 R) zeigt, nicht ausnahmslos. Die Leistungsfortzahlung bei Krankheit setzt voraus, dass vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich Arbeitslosengeld bezogen wurde oder zumindest ein realisierbarer Anspruch darauf bestand. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Ein häufiger Fall hierfür ist die Zahlung einer
Urlaubsabgeltung durch den letzten Arbeitgeber. Während des Zeitraums, für den die Urlaubsabgeltung gezahlt wird, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von Amts wegen (§ 157 Abs. 1 SGB III). Tritt die Arbeitsunfähigkeit in genau dieser Ruhenszeit ein – also nach Ende des
Arbeitsverhältnisses, aber bevor der erste Tag Arbeitslosengeld gezahlt wurde –, besteht kein Anspruch auf Leistungsfortzahlung nach § 146 SGB III.
Falsche Steuerklasse, weniger Geld
Die Höhe des Arbeitslosengeldes (das sogenannte Leistungsentgelt) wird auf Basis des Nettoentgelts berechnet, wobei die Lohnsteuerklasse des Arbeitnehmers eine entscheidende Rolle spielt. Eine ungünstige Steuerklasse kann zu einem niedrigeren Arbeitslosengeld führen. Stellt sich nachträglich heraus, dass eine andere Steuerklassenwahl möglich und vorteilhafter gewesen wäre, stellt sich die Frage nach einer Korrektur.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, 13.12.2021 - Az:
L 3 AL 1847/21) hat sich mit dem sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in diesem Kontext befasst. Dieser Anspruch kann greifen, wenn ein Sozialleistungsträger, wie die Agentur für Arbeit, seine Informations- und Beratungspflichten verletzt hat. Das Gericht stellte jedoch klar, dass dieser Herstellungsanspruch den Träger nur zu einem rechtlich zulässigen Tun oder Unterlassen verpflichten kann. Aufgrund der Tatbestandswirkung einer einmal eingetragenen Lohnsteuerklasse ist eine „Heilung“ über den Herstellungsanspruch nicht möglich. Die Agentur für Arbeit kann also nicht nachträglich eine günstigere Lohnsteuerklasse unterstellen, wenn der Wechsel von den Ehegatten oder Lebenspartnern nicht tatsächlich vorgenommen wurde.
Urlaubsanspruch trotz Arbeitslosengeld? Die Rechtslage bei Krankheit und ruhendem Vertrag
Komplex wird die Rechtslage, wenn Arbeitslosengeld im Wege der Gleichwohlgewährung (§ 157 Abs. 3 SGB III) bezogen wird, weil der Arbeitgeber beispielsweise aufgrund einer langwierigen Erkrankung des Arbeitnehmers keinen Lohn mehr zahlt, das Arbeitsverhältnis aber rechtlich noch besteht. In dieser Konstellation ruht das Arbeitsverhältnis faktisch. Es stellt sich die Frage, ob während dieses Ruhenszeitraums weiterhin Urlaubsansprüche entstehen.
Frühere Instanzgerichte hatten teilweise argumentiert, dass durch die Beantragung von Arbeitslosengeld und die Erteilung der Arbeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber die Hauptleistungspflichten (Arbeit gegen Lohn) suspendiert seien, was einer Kürzung des Urlaubsanspruchs den Weg ebne (so etwa LAG Hamm, 13.02.2012 - Az: 16 Sa 560/10).
Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm, 02.12.2021 - Az:
5 Sa 824/21) hat jedoch in einer neueren Entscheidung, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), eine differenzierte Sichtweise eingenommen. Das BAG hat klargestellt (BAG, 22.01.2019 - Az: 9 AZR 10/17) , dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz (§§
1,
3 Abs. 1 BUrlG) allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und nicht, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum tatsächlich gearbeitet hat.
Diese Rechtsprechung unterscheidet zwischen verschiedenen Gründen für das Ruhen eines Arbeitsverhältnisses. Während bei
Kurzarbeit der EuGH eine Kürzung des Urlaubs zulässt, da dies einer planbaren Teilzeitbeschäftigung nahekommt (EuGH, 08.11.2012 - Az:
C-229/11 und C-230/11), gilt dies für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht. Der EuGH betont, dass Arbeitnehmer, die wegen Krankheit ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen konnten, hinsichtlich des Urlaubsanspruchs nicht schlechter gestellt werden dürfen als Arbeitnehmer, die tatsächlich gearbeitet haben (EuGH, 04.10.2018 - Az:
C-12/17). Die Situation unterscheidet sich grundlegend, da die Arbeitsunfähigkeit nicht auf einem freien Entschluss beruht, anders als etwa bei einer freiwillig vereinbarten Suspendierung.
Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer in dieser Situation Arbeitslosengeld im Wege der Gleichwohlgewährung beantragt, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, ändert nichts an der Unfreiwilligkeit der krankheitsbedingten Abwesenheit. Das LAG Hamm schloss sich daher der Auffassung des BAG an, dass die Suspendierung der Hauptpflichten das Entstehen des Urlaubsanspruchs nicht hindert. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts im Zweifel auch für tariflichen Mehrurlaub, sofern die Tarifvertragsparteien keine klaren, eigenständigen Regelungen getroffen haben, die vom gesetzlichen Gleichlauf abweichen.