Rechtsfrage klären? Wir beraten per   E-Mail  -   Video  -   Telefon  -   WhatsAppBewertung: - bereits 388.280 Anfragen

Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld: Voraussetzungen und Ansprüche

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 16 Minuten

Fragen zum Arbeitsvertrag? ➠ Wir prüfen den Vertrag für Sie
In wirtschaftlich angespannten Zeiten greifen viele Unternehmen auf das Instrument der Kurzarbeit zurück, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und Personalkosten zu senken. Für Arbeitnehmer bedeutet dies oft eine erhebliche finanzielle Einbuße, die durch das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit abgefedert werden soll. Doch die Einführung von Kurzarbeit ist an rechtliche Hürden geknüpft, und die Berechnung sowie die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis können komplex sein.

Welche Grundsätze gelten?

Bei Kurzarbeit handelt es sich um eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit. Die Verkürzung kann unterschiedlich stark ausfallen - auch eine vollständige Reduzierung der Arbeitszeit auf Null ist möglich.

Kurzarbeit kann sich sowohl auf den gesamten Betrieb als auch auf bestimmte abgrenzbare Teile erstrecken. Durch die Anordnung von Kurzarbeit kann der Arbeitgeber die Personalkosten kurzfristig senken und somit konjunkturellen Schwankungen gegensteuern, da die betroffenen Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit werden und gleichzeitig auch ihren Vergütungsanspruch verlieren.

Kurzarbeitergeld ist ein Entgeltersatz für den Verdienstausfall eines Arbeitnehmers, der durch die Einführung von Kurzarbeit entstanden ist.

Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit

Ein Arbeitgeber kann nicht willkürlich und einseitig Kurzarbeit für seinen Betrieb oder Teile davon anordnen. Eine solche Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff in die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages dar – die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeit und die Pflicht des Arbeitgebers zur Lohnzahlung. Daher bedarf die Einführung von Kurzarbeit stets einer wirksamen Rechtsgrundlage. Fehlt diese, ist die Anordnung unwirksam, und die Arbeitnehmer behalten ihren vollen, ungekürzten Lohnanspruch, selbst wenn sie nicht gearbeitet haben. Der Arbeitgeber befindet sich in diesem Fall im sogenannten Annahmeverzug (vgl. ArbG Siegburg, 11.11.2020 - Az: 4 Ca 1240/20).

Die erforderliche Rechtsgrundlage kann sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer individualvertraglichen Regelung mit dem einzelnen Arbeitnehmer ergeben. Tarifverträge enthalten oft detaillierte Klauseln zur Einführung von Kurzarbeit, einschließlich Ankündigungsfristen, die zwingend zu beachten sind.

Besteht ein Betriebsrat, ist der gängigste Weg die Vereinbarung einer Betriebsvereinbarung. Eine solche Vereinbarung wirkt nach § 77 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer ein und kann somit die arbeitsvertraglichen Pflichten für die Dauer der Kurzarbeit abändern. An die Wirksamkeit einer solchen Betriebsvereinbarung stellt die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen. Sie muss dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit genügen. Das bedeutet, die Regelungen müssen so präzise sein, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten daraus zuverlässig erkennen können. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit mindestens Regelungen über Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der reduzierten Arbeitszeit sowie die genaue Bezeichnung der betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen enthalten muss (vgl. BAG, 18.11.2015 - Az: 5 AZR 491/14). Ist dies nicht der Fall, ist die gesamte Vereinbarung unwirksam. So verstößt eine Betriebsvereinbarung beispielsweise gegen das Gebot der Rechtsnormenklarheit, wenn die betroffenen Arbeitnehmer lediglich in einer Anlage zu einer Anlage der Vereinbarung aufgeführt sind und diese den Mitarbeitern nicht zugänglich gemacht wird (vgl. ArbG Kiel, 30.03.2021 - Az: 3 Ca 1779 e/20).

Gibt es weder einen Tarifvertrag noch einen Betriebsrat, bleibt dem Arbeitgeber nur der Weg über eine einzelvertragliche Vereinbarung mit jedem betroffenen Mitarbeiter. Dies kann durch eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag oder in Form einer Änderungskündigung geschehen. Insbesondere eine vorformulierte Klausel im Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber pauschal zur Anordnung von Kurzarbeit berechtigt, unterliegt einer strengen Inhaltskontrolle nach den Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) und ist häufig unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, etwa durch eine zu kurze Ankündigungsfrist.

Verfahren bei der Agentur für Arbeit

Das Kurzarbeitergeld ist eine Entgeltersatzleistung aus der Arbeitslosenversicherung, geregelt in den §§ 95 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Es dient dazu, den Verdienstausfall der Arbeitnehmer teilweise zu kompensieren. Die Beantragung und Auszahlung erfolgen in einem zweistufigen Verfahren, das vom Arbeitgeber oder, falls vorhanden, vom Betriebsrat bei der zuständigen Agentur für Arbeit initiiert wird.

Zunächst muss der Arbeitsausfall vom Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bei der Agentur für Arbeit angezeigt werden. Diese Anzeige ist von entscheidender Bedeutung, denn Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist (§ 99 Abs. 2 SGB III). Der Arbeitgeber trägt das volle Risiko für den rechtzeitigen Zugang. Versendet er die Anzeige beispielsweise per Post und kommt diese erst im Folgemonat an, besteht für den Vormonat kein Anspruch. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, da es sich hierbei um keine gesetzliche Frist handelt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, 13.05.2024 - Az: L 20 AL 201/22). Auch ein Irrtum über die Notwendigkeit einer erneuten Anzeige nach einer Unterbrechung von mehr als drei Monaten schützt nicht vor den Folgen einer verspäteten Meldung (vgl. SG Landshut, 29.10.2021 - Az: S 16 AL 66/21).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld sind streng. Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen, der auf wirtschaftlichen Gründen (z.B. Auftragsmangel) oder einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Naturkatastrophen, Pandemien) beruht. Der Ausfall muss vorübergehend und unvermeidbar sein. Als unvermeidbar gilt ein Arbeitsausfall nur dann, wenn der Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um ihn zu verhindern, beispielsweise durch den Abbau von Überstunden oder die Gewährung von Urlaub. Zudem darf der Arbeitsausfall nicht zum normalen Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehören oder branchenüblich sein (vgl. SG Landshut, 20.10.2023 - Az: S 16 AL 196/21).

Des Weiteren müssen die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sein. Dies bedeutet, dass im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein muss. Schließlich müssen auch die persönlichen Voraussetzungen beim Arbeitnehmer vorliegen: Er muss sich in einem ungekündigten, versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befinden.

Sind diese Voraussetzungen geprüft und der Arbeitsausfall anerkannt, muss der Arbeitgeber in einem zweiten Schritt für jeden Abrechnungsmonat einen Leistungsantrag stellen und das Kurzarbeitergeld berechnen, an die Arbeitnehmer auszahlen und anschließend die Erstattung von der Agentur für Arbeit beantragen.

Höhe, Dauer und steuerliche Behandlung

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich nach der sogenannten Nettoentgeltdifferenz. Dies ist der Unterschied zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall erzielt hätte (Soll-Entgelt), und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem im Kurzarbeitszeitraum tatsächlich erzielten Einkommen (Ist-Entgelt). Von dieser Differenz zahlt die Agentur für Arbeit im Regelfall 60 Prozent. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt des Arbeitnehmers, erhöht sich der Leistungssatz auf 67 Prozent. Oftmals sehen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber vor.

Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld beträgt grundsätzlich maximal zwölf Monate. Sie kann jedoch durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Zeiten außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt auf bis zu 24 Monate verlängert werden.

Steuerlich ist das Kurzarbeitergeld selbst steuerfrei. Es unterliegt jedoch dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, es wird zur Ermittlung des Steuersatzes herangezogen, der auf das übrige zu versteuernde Einkommen des Arbeitnehmers (z.B. das gekürzte Gehalt) angewendet wird. Dies führt in der Regel zu einer Steuernachzahlung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.

Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge gilt, dass der Arbeitgeber für die Zeit der Kurzarbeit neben den Beiträgen auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt auch Beiträge auf ein fiktives Entgelt in Höhe von 80 Prozent des ausgefallenen Arbeitsentgelts abführen muss, um Rentenansprüche der Arbeitnehmer zu sichern.

Auswirkungen der Kurzarbeit auf Urlaub, Kündigung und Krankheit

Die Einführung von Kurzarbeit, insbesondere die sogenannte „Kurzarbeit Null“, bei der die Arbeit vollständig ausfällt, hat weitreichende Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis. Ein zentraler Streitpunkt ist dabei der Urlaubsanspruch. Der Europäische Gerichtshof und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht haben entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub an die tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistung geknüpft ist. Fällt die Arbeitspflicht aufgrund von „Kurzarbeit Null“ für ganze Tage oder sogar Monate aus, entstehen für diese Zeiträume keine neuen Urlaubsansprüche. Der Jahresurlaubsanspruch ist daher entsprechend zu kürzen (vgl. BAG, 30.11.2021 - Az: 9 AZR 225/21; LAG Baden-Württemberg, 03.05.2021 - Az: 9 Sa 1/21).

Wird jedoch während der Kurzarbeit Urlaub genommen, so hat der Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs Anspruch auf die ungekürzte, reguläre Urlaubsvergütung, so als ob keine Kurzarbeit angeordnet worden wäre. Die Vergütung berechnet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn, wobei Entgeltkürzungen durch Kurzarbeit unberücksichtigt bleiben (vgl. EuGH, 13.12.2018 - Az: C-385/17).

Auch wenn Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen vermeiden soll, sind diese nicht gänzlich ausgeschlossen. Allerdings stellt die Rechtsprechung hohe Hürden auf. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass der Arbeitsplatz des zu kündigenden Mitarbeiters dauerhaft wegfällt und nicht nur ein vorübergehender Arbeitsmangel vorliegt, welcher ja gerade die Begründung für die Kurzarbeit darstellt.

Wird ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit krank, hängt sein Anspruch von der Arbeitszeitverteilung ab. Wäre er an den Krankheitstagen zur Arbeit eingeteilt gewesen, erhält er Entgeltfortzahlung in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Wäre an diesen Tagen ohnehin die Arbeit ausgefallen, erhält er Krankengeld von der Krankenkasse, das ebenfalls auf Basis des gekürzten Entgelts berechnet wird.

Transferkurzarbeitergeld

Neben dem konjunkturellen Kurzarbeitergeld gibt es besondere Formen. Das Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III kommt im Zusammenhang mit Betriebsänderungen, wie beispielsweise einer Werksschließung, zur Anwendung. Ziel ist hier nicht der Erhalt des Arbeitsplatzes, sondern die Qualifizierung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer in einer Transfergesellschaft, um deren Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu erleichtern (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, 25.08.2009 - Az: L 1 AL 103/08). Aufstockungsbeträge, die der alte oder neue Arbeitgeber zusätzlich zum Transferkurzarbeitergeld zahlt, sind dabei als laufender Arbeitslohn zu versteuern und nicht als steuerlich begünstigte Entschädigung zu behandeln (vgl. BFH, 12.03.2019 - Az: IX R 44/17). Solche Zuschüsse dienen in der Regel dem Ausgleich der Nettoentgeltdifferenz (vgl. BAG, 16.12.2015 - Az: 5 AZR 567/14).

Saison-Kurzarbeitergeld

Das Saison-Kurzarbeitergeld ist eine spezielle Regelung für Betriebe des Baugewerbes, des Dachdeckerhandwerks und des Garten- und Landschaftsbaus. Es soll saisonale, witterungsbedingte Arbeitsausfälle in der Schlechtwetterzeit (Dezember bis März) überbrücken und so die typische Winterarbeitslosigkeit in diesen Branchen vermeiden. Die Regelungen entsprechen im Wesentlichen denen des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes.
Stand: 05.09.2025
Feedback zu diesem Tipp

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von Business Vogue

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.235 Bewertungen) - Bereits 388.280 Beratungsanfragen

Schnell, verständlich und unkompliziert.
Es muss nicht immer eine hochkomplexe Doktorarbeit sein, um einen guten Job gemacht zu haben.

Burkhardt, Weissach im Tal

Ich bin sehr zufrieden. Das ging schnell kompetent und der Preis war angemessen und jetzt kann ich beruhigt in den Urlaub fahren. Empfehle ich auf ...

Verifizierter Mandant