Die gebuchte Verpflegung ist ein zentraler Bestandteil vieler
Pauschalreisen und bestimmt maßgeblich den Komfort und die planbaren Kosten des Urlaubs. Angeboten werden von
Reiseveranstaltern im Allgemeinen Halbpension, Vollpension und All-Inclusive. Doch was genau verbirgt sich rechtlich hinter diesen Bezeichnungen und welche Ansprüche haben
Reisende, wenn die Verpflegung nicht den Erwartungen oder den vertraglichen Vereinbarungen entspricht?
Was umfassen Halbpension und Vollpension rechtlich?
Im Reiserecht gibt es keine exakten gesetzlichen Definitionen für Verpflegungsarten. Der Inhalt der Leistung ergibt sich primär aus der Leistungsbeschreibung im
Reisekatalog oder auf der Webseite des Veranstalters. Dennoch hat sich ein allgemeines Verkehrsverständnis etabliert, das auch von den Gerichten zugrunde gelegt wird.
Der Begriff Halbpension, im Reisekatalog oft mit „H“ oder „HP“ abgekürzt, bezeichnet eine Verpflegungsleistung, die zwei Mahlzeiten pro Tag umfasst. In der Praxis handelt es sich dabei fast ausnahmslos um die Kombination aus Frühstück und Abendessen. Theoretisch wäre auch die Kombination aus Frühstück und Mittagessen denkbar, ist aber unüblich. Sofern nicht anders spezifiziert, sind Getränke bei der Halbpension – außer zum Frühstück (typischerweise Kaffee, Tee, Säfte) – nicht im Preis inbegriffen und müssen separat bezahlt werden.
Die Vollpension, gekennzeichnet mit „V“ oder „VP“, erweitert dieses Angebot auf alle drei Hauptmahlzeiten des Tages: Frühstück, Mittag- und Abendessen. Auch hier gilt in der Regel, dass Getränke zu den Mahlzeiten (mit Ausnahme des Frühstücks) zusätzlich zu vergüten sind, es sei denn, die Reisebeschreibung enthält eine anderslautende Zusage.
Umfang und die Qualität der Mahlzeiten: Was darf erwartet werden?
Häufiger Streitpunkt zwischen Reisenden und Veranstaltern ist die Qualität und Vielfalt der angebotenen Speisen. Der rechtliche Maßstab hierfür ist nicht der persönliche Geschmack des Reisenden, sondern das, was objektiv nach der Reisebeschreibung, der
Hotelkategorie und dem
Reisepreis erwartet werden durfte. Bei einer sehr günstigen Pauschalreise in einer einfachen Hotelanlage kann bei einem Buffet weder eine außergewöhnliche Vielfalt noch eine besondere Reichhaltigkeit erwartet werden. Ein Reisender, der bewusst ein niedrigpreisiges Angebot wählt, muss Abstriche in Kauf nehmen. Bei einer günstigen Pauschalreise in einem einfachen Ferienclub kann bei einem Buffet daher weder eine besondere Vielfalt noch Reichhaltigkeit erwartet werden (AG München, 06.05.2002 - Az:
172 C 3946/01). Die Erwartungshaltung muss sich immer am gebuchten Standard orientieren.
Auch die konkrete Ausgestaltung des Frühstücks war bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. So hat das Amtsgericht Frankfurt entschieden, was unter einem einfachen und was unter einem „reichhaltigen“ Frühstücksbuffet zu verstehen ist. Ein einfaches Frühstücksbuffet muss demnach mindestens zwei Brötchen derselben Sorte, eine Sorte Marmelade, Butter und Kaffee beinhalten. Wird hingegen ein „reichhaltiges“ Frühstücksbuffet versprochen, so muss dieses mindestens drei verschiedene Sorten Brötchen, zwei Marmeladensorten, zwei Kaffeesorten, Butter, Joghurt, Orangen und Orangensaft umfassen (AG Frankfurt, 06.03.1986 - Az:
30 C 4289/85-45). Wird dieser Maßstab nicht eingehalten, so kann dies bereits einen Reisemangel begründen.
Wann sind Wartezeiten und Essensschichten ein Reisemangel?
Nicht nur die Qualität der Speisen selbst, sondern auch die organisatorischen Rahmenbedingungen der Verpflegung können einen
Reisemangel darstellen. Dies betrifft insbesondere die Kapazität der Restaurants in großen Hotelanlagen. Lange Wartezeiten am Buffet können den Erholungswert der Reise erheblich beeinträchtigen. Allerdings ist nicht jede Wartezeit automatisch ein zur Minderung berechtigender Mangel. Ein gewisses Maß an Wartezeit ist, insbesondere in großen und preiswerten Hotels zur Hauptsaison, als sozialadäquat und hinnehmbar anzusehen. Das Amtsgericht Duisburg hat entschieden, dass eine Wartezeit von 20 bis 30 Minuten an einem Buffet eines großen Mittelklassehotels in der Regel nicht überschritten werden darf. Kürzere Wartezeiten muss der Reisende entschädigungslos hinnehmen (AG Duisburg, 05.05.2004 - Az:
3 C 1218/04).
Ein weiterer Reibungspunkt ist die Zuweisung zu festen Essenszeiten oder -schichten. Bietet ein Hotel die Mahlzeiten in mehreren Schichten an, um die Anzahl der Gäste zu bewältigen, so kann die Hotelleitung dem Gast nicht einseitig vorschreiben, in welcher dieser Schichten er sein Essen einzunehmen hat. Eine solche verbindliche Zuweisung stellt eine unangemessene Einschränkung dar und kann einen Reisemangel begründen (AG Düsseldorf, 01.06.2001 - Az:
52 C 2500/01).
Besonders eintönige oder wiederkehrende Verpflegung kann ebenfalls einen Mangel darstellen. Wenn beispielsweise über eine Woche hinweg kaum Abwechslung im Speiseplan geboten wird, kann dies, je nach Hotelkategorie und Reisebeschreibung, eine
Minderung des Reisepreises rechtfertigen.
All-Inclusive-Verpflegung: Was darf der Reisende erwarten?
Über die Vollpension hinaus geht das sogenannte „
All-inclusive“-Angebot. Eine verbindliche, rechtlich festgeschriebene Definition für den Begriff „All-inclusive“ existiert nicht. Es obliegt daher dem Reiseveranstalter, in seiner Leistungsbeschreibung klar und unmissverständlich darzulegen, welche Leistungen konkret von seinem Angebot umfasst sind. Üblicherweise beinhaltet All-inclusive neben den drei Hauptmahlzeiten auch lokale alkoholische und nicht-alkoholische Getränke über weite Teile des Tages sowie oft auch Snacks, Kaffee und Kuchen am Nachmittag.
Da eine einheitliche Definition fehlt, ist die Reisebeschreibung des Veranstalters die entscheidende Vertragsgrundlage. Das Amtsgericht Leipzig stellte klar, dass der Veranstalter die eingeschlossenen Leistungen gesondert angeben muss. Unabhängig davon ist jedoch ein Mittagessen stets als Kernbestandteil eines All-inclusive-Angebots anzusehen. Es kann nicht ohne ausdrücklichen und deutlichen Hinweis aus dem Leistungspaket herausgenommen werden. Fehlt das Mittagessen so ist eine Minderung von 20 % des Reisepreises angemessen (vgl. AG Leipzig, 24.11.2010 - Az:
109 C 5850/09).
Fehlende Leistungen beim All-Inclusive-Angebot als Reisemangel
Da der Leistungsumfang bei All-inclusive-Reisen besonders groß ist, ist auch das Potenzial für Mängel vielfältig. Ein häufiger Fall ist das Fehlen zugesicherter Getränke. In einem Fall vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg waren die im Reisevertrag zugesicherten kostenlosen Getränke (Mineralwasser, Erfrischungsgetränke, Bier, Wein etc.) an den ersten vier Reisetagen gar nicht und an den Folgetagen nur in unzureichender Menge verfügbar. Die Reisenden mussten sich kostenpflichtig selbst versorgen. Das Gericht sprach ihnen für die ersten vier Tage eine Minderung von 10 % und für die restlichen Tage eine Minderung von 7 % des Tagesreisepreises zu. Dabei wurde berücksichtigt, dass eine Ersatzversorgung jederzeit möglich war und die Beeinträchtigung vor allem im finanziellen und zeitlichen Mehraufwand lag. Die Minderung kann jedoch nicht anhand der Preisdifferenz zu einer Reise mit Vollpension berechnet werden, da die Preiskalkulation von zu vielen anderen Faktoren wie Saison und Reiseroute abhängt (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, 16.07.2012 - Az:
233 C 165/10).
Auch das Fehlen bestimmter Speisen kann einen Mangel darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um grundlegende Komponenten einer ausgewogenen Ernährung handelt. So wurde das vollständige Fehlen jeglicher Obst- und Gemüsesorten bei einer All-inclusive-Reise als Defizit gewertet, das eine Minderung von 10 % rechtfertigt (AG Kleve, 06.04.2001 - Az:
36 C 47/01). Wurde hingegen eine einzelne, besondere Speise wie beispielsweise Hummer (Lobster) im Katalog explizit zugesichert und dann nicht angeboten, ist die Minderungsquote deutlich geringer anzusetzen, wenn das restliche Speisenangebot qualitativ und quantitativ nicht zu beanstanden war. Das Landgericht Duisburg sah in einem solchen Fall eine Minderung von 2 % als ausreichend an, da die Reisenden auf zahlreiche andere „Köstlichkeiten“ ausweichen konnten (LG Duisburg, 26.06.2003 - Az:
12 S 27/03).
Was Reisende bei der Verpflegung akzeptieren müssen
Nicht jede Abweichung vom Idealzustand stellt einen rechtlich relevanten Mangel dar. Von einem Reisemangel muss eine bloße Unannehmlichkeit unterschieden werden. Eine solche liegt vor, wenn die Beeinträchtigung so geringfügig ist, dass sie den Wert und Nutzen der Reise objektiv nicht spürbar schmälert. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die in vielen All-inclusive-Hotels übliche Verpflichtung, zur Identifikation ein Armband zu tragen. Dies stellt laut Rechtsprechung keinen Mangel, sondern eine hinzunehmende organisatorische Maßnahme dar. Sie behindert den Reisenden weder bei Urlaubsaktivitäten noch bei der Körperpflege und ist vergleichbar mit dem Mitführen einer Hotel- oder Mitgliedskarte (vgl. AG Bad Homburg, 31.03.1999 - Az:
2 C 276/99 (22)).
Reisende müssen zudem mit Begleiterscheinungen rechnen, die für die gebuchte Reiseform und Preisklasse typisch sind. Bei All-inclusive-Reisen, insbesondere im unteren Preissegment, liegt es in der Natur der Sache, dass der Alkoholkonsum der Gäste höher ist als bei Reisen, bei denen jedes Getränk einzeln bezahlt werden muss. Daraus resultierende Belästigungen durch alkoholisierte Mitreisende müssen bis zu einem gewissen Grad toleriert werden und stellen nicht per se einen Mangel dar (LG Kleve, 23.11.2000 - Az:
6 S 369/00). Ein Gericht formulierte es so, dass bei sehr günstigen All-inclusive-Reisen der vermehrte Alkoholkonsum ein „geradezu typisches Reiseverhalten“ darstelle und daraus resultierende Verfehlungen in einem höheren Maße zu tolerieren seien (AG Viersen, 09.04.2013 - Az:
2 C 446/11).
Welche Möglichkeiten hat der Reisende um seine Rechte durchzusetzen?
Stellt die Verpflegung einen Reisemangel im Sinne des
§ 651i BGB dar, stehen dem Reisenden verschiedene Gewährleistungsansprüche zu. Die wichtigste Voraussetzung zur Geltendmachung dieser Rechte ist die unverzügliche Mängelanzeige vor Ort gegenüber der Reiseleitung des Veranstalters. Diese Rüge ist zwingend erforderlich, um dem Veranstalter die Möglichkeit zur Abhilfe zu geben. Unterlässt der Reisende diese Anzeige schuldhaft, kann er seine späteren Ansprüche verlieren.
Der Reisende kann dann, wenn keine Abhilfe erfolgte oder möglich war, einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises gemäß
§ 651m BGB für die Dauer des Mangels durchsetzen. Die Höhe der Minderung richtet sich nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung. Als Orientierung dienen hierbei u.a. verschiedene Minderungstabellen wie die Frankfurter oder die Kemptener Tabelle, auch wenn diese für die Gerichte nicht bindend sind. Das im Streitfall in der Sache befasste Gericht legt die Minderungsquote stets auf Basis des Einzelfalls fest.
Bei erheblichen Mängeln in der Verpflegung, die die Reise massiv beeinträchtigen, kann unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (
§ 651n BGB) oder sogar das Recht zur Kündigung des Reisevertrages (
§ 651l BGB) in Betracht kommen. Dies dürfte im Rahmen der geschuldeten Verpflegung aber eher einen Ausnahmetatbestand betreffen.