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Aufgabenbereich „Behördenangelegenheiten“: Rechte und Pflichten im Umgang mit Ämtern

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

Wird durch ein Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung angeordnet, legt es zugleich fest, für welche Lebensbereiche, die sogenannten Aufgabenbereiche, diese gelten soll. Einer der in der Praxis am häufigsten eingerichteten Aufgabenbereiche ist die Vertretung in „Behördenangelegenheiten“ oder auch „Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten“. Dieser Aufgabenbereich ermächtigt den Betreuer, den Betreuten umfassend gegenüber Ämtern, Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlichen Stellen zu vertreten. Obwohl die Bezeichnung selbsterklärend scheint, wirft dieser Aufgabenbereich in der juristischen Praxis immer wieder Fragen auf, insbesondere hinsichtlich seiner Notwendigkeit und Abgrenzung zu anderen Aufgabenbereichen sowie den damit verbundenen Haftungsrisiken für den Betreuer.

Grundsätzliche Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung

Die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung stellt einen erheblichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen dar. Daher darf sie nur unter strengen Voraussetzungen erfolgen. Grundvoraussetzung ist, dass eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann. Ein bloßer Verdacht hierfür genügt nicht; das Gericht muss sich auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die volle Überzeugung von der medizinischen Notwendigkeit verschaffen.

Hierbei gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit, der heute in § 1814 Abs. 3 BGB (früher § 1896 Abs. 2 BGB) verankert ist. Eine Betreuung darf nur dann angeordnet werden, wenn sie unumgänglich ist, weil weniger einschneidende Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichen. Dies bedeutet insbesondere, dass andere Hilfen, wie die Unterstützung durch Familienangehörige oder soziale Dienste, sowie vor allem eine bestehende Vorsorgevollmacht Vorrang haben. Die Erforderlichkeit darf sich zudem nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten zu regeln (der Betreuungsbedürftigkeit), ergeben. Hinzukommen muss ein konkreter, objektiv feststellbarer Bedarf für die rechtliche Vertretung (der Betreuungsbedarf). Ob ein solcher Bedarf besteht, ist anhand der gegenwärtigen, konkreten Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Es ist dabei nicht zwingend erforderlich, dass bereits ein akuter Handlungsbedarf besteht; es genügt die begründete Besorgnis, dass ein solcher Bedarf jederzeit auftreten kann und ohne Betreuer dann nicht das Notwendige veranlasst würde. Die Gerichte sind verpflichtet, für jeden einzelnen Aufgabenbereich gesondert und nachvollziehbar zu prüfen und zu begründen, warum eine rechtliche Vertretung in diesem Bereich erforderlich ist. Pauschale Ausführungen, die sich lediglich auf die Diagnose und die Benennung der Aufgabenbereiche beschränken, genügen diesen Anforderungen nicht.

Umfang und konkrete Inhalte des Aufgabenbereichs

Der Aufgabenbereich der Behördenangelegenheiten überträgt dem Betreuer die Befugnis, für den Betreuten gegenüber allen Arten von Behörden und öffentlichen Einrichtungen rechtsverbindlich zu handeln. Der Umfang ist weit gefasst und schließt sämtliche Interaktionen mit der öffentlichen Verwaltung ein. Dazu gehört in erster Linie das Stellen von Anträgen auf öffentliche Leistungen, um die wirtschaftliche und soziale Existenz des Betreuten zu sichern. Typische Beispiele hierfür sind:
  • Anträge für öffentliche Leistungen (Wohngeld, Sozialhilfe) sowie auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung
  • Übernahme von Schriftverkehr und Antragsverfahren
  • Unterstützung bei behördlichen Verfahren
  • Beantragung von Personalausweisen bzw. die Befreiung von der Ausweispflicht bei Heimbewohnern (auch bei Aufgabenbereich Aufenthaltsbestimmung)
  • An-, Ab- und Ummeldung (auch bei Aufgabenbereich Aufenthaltsbestimmung)
  • Abgabe von Steuererklärungen (bei Aufgabenbereich Vermögenssorge)
Darüber hinaus umfasst der Aufgabenbereich die Übernahme des gesamten Schriftverkehrs mit den entsprechenden Stellen, die Wahrnehmung von Anhörungsterminen und die Unterstützung in behördlichen Verfahren. Auch alltägliche Verwaltungsvorgänge fallen darunter.

Liegt überhaupt ein eigenständiger Aufgabenbereich vor?

In der Rechtsprechung und Literatur wird seit Langem diskutiert, ob der Aufgabenbereich „Behördenangelegenheiten“ überhaupt eine eigenständige Bedeutung hat oder ob er nicht vielmehr eine Selbstverständlichkeit darstellt, die bereits in anderen Aufgabenbereichen enthalten ist (vgl. OLG Brandenburg, 20.12.2011 - Az: 10 UF 217/10). Denn die Verwaltung der Angelegenheiten des Betreuten macht in fast jedem Bereich den Kontakt zu Behörden oder quasi-behördlichen Institutionen erforderlich.

Ein Betreuer, dem beispielsweise die Gesundheitssorge übertragen wurde, ist ohnehin verpflichtet, gegenüber der Krankenkasse tätig zu werden, um den Versicherungsschutz des Betreuten zu gewährleisten oder Leistungen zu beantragen. Unterlässt er dies, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. So hat das Landgericht Dessau entschieden, dass ein Betreuer, dem die Gesundheits- und Vermögenssorge obliegt, eine eigene Pflicht trifft, den Krankenversicherungsschutz des Betreuten zu sichern, beispielsweise durch einen rechtzeitigen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung nach einer Ehescheidung. Eine separate Anordnung des Aufgabenbereichs für Behördenangelegenheiten war hierfür nicht erforderlich (vgl. LG Dessau, 10.02.2010 - Az: 4 O 215/09).

Ähnliches gilt für die Vermögenssorge, die zwangsläufig die Kommunikation mit dem Finanzamt, dem Jobcenter oder dem Sozialamt mit sich bringt. Aufgrund dieser vielfältigen und notwendigen Überschneidungen vertreten viele Gerichte die Auffassung, dass ein gesondert ausgewiesener Aufgabenbereich für Behördenangelegenheiten oftmals entbehrlich ist. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung ausgeführt, dass die Bestimmung dieses Aufgabenbereichs im Wesentlichen nur der Klarstellung der ohnehin kraft Gesetzes bestehenden Vertretungsberechtigung eines Betreuers diene, die sich bereits aus einem anderen, spezifischeren Aufgabenbereich ergibt (vgl. BGH, 18.11.2015 - Az: XII ZB 16/15). Besteht kein anderer Aufgabenbereich, für den der Kontakt zu Behörden relevant wäre, geht dieser allgemeine Aufgabenbereich regelmäßig ins Leere. Eine Ausnahme kann jedoch dann gelten, wenn ein Betreuter krankheitsbedingt dazu neigt, eine Vielzahl sinnloser Verfahren zu betreiben und sich dadurch selbst zu schädigen. In einem solchen Fall kann ein Betreuer allein für diesen Aufgabenbereich bestellt werden, um aussichtslose Verfahren kostengünstig zu beenden, notfalls auch gegen den Willen des Betroffenen.

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Stand: 21.12.2018
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