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Selbstverwaltung des Betreuten und die Pflicht des Betreuers zur Rechnungslegung

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 11 Minuten

Das Betreuungsrecht hat durch die umfassende Reform zum 1. Januar 2023 eine deutliche Neuausrichtung erfahren. Im Zentrum steht die Stärkung der Autonomie und der Wünsche der betreuten Person. Besonders deutlich werden die praktischen Auswirkungen im Aufgabenbereich der Vermögenssorge, speziell wenn die betreute Person ihre finanziellen Angelegenheiten weiterhin ganz oder teilweise selbstständig regeln kann und möchte. Dies führt unweigerlich zu der Frage, wie der Betreuer seiner gesetzlichen Pflicht zur Rechnungslegung nachkommen kann, wenn er über die betreffenden Vermögensteile gar keine Verfügungsgewalt besitzt.

Grundsatz: Unterstützung vor Vertretung

Die Neuregelung des § 1821 BGB bildet das Fundament der modernen Betreuungsführung und legt fest, dass der Betreuer den Betreuten dabei unterstützt, seine Angelegenheiten rechtlich selbst zu besorgen. Von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 BGB soll er nur Gebrauch machen, soweit dies erforderlich ist.

Im Rahmen der Vermögenssorge bedeutet dies, dass der betreuten Person im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Verwaltung des eigenen Geldes zu belassen ist. Der Betreuer hat die Aufgabe, den Betreuten hierbei zu unterstützen, sei es durch die Einrichtung von Konten, die gemeinsame Durchsicht von Unterlagen oder die Bereitstellung von Bargeld. Die komplette Übernahme der Finanzen durch den Betreuer stellt hingegen die Ausnahme dar, die nur bei entsprechender Erforderlichkeit zulässig ist.

Pflicht des Betreuers zur jährlichen Rechnungslegung

Wurde dem Betreuer der Aufgabenbereich der Vermögenssorge übertragen, unterliegt er der Aufsicht des Betreuungsgerichts und ist zur Rechnungslegung verpflichtet. Nach § 1865 BGB erfolgt die Rechnunglegung über die Vermögensverwaltung jährlich.

Diese Rechnung soll eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten und über den Ab- und Zugang des vom Betreuer verwalteten Vermögens Auskunft geben. Das Gericht kann zudem die Vorlage von Belegen verlangen.

Genau hier entsteht in der Praxis ein Problem. Wenn der Betreuer dem Grundsatz der Unterstützung folgt und der Betreute sein Girokonto oder ein sogenanntes Taschengeldkonto in einer Einrichtung selbstständig führt, hat der Betreuer naturgemäß keinen Einblick in die einzelnen Transaktionen und keine Verfügungsgewalt. Er kann folglich keine „geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben“ für dieses Vermögen vorlegen. Es stellt sich die Frage, wie der Betreuer seiner Pflicht aus § 1865 BGB genügen soll, ohne die Selbstverwaltung des Betreuten zu unterlaufen.

Die Betreuungsrechtsreform hat in § 1865 Abs. 3 BGB eine Regelung hierfür geschaffen. Verwaltet der Betreute im Rahmen des dem Betreuer übertragenen Aufgabenbereichs einen Teil seines Vermögens selbst, tritt an die Stelle der detaillierten Rechnungslegung eine Mitteilungspflicht. Der Betreuer hat dem Betreuungsgericht dies im Rahmen seines Berichts mitzuteilen.

Diese Mitteilung allein genügt jedoch nicht. Der Betreuer muss die Richtigkeit dieser Angabe – also die Tatsache, dass der Betreute diesen Teil selbst verwaltet hat – gegenüber dem Gericht nachweisen. Das Gesetz sieht hierfür zwei Wege vor.

Selbstverwaltungserklärung

Der erste Weg ist die Vorlage einer Erklärung des Betreuten selbst. Diese in der Praxis seit langem genutzte, nun aber gesetzlich verankerte „Selbstverwaltungserklärung“ ist eine unterzeichnete Bestätigung der betreuten Person. Darin erklärt sie, welche Vermögensteile (z.B. ein spezifisches Konto) sie im betreffenden Berichtszeitraum ausschließlich selbst verwaltet hat. Diese Erklärung dient dem Betreuer als Nachweis gegenüber dem Gericht, dass er das bezeichnete Vermögen gerade nicht verwaltet hat und deshalb darüber auch keine Einzelabrechnung vorlegen kann.

Eidesstattliche Versicherung des Betreuers

Probleme entstehen für den Betreuer dann, wenn eine solche Erklärung nicht beigebracht werden kann. Dies betrifft Fälle, in denen die betreute Person aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung (z.B. fortgeschrittene Demenz) die Bedeutung der Erklärung nicht mehr erfassen kann (fehlende Geschäfts- oder Einsichtsfähigkeit) aber auch die schlichte Weigerung die  Erklärung zu erteilen.

Für diese Fälle schafft § 1865 Abs. 3 Satz 5 BGB eine Lösung: Kann eine solche Erklärung des Betreuten nicht beigebracht werden, hat der Betreuer stattdessen die Richtigkeit seiner Mitteilung (dass der Betreute selbst verwaltet hat) an Eides statt zu versichern. Damit wird der Betreuer aus der Zwickmühle befreit, für Umstände geradestehen zu müssen, die außerhalb seiner Einflusssphäre liegen.

Besonders relevant ist diese Möglichkeit im Lichte der älteren Rechtsprechung zur Weigerung des Betreuten. Vor der Reform versuchten Gerichte bisweilen, Betreuer mittels Zwangsgeld (§ 1837 Abs. 3 BGB a.F.) zur Vorlage einer Selbstverwaltungserklärung zu zwingen.

Das Landgericht Konstanz (LG Konstanz, 04.05.2018 - Az: C 62 T 36/18) stellte jedoch klar, dass eine solche Zwangsgeldfestsetzung rechtswidrig ist, wenn der Betreute die Abgabe der Erklärung verweigert. Ein Betreuer kann nicht gezwungen werden, etwas rechtlich Unmögliches zu leisten, da er keine Befugnis hat, den Betreuten zur Unterschrift zu zwingen. Legt der Betreuer (wie im entschiedenen Fall) ein Schreiben vor, in dem der Betreute die Unterschrift verweigert, ist dem Betreuer die Pflichterfüllung unmöglich.

Durch die neue Rechtslage ist dieser Konflikt entschärft: Weigert sich der Betreute, unterschreibt der Betreuer die eidesstattliche Versicherung.

Auswirkungen auf die gerichtliche Aufsicht

Das Betreuungsgericht ist durch die Vorlage einer Selbstverwaltungserklärung oder einer eidesstattlichen Versicherung des Betreuers nicht gänzlich in seiner Aufsicht beschränkt. Bestehen weiterhin erhebliche Zweifel an der Selbstverwaltung, muss das Gericht dem im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nachgehen. Es kann jedoch nicht pauschal die Vorlage der Erklärung erzwingen, wenn der Betreuer darlegt, warum diese nicht beigebracht werden kann. Stattdessen müsste das Gericht eigene Ermittlungen anstellen, etwa durch eine persönliche Anhörung des Betreuten, um die wahren Verwaltungsmodalitäten zu klären.

Es reicht jedoch nicht aus, wenn der Betreuer lediglich mitteilt, er könne mangels Einwilligungsvorbehalt keine Auszüge übermitteln, ohne klar die Selbstverwaltung zu bestätigen. Der Betreuer muss aktiv darlegen, dass der Betreute selbst verwaltet, und dies entsprechend belegen (durch Erklärung) oder versichern (an Eides statt).

Frage der Erforderlichkeit des Aufgabenbereich Vermögenssorge

Die Debatte um die Selbstverwaltungserklärung wirft eine weitere grundsätzliche Frage auf, die bereits das Landgericht Göttingen (LG Göttingen, 25.06.2019 - Az: 5 T 114/19) in einer Entscheidung anklingen ließ: Wenn ein Betreuter über Jahre hinweg sein gesamtes Vermögen (oder wesentliche Teile davon) nachweislich vollkommen selbstständig und ohne Nachteile verwaltet, stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit der Betreuung im Aufgabenbereich Vermögenssorge überhaupt.

Schließlich setzt die Einrichtung dieses Aufgabenbereichs voraus, dass die begründete Besorgnis besteht, der Betreute könne ohne Betreuung einen Schaden erleiden oder notwendige Maßnahmen nicht veranlassen. Zeigt die Praxis über einen längeren Zeitraum, dass der Betreute seine Angelegenheiten beherrscht, entfällt möglicherweise die Grundlage für diesen Aufgabenbereich. In einem solchen Fall wäre es konsequent, die Aufhebung des Aufgabenbereichs der Vermögenssorge anzuregen, womit sich auch die Pflicht zur Rechnungslegung und die Problematik der Selbstverwaltungserklärung erledigen würden.
Stand: 30.10.2025
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