Erbstreitigkeiten vermeiden: Erstellen oder prüfen Sie ein ➠ Testament!Grundsätzlich kann der Erblasser in einem Testament frei bestimmen, wer, was, unter welchen Umständen aus seinem Vermögen erhalten soll. Da die Bestimmung eines Erben durch Testament der
gesetzlichen Erbfolge vorgeht, kann der Erblasser insbesondere abweichend von der gesetzlichen Erbfolge einen oder mehrere Erben einsetzen oder einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausschließen. Diese Möglichkeit, die Erbfolge individuell zu gestalten, wird als Testierfreiheit bezeichnet.
Weiterhin kann der Erblasser dem
Pflichtteilsberechtigten unter besonderen, im Gesetz abschließend aufgeführten Voraussetzungen das Pflichtteilsrecht entziehen. Solche Gründe liegen beispielsweise bei schweren Straftaten des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erblasser vor. Wichtig ist: Der Grund für die Entziehung muss bei der Errichtung des Testaments bestehen und im Testament angegeben werden.
Formfragen: Eigenhändig, lesbar und ernsthaft
Ein Testament kann auf unterschiedliche Weise errichtet werden. Die gängigsten Formen sind das notarielle Testament, bei dem ein Notar den Willen des Erblassers beurkundet, und das eigenhändige Testament.
Für das eigenhändige Testament nach § 2247 BGB gelten strenge Formvorschriften, die in der Praxis häufig zu Problemen führen. Es setzt voraus, dass der Erblasser eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung abgibt. Der gesamte Text muss vom Erblasser von Hand geschrieben werden. Ein am Computer getipptes und lediglich handschriftlich unterschriebenes Dokument ist
formunwirksam.
Ein solches, nur unterzeichnetes, aber nicht selbst geschriebenes Testament ist zwar zivilrechtlich ungültig, stellt aber nicht automatisch eine Urkundenfälschung im strafrechtlichen Sinne dar. Hat der Erblasser die Erklärung selbst unterzeichnet und sich den fremdgeschriebenen Text als eigene Erklärung zu eigen gemacht, liegt keine strafbare „unechte Urkunde“ vor (vgl. OLG Hamm, 12.07.2016 - Az:
10 U 83/15). Dies kann relevant werden, wenn es um die Frage der
Erbunwürdigkeit geht, die an strafrechtliche Tatbestände anknüpfen kann.
Ein weiteres, oft unterschätztes Formerfordernis ist die Lesbarkeit. Ein Testament muss entzifferbar sein, damit der darin erklärte Wille ermittelt werden kann. Das Oberlandesgericht Schleswig wies ein Schriftstück als unwirksames Testament zurück, das selbst mithilfe einer Schriftsachverständigen nicht vollständig entziffert werden konnte. Auch wenn einzelne Worte lesbar waren und einen Bezug zu einer potenziellen Erbin herstellten, blieb der Kerninhalt – etwa was genau vermacht werden sollte – unklar. Aufgrund dieser Unleserlichkeit war das Dokument bereits formunwirksam, sodass weitere Fragen, etwa zur
Testierfähigkeit der Erblasserin, nicht mehr geklärt werden mussten (OLG Schleswig, 16.07.2015 - Az:
3 Wx 19/15).
Ungewöhnliche Testamente: Bierdeckel, Kneipenblock und Zettelwirtschaft
Ein Testament muss nicht zwingend auf einem sauberen Blatt Papier verfasst werden. Die Rechtsprechung hat sich wiederholt mit letzten Willen auf ungewöhnlichen Unterlagen befasst. Entscheidend ist nicht das Material, sondern der nachweisbare Testierwille.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte über einen Zettel von einem Kneipenblock zu entscheiden, der hinter einer Theke gefunden wurde. Darauf stand lediglich unter Angabe von Datum und Unterschrift ein Spitzname sowie „bekommt alles“. Während die erste Instanz den Testierwillen verneinte, sah das OLG Oldenburg dies anders. Aufgrund von Zeugenangaben stand für den Senat fest, dass der Erblasser mit dem Spitznamen seine Partnerin meinte und mit der Notiz verbindlich seinen Nachlass regeln wollte. Die ungewöhnliche Unterlage und die Lagerung hinter dem Tresen – was offenbar einer Eigenart des Erblassers entsprach – standen der Einordnung als wirksames Testament nicht entgegen (OLG Oldenburg, 20.12.2023 - Az:
3 W 96/23).
Zweifel am Vorliegen eines ernstlichen Testierwillens können sich jedoch ergeben, wenn ein vermeintliches Testament auf einem ausgeschnittenen Stück Papier oder einem gefalteten Bogen Pergamentpapier errichtet wurde (vgl. OLG Hamm, 27.11.2015 - Az:
10 W 153/15). Auch die Aufbewahrung an einem ungewöhnlichen Ort kann solche Zweifel nähren.
Ebenso kann ein Testament mit anderen Inhalten vermischt sein. Eine handschriftliche Erklärung, die zugleich eine Quittung oder die Bestätigung eines Darlehens enthält, kann dennoch eine wirksame Verfügung von Todes wegen sein (vgl. OLG München, 09.10.2025 - Az:
33 Wx 44/25 e). Enthält das Schriftstück eine eigenhändige Unterschrift und Formulierungen, die klar auf den Todesfall abstellen (z.B. „im Falle des Todes“ oder „als Erbin“), ist der Testierwille in der Regel gegeben und die Vermischung rechtlich unschädlich.
Testamentsauslegung: Was war wirklich gewollt?
Selbst wenn ein Testament formgültig ist, führt der Inhalt häufig zu Streit. Bei der Testamentsauslegung gilt stets der Grundsatz, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Gerichte müssen klären, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte.
Dabei sind neben dem Text der Verfügung alle zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzuziehen, wie die Vermögens- und Familienverhältnisse des Erblassers oder seine Beziehungen zu den Bedachten (vgl. OLG Stuttgart, 23.11.2020 - Az:
8 W 359/20). Dieser durch Auslegung ermittelte Wille muss jedoch in der Urkunde einen – wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen – Ausdruck gefunden haben.
Ein klassischer Auslegungsfall sind Testamente, die unter dem Eindruck eines bestimmten Ereignisses verfasst werden. Eine Formulierung wie „Für den Fall, das ich heute … tödlich verunglücke, …“ bedarf der genauen Prüfung (vgl. KG, 24.04.2018 - Az:
6 W 10/18). Es muss erforscht werden, ob der Erblasser die Gültigkeit des Testaments tatsächlich an die Bedingung seines Todes am selben Tag knüpfen wollte (echte Bedingung) oder ob dies lediglich der Anlass oder Beweggrund für die Errichtung war. Lässt der Inhalt der Anordnungen keinen direkten Zusammenhang mit der Todesart erkennen, ist meist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt. Hat der Erblasser das Testament nach dem Nichteintritt des Ereignisses nicht widerrufen, spricht dies stark dafür, dass es sich nur um die Mitteilung eines Motivs handelte.
„Pflegeklausel“: Warum „Wer mich pflegt“ als Erbe nicht eingesetzt werden kann
Besonders problematisch und häufig Anlass für Gerichtsverfahren sind unbestimmte Erbeinsetzungen. Ein Testament, dessen Wortlaut so vage ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss, ist nichtig.
Dies betrifft insbesondere die weitverbreitete Formulierung, es solle diejenige Person Erbe werden, die den Erblasser „bis zu meinem Tod pflegt und betreut“. Das Oberlandesgericht München hat eine solche Klausel als unwirksam erachtet. Der Erblasser muss die Person des Bedachten selbst bestimmen und darf dies nicht einem Dritten – oder dem Zufall – überlassen (§ 2065 BGB). Zwar darf das Gericht den Willen auslegen, doch wenn die Kriterien zur Identifizierung des Erben unklar bleiben, ist die Verfügung nichtig (OLG München, 25.09.2023 - Az:
33 Wx 38/23e).
Im Fall des OLG München konnte nicht geklärt werden, was die Erblasserin genau meinte. Dies betraf zum einen den zeitlichen Aspekt von „bis zu meinem Tod“: Galt dies ab Testamentserrichtung? Musste die Pflege ununterbrochen erfolgen? Was, wenn mehrere Personen pflegten? Zum anderen blieb der Inhalt von „pflegt und betreut“ unklar: War körperliche Pflege, seelische Stütze oder die Erledigung finanzieller Angelegenheiten gemeint?
Auch der Zusatz „Zurzeit ist es: Frau ...“ half nicht. Das Gericht sah darin lediglich eine beispielhafte Nennung, die durch die Verwendung des Wortes „derzeit“ gerade keine endgültige Erbeinsetzung darstellte. Da sich der Erblasserwille nicht ermitteln ließ, war die Erbeinsetzung unwirksam, und es trat die gesetzliche Erbfolge ein.
Spezielle Anordnungen: Von Ersatzerben bis zur Teilung
Der Erblasser kann auch Ersatzerben bestimmen. Dies sind Erben, die für den Fall zum Erben eingesetzt werden, dass ein anderer Erbe vor Eintritt des Erbfalls wegfällt, beispielsweise durch Vorversterben,
Erbverzicht oder Ausschlagung.
Komplexer ist die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. Hierbei wird der Nacherbe erst dann Erbe, wenn zuvor ein anderer (der Vorerbe) Erbe des Erblassers geworden ist. Zum Schutz des Nacherben darf der Vorerbe nicht uneingeschränkt über die Nachlassgegenstände verfügen. So darf er grundsätzlich zum Nachlass gehörende Grundstücke nicht veräußern oder belasten. Der Erblasser kann den Vorerben im Testament jedoch von bestimmten Beschränkungen befreien.
Der Erblasser kann weiterhin im Testament
Vermächtnisse aussetzen. Hierdurch werden aus dem Nachlass bestimmte Vermögenswerte, wie einzelne Gegenstände oder Geldbeträge, einer Person zugewendet, ohne dass diese dadurch zum Erben wird. Der Vermächtnisnehmer hat lediglich einen Anspruch gegen den Erben.
Sind mehrere Erben vorhanden (Erbengemeinschaft), kann der Erblasser anordnen, wie der Nachlass geteilt werden soll (Teilungsanordnung), oder dass die Teilung des Nachlasses für eine gewisse Zeit ausgeschlossen sein soll.
Weiterhin kann der Erblasser einen
Testamentsvollstrecker ernennen, der die testamentarischen Anordnungen ausführt. Die Testamentsvollstreckung kann dabei unterschiedlich ausgestaltet sein. Der Erblasser kann sie auf bestimmte Gegenstände beschränken oder auch nur eine beaufsichtigende Testamentsvollstreckung anordnen (vgl. OLG Köln, 03.04.2017 - Az:
2 Wx 72/17). Wenn der Testamentsvollstrecker lediglich die „Überwachung“ der Anordnungen zur Aufgabe hat, ohne selbst Verwaltungs- oder Verfügungsbefugnisse zu besitzen, beschränkt dies die Erben nicht. Eine solche beaufsichtigende Vollstreckung wird daher auch nicht im Erbschein als Beschränkung vermerkt.
Enterbung: Gezielter Ausschluss von Verwandten
Ein Erblasser kann durch ein sogenanntes Negativtestament Verwandte teilweise oder vollständig von der gesetzlichen Erbfolge
ausschließen, auch ohne gleichzeitig eine positive Anordnung über die Erbfolge zu treffen (§ 1938 BGB).
Der Kreis der Ausgeschlossenen muss durch Auslegung ermittelt werden. Gerichte sind jedoch zurückhaltend mit der Feststellung, ein Erblasser habe alle Verwandten enterben wollen. Es besteht ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Erblasser das Erbrecht eines entfernten Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus (Staates) vorziehen wird (vgl. OLG Stuttgart, 23.11.2020 - Az:
8 W 359/20). Der Wille zu einem derart umfassenden Ausschluss des gesamten Verwandtenerbrechts muss daher in der letztwilligen Verfügung deutlich feststellbar sein und darf nicht vorschnell angenommen werden.