Ein
Betreuungsverfahren kann bei Betroffenen schnell zu einem Gefühl der Ohnmacht führen, wenn es nicht selbst initiiert worden ist. Die Furcht, kein selbstbestimmtes Leben mehr führen zu können ist groß. Doch darum geht es bei einer Betreuung nicht – der Betroffene soll nicht entmündigt und bevormundet werden. Im Gegenteil geht es darum, dem Betroffenen die notwendigen Hilfen zur Seite zu stellen. Darum ist eine Betreuung gegen den Willen des volljährigen Betroffenen ohnehin ausgeschlossen. Auch im Betreuungsverfahren hat der Betroffene umfassende Möglichkeiten.
Amtsermittlungspflicht im Betreuungsverfahren
Grundsätzlich gilt im Betreuungsverfahren die Amtsermittlungspflicht, daher ist der Richter dazu verpflichtet, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die notwendigen Beweise zu erheben (vgl. BGH, 16.05.2012 – Az:
XII ZB 584/11). Der Umfang ist je nach Sachlage anzupassen. Es müssen also nicht nur von den Parteien vorgetragene Tatsachen berücksichtigt werden.
Wurde der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt unzureichend oder mit Verfahrensfehlern festgestellt, so ist die Entscheidung bei Rechtsbeschwerde aufzuheben und zurückzuverweisen.
Antrags- und Beschwerderecht des Betroffenen
Der Betroffene ist ohne Rücksicht auf seine
Geschäftsfähigkeit in eigenen Betreuungsangelegenheiten verfahrensfähig (
§ 275 FamFG), das heißt, er kann selbst alle Anträge stellen, die er für richtig hält oder Akteneinsicht beantragen. Er ist insbesondere berechtigt, gegen alle ihn belastenden Entscheidungen des
Betreuungsgerichts Beschwerde einzulegen. Dieses Recht steht zudem auch noch dem Ehe- oder Lebenspartner sowie Verwandten in gerader Linie und in der Seitenlinie bis zum dritten Grad zu.
Wurde ein
Verfahrenspfleger bestellt, ändert dies an der Verfahrensfähigkeit des Betroffenen nichts.
Rechtsanwalt oder Verfahrensbevollmächtigter kann beauftragt werden
Der Betroffene kann ebenfalls einen Anwalt oder einen sonstigen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob er noch über einen „natürlichen Willen“ verfügt (OLG Schleswig, 07.11.2006 - Az:
2 W 162/06; BGH, 30.10.2013 - Az:
XII ZB 317/13).
Aus § 275 FamFG folgt, dass der Betroffene in Betreuungssachen einen Rechtsanwalt auch dann wirksam mit der anwaltlichen Vertretung beauftragen kann (§ 675 BGB), wenn nach materiellem Recht der Anwaltsvertrag wegen Fehlens der Geschäftsfähigkeit oder Anordnung eines
Einwilligungsvorbehalts nicht wirksam geschlossen werden könnte (OLG Koblenz, 13.02.2014 - Az:
6 U 747/13).
Vertrauensperson darf sich äußern!
Der Betroffene darf eine Person seines Vertrauens benennen, der das Betreuungsgericht Gelegenheit geben muss, sich zu äußern. Als Person des Vertrauens im Sinne von
§ 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG kommen ausschließlich natürliche Personen in Betracht (BGH, 20.12.2017 - Az: XII ZB 426/17).
Wird die Beteiligung abgelehnt, ist hiergegen binnen zwei Wochen die sofortige Beschwerde zulässig.
Einsicht in die Betreuungsakten ist zu gewähren!
Dem Betroffenen bzw. einem nichtanwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich Einsicht in die Betreuungsakten auf der Geschäftsstelle und die Fertigung von Kopien zu gestatten (OLG München, 20.07.2006 - Az:
33 Wx 151/06).
Auf Seiten des Betroffenen ist insbesondere dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht zu beachten, das als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist (LG Saarbrücken, 09.12.2008 - Az:
5 T 502/08).
Betroffener ist anzuhören!
In fast allen Fällen ist der Betroffene vor einer Entscheidung über die Betreuerbestellung vom Betreuungsgericht persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck des Betroffenen zu verschaffen.
Kann sich gegen einen Betreuungsbeschluss gewehrt werden?
Kommt es zu einem Betreuungsbeschluss, so kann gegen diesen binnen eines Monats Beschwerde eingelegt werden. Über die Beschwerde entscheidet das Landgericht. Gegen dessen Beschluss kann ggf. die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt werden.
Die Beschwerde kann vom
Betreuten und seinem Verfahrenspfleger sowie von Angehörigen oder Behörden erhoben werden.
Für eine Beschwerde besteht Anwaltszwang.
In
Unterbringungssachen besteht die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde mit einer Beschwerdefrist von zwei Wochen.
Eine solche Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird und kann von demjenigen, der in seinen Rechten verletzt worden ist, oder seinem Verfahrenspfleger eingelegt werden. Darüber hinaus steht das Beschwerderecht im Verfahren beteiligten Ehegatten oder Lebenspartner des Betreuten (sofern nicht dauernd getrennt lebend), Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie einer Person seines Vertrauens zu.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist möglich, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde in seinem Beschluss zugelassen hat sowie ohne ausdrückliche Zulassung dann, wenn durch die Ausgangsentscheidung ein Betreuer bestellt wurde, eine Betreuung aufgehoben wurde, eines Einwilligungsvorbehalts angeordnet oder aufgehoben wurde. Die Rechtsbeschwerde ist weiterhin in Unterbringungssachen sowie in Freiheitsentziehungssachen möglich.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einem Monat nach Bekanntgabe des Beschlusses durch das Beschwerdegericht durch einen Anwalt einzulegen.
Welche Rolle spielen Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung?
Bereits im Vorfeld kann einer Betreuung entgegengewirkt bzw. diese wunschgemäß für den Fall der Fälle ausgestaltet werden, wenn eine
Vorsorgevollmacht und eine
Betreuungsverfügung genutzt werden. Die Betreuungsverfügung setzt eine bestimmte Person als Betreuer ein und regelt ggf. auch dessen Kompetenzen. Wir dagegen eine Person aufgrund einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt, so regelt diese Person erforderlichenfalls die rechtlichen Angelegenheiten und es muss i.d.R. gar kein Betreuungsverfahren erfolgen.