Was ist eine Patientenverfügung?
Nach der Definition des Bundesgerichtshofes versteht man unter einer Patientenverfügung die individuelle Willensäußerung eines Menschen zu seiner künftigen
medizinischen Behandlung im Falle seiner eigenen künftigen Äußerungsunfähigkeit.
Konkret handelt es sich nach
§ 1827 BGB um die schriftliche Festlegung einer volljährigen Person dahingehend, ob in bestimmte, zu diesem Zeitpunkt noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe eingewilligt wird oder ob diese untersagt werden sollen.
Die Patientenverfügung legt also im Voraus fest, ob und wie der Verfügende später ärztlich behandelt werden will, wenn er seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann.
Welche Regeln gelten für eine Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung ist gesetzlich in § 1827 BGB gesetzlich geregelt. Für die Patientenverfügung ist die Schriftform vorgeschrieben, sie muss also nicht handschriftlich verfasst werden. Die eigenhändige Unterschrift oder ein öffentlich beglaubigtes Handzeichen sind für die Wirksamkeit ausreichend.
Eine Beglaubigung oder Beurkundung ist für die Wirksamkeit nicht erforderlich.
Patientenverfügungen sind freiwillig. Niemand kann zur Errichtung verpflichtet werden. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
Der
Betreuer soll den
Betreuten in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen.
Aufbewahrung und Registrierung
Damit die Patientenverfügung im Ernstfall schnell auffindbar ist und ihre Wirksamkeit entfalten kann, ist eine sichere und zugängliche Aufbewahrung entscheidend.
Die Original-Patientenverfügung sollte an einem gut zugänglichen und bekannten Ort aufbewahrt werden. Angehörige oder Vertrauenspersonen sollten über den Aufbewahrungsort informiert sein. Diesen kann auch eine Kopie der Patientenverfügung übergeben werden.
Eine Patientenverfügung kann zudem im Zentralen Vorsorgeregister (
www.vorsorgeregister.de) der Bundesnotarkammer registriert werden. Dies ermöglicht es Ärzten und Betreuern, im Bedarfsfall schnell darauf zuzugreifen. Seit dem 1. Januar 2023 kann eine Patientenverfügung auch unabhängig von einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung im Zentralen Vorsorgeregister registriert werden.
Es empfiehlt sich auch, eine Notfallkarte im Portemonnaie zu tragen, die auf die Existenz einer Patientenverfügung hinweist und den Aufbewahrungsort oder die Kontaktdaten einer Vertrauensperson enthält.
Umgang mit einer Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können (vgl. BGH, 06.07.2016 - Az:
XII ZB 61/16; BGH, 08.02.2017 - Az:
XII ZB 604/15; BGH, 14.11.2018 - Az:
XII ZB 107/18).
Die schriftliche Äußerung, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.
Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.
Betreuer, Bevollmächtigte,
vertretungsberechtigte Ehegatten und Ärzte sind also dann im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen an seine schriftlichen Erklärungen in der Patientenverfügung gebunden, wenn der Wille für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann.
Seitens des Betreuers oder Bevollmächtigten muss geprüft werden, ob die Festlegungen noch der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation des Verfassers entsprechen.
Liegt eine bindende Verfügung vor, ist eine Einwilligung des Betreuers bzw. Bevollmächtigten in die Maßnahme, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfallen würde, nicht erforderlich.
Der Betreuer bzw. Bevollmächtigte hat dann dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
Bei Zweifeln an der Bindungswirkung muss das Betreuungsgericht klären, ob eine gerichtliche Genehmigung erforderlich ist.
Wenn keine Patientenverfügung vorliegt oder zur Anwendung kommt
Liegt keine Patientenverfügung vor, wird die konkrete Situation nicht erfasst oder entsprechen die Festlegungen in der Verfügung nicht mehr der aktuellen Situation des Verfügenden, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den ärztlichen Eingriff einwilligt.
Hierzu hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme einwilligt oder sie untersagt.
Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. Auf die Maßstäbe des Entscheidenden kommt es dagegen nicht an.
Die Entscheidung über die Durchführung einer ärztlichen Maßnahme wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prüft, was medizinisch indiziert ist, und erörtert die Maßnahme mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten.
In die Entscheidung sind, sofern dies ohne zeitliche Verzögerung möglich ist, Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Verfassers einzubeziehen. Ein Mitentscheidungsrecht haben diese jedoch nicht.
Sind sich Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigter über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Betreuungsgerichts (
§ 1829 Abs. 4 BGB). Ansonsten erfordert die Einwilligung in Maßnahmen zur Lebenserhaltung, deren Unterlassung oder Abbruch die Genehmigung des
Betreuungsgerichtes, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger anhaltenden Schaden erleidet. Das Gericht muss die Genehmigung erteilen, wenn dies dem Willen des Betreuten entspricht.
Was gilt bei Notfällen?
In Notfallsituationen kann der Patientenwille oft nicht sofort ermittelt werden, sodass Reanimationsmaßnahmen häufig ohne weitere Prüfung durchgeführt werden.
Dem kann zwar mit einem sogenannten Notfallbogen entgegengewirkt werden, da so auf einen Blick erkennbar ist, ob in einer lebensbedrohlichen Notlage bei Einwilligungsunfähigkeit Wiederbelebungsmaßnahmen o.a. gewünscht wird. Dieser Notfallbogen gilt für jegliche lebensgefährliche Notlage, sodass keine weiteren bestimmten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die sich in der Regel bei einem Notfall nicht oder nicht ausreichend feststellen lassen würden.
Sofern lebenserhaltende Maßnahmen gegen den ausdrücklich festgehaltenen Willen vorgenommen wurden, so kann der Betreuer – oder der wieder einwilligungsfähige Patient – den Abbruch bzw. die Einstellung dieser Maßnahmen verlangen.
Mustervorlagen
Patientenverfügung (knappe Fassung)Patientenverfügung (umfassende Fassung)Vorsorgevollmacht