Nach einem Suizidversuch kann sich die Frage stellen, ob eine freiheitsentziehende
Unterbringung der betroffenen Person zur Vermeidung der Selbstgefährdung rechtlich zulässig ist.
Grundlage für eine Unterbringung ist regelmäßig der Schutz vor erheblicher Selbstgefährdung. Ein Suizidversuch gilt als deutliches Anzeichen dafür, dass eine akute Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person besteht. Diese Gefahrenlage kann eine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. Aber die Unterbringung gegen den Willen der betroffenen Person stellt einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Daher ist ein solcher Eingriff nur dann gerechtfertigt, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für Leib oder Leben besteht und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.
Gesetzliche Grundlagen der Unterbringung
Je nach Konstellation kommen unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Anwendung. Maßgeblich sind das Betreuungsrecht (§§
1831,
1832 BGB) und die jeweiligen landesrechtlichen Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG). Beide Regelungsbereiche ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen die zwangsweise Unterbringung einer Person, die sich in einem psychischen Ausnahmezustand befindet und einen Suizidversuch unternommen hat.
Nach § 1831 BGB kann eine
betreute Person untergebracht werden, wenn sie krankheitsbedingt eine erhebliche Selbstgefährdung darstellt und die Unterbringung zum Wohl der betroffenen Person erforderlich ist. Voraussetzung ist, dass die Unterbringung erforderlich ist und eine Genehmigung durch das
Betreuungsgericht vorliegt. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist - die Genehmigung ist in diesem Fall unverzüglich nachzuholen.
Unabhängig davon können nach den PsychKG der Länder auch nicht betreute Personen zwangsweise untergebracht werden, wenn durch eine psychische Erkrankung eine akute Selbstgefährdung vorliegt. Zuständig sind hier die Ordnungsbehörden oder die örtlich zuständige Unterbringungsbehörde. Auch diese Maßnahmen bedürfen in der Regel einer gerichtlichen Anordnung, es sei denn, es handelt sich um einen akuten Notfall. Weiterhin setzen die entsprechenden Vorschriften ebenfalls voraus, dass die freie Willensbestimmung des Betroffenen aufgehoben ist (vgl. BGH, 12.05.2021 - Az:
XII ZB 505/20).
Welche Anforderungen werden an die Gefahrenprognose gestellt?
Ein zurückliegender Suizidversuch allein reicht für eine dauerhafte Unterbringung nicht aus. Entscheidend ist, ob nach fachärztlicher Einschätzung weiterhin eine akute Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Dies gilt auch für die (weitere) zivilrechtliche Unterbringung bei einer bereits länger andauernden Unterbringung (vgl. BGH, 16.11.2022 - Az:
XII ZB 184/22). Erforderlich ist dabei immer eine sorgfältige Prüfung der Umstände im Einzelfall.
Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob die Person weiterhin suizidal ist oder der Versuch ein einmaliger, inzwischen abgeschlossener Zustand war. Bestehen objektive Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr, etwa durch wiederholte Suizidankündigungen oder fortbestehende depressive Symptomatik, kann die Unterbringung gerechtfertigt sein.
Die Gefahr muss dabei gegenwärtig und erheblich sein. Eine bloße Möglichkeit zukünftiger Gefährdung genügt nicht. Es ist daher eine ärztliche Einschätzung erforderlich, die sich nicht nur auf die Diagnose, sondern auf das konkrete Gefährdungspotenzial im Einzelfall stützt.
Eine tragfähige Entscheidung über eine Unterbringung setzt in der Regel eine aktuelle psychiatrische oder psychologische Begutachtung voraus. Diese Einschätzung bildet die Grundlage für gerichtliche Entscheidungen und behördliche Maßnahmen. Die Diagnose allein genügt dabei nicht. Es kommt entscheidend auf die Bewertung der akuten Eigengefährdungslage an.
Die ärztliche Stellungnahme muss nachvollziehbar darlegen, welche Umstände eine akute Gefahr für das Leben oder die Gesundheit begründen und inwiefern diese nur durch eine geschlossene Unterbringung abgewendet werden kann. Dabei sind auch etwaige Alternativen zu prüfen, etwa eine offene stationäre Behandlung oder intensive ambulante Betreuung.
Unterbringung im Rahmen einer Betreuung
Liegt eine rechtliche
Betreuung mit dem
Aufgabenbereichen „
Aufenthaltsbestimmung“ und „
Gesundheitssorge“ vor, so kann eine Unterbringung auf Grundlage von § 1831 BGB erfolgen. Voraussetzung ist weiterhin die Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Diese darf nur erteilt werden, wenn die freie Willensbestimmung der betroffenen Person aufgrund der psychischen Erkrankung ausgeschlossen ist.
Die bloße Ablehnung einer Behandlung oder eines Aufenthalts in einer Klinik reicht nicht aus. Vielmehr muss die betroffene Person krankheitsbedingt außerstande sein, die Tragweite ihrer Entscheidung zu erfassen oder danach zu handeln. In der Praxis ist daher eine genaue Prüfung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erforderlich.
Einwilligungsunfähigkeit ist nicht pauschal mit einer psychiatrischen Diagnose gleichzusetzen. Vielmehr muss konkret festgestellt werden, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist, eine Entscheidung über die Behandlung oder Unterbringung auf einer rationalen Grundlage zu treffen.
Polizeiliche Unterbringung ist im Notfall möglich!
Kommt es zu einem akuten Suizidversuch, greifen häufig sofortige Maßnahmen der Polizei oder des Rettungsdienstes. In solchen Fällen kann nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder eine vorläufige Unterbringung angeordnet werden, wenn eine dringende und gegenwärtige Eigengefährdung vorliegt.
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