Die Aufenthaltserlaubnis ist ein zentraler Baustein des deutschen Aufenthaltsrechts und für viele ausländische Staatsangehörige der Schlüssel zu einem legalen und befristeten Aufenthalt in der Bundesrepublik. Geregelt ist sie im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und wird, anders als ein Visum für kurzfristige Aufenthalte oder die unbefristete Niederlassungserlaubnis, stets für einen bestimmten Zweck und zeitlich begrenzt erteilt. Die Erteilung ist an eine Vielzahl von allgemeinen und besonderen Voraussetzungen geknüpft, deren Nichterfüllung in der Regel zur Ablehnung des Antrags führt. Die Komplexität des Gesetzes und die stetige Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung machen eine genaue Betrachtung der maßgeblichen Kriterien unerlässlich.
Welche allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gelten?
Unabhängig vom konkreten Aufenthaltszweck stellt das Gesetz in § 5 AufenthG eine Reihe von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen auf, die grundsätzlich immer erfüllt sein müssen. Fehlt auch nur eine dieser Grundlagen, ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel ausgeschlossen, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor.
Eine der wichtigsten Hürden ist die Sicherung des Lebensunterhalts. Ein Ausländer muss in der Lage sein, seine Kosten für Wohnraum, Nahrung und sonstige Bedürfnisse einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (§ 2 Abs. 3 AufenthG). Ob der Lebensunterhalt als gesichert gilt, wird von der Ausländerbehörde anhand einer Prognoseentscheidung beurteilt, bei der das Einkommen, Vermögen und die regelmäßigen Ausgaben berücksichtigt werden. Dass ein EU-Mitgliedstaat wie Italien über ein umfassendes Gesundheitssystem verfügt, kann dabei im Einzelfall relevant sein, denn der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn der Ausländer ihn - einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes - ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (VG München, 26.07.2021 - Az:
M 25 S 21.2472).
Des Weiteren muss die Identität des Ausländers geklärt und nachgewiesen sein. Dies erfolgt in der Regel durch die Vorlage eines gültigen Reisepasses oder Passersatzes. Damit verbunden ist auch die Erfüllung der Passpflicht (§ 3 AufenthG).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen darf (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Ein Ausweisungsinteresse besteht insbesondere bei der Begehung von Straftaten. Liegt ein solches Interesse vor, steht dies der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis fundamental entgegen. Nur in einem atypischen Ausnahmefall, in dem besondere Umstände das Gewicht des Ausweisungsgrundes neutralisieren, kann davon abgewichen werden. Eine langjährige Aufenthaltsdauer oder eine gute wirtschaftliche Integration reichen hierfür allein nicht aus, um eine Atypik zu begründen. Auch strafrechtliche Verfehlungen wie Urkundenfälschung oder die Vorlage eines gefälschten Sprachzertifikats stehen einer positiven Integrationsprognose entgegen und verstärken das Ausweisungsinteresse (VGH Bayern, 16.06.2025 - Az:
19 ZB 25.836).
Schließlich darf der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem anderen Grund die Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen oder gefährden.
Zweckbindung: Kein Aufenthalt ohne Grund
Die Aufenthaltserlaubnis wird nie allgemein, sondern immer für einen spezifischen, im Gesetz vorgesehenen Zweck erteilt. Die häufigsten Gründe sind die Ausbildung, die Erwerbstätigkeit, der Familiennachzug sowie völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe.
1. Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung und des Studiums
Eine Aufenthaltserlaubnis kann zum Zweck des Studiums, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Schulbesuchs erteilt werden. Antragsteller müssen in der Regel die Zulassung zu einer Bildungseinrichtung nachweisen und belegen, dass ihr Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthalts gesichert ist.
Allerdings unterliegt die Antragstellung dem allgemeinen Missbrauchsverbot des Unionsrechts. Stellt eine Behörde im Rahmen einer Einzelfallprüfung fest, dass ein Antrag auf ein Studierendenvisum missbräuchlich gestellt wird, weil der Antragsteller gar nicht die Absicht hat zu studieren, sondern der Antrag nur als Vorwand für andere Zwecke dient, kann dieser abgelehnt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Mitgliedstaat die entsprechende Richtlinienvorschrift nicht explizit in nationales Recht umgesetzt hat. Offensichtliche Unstimmigkeiten im geplanten Studienvorhaben können ein Indiz für einen solchen Missbrauch sein (EuGH, 29.07.2024 - Az:
C-14/23).
2. Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit
Die Zuwanderung zur Aufnahme einer Beschäftigung orientiert sich stark am Bedarf des deutschen Arbeitsmarktes. Fachkräfte mit anerkannter Qualifikation haben erleichterten Zugang. Für eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 21 AufenthG müssen besondere Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis an der geplanten Geschäftstätigkeit bestehen, die Tätigkeit muss positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lassen und die Finanzierung muss gesichert sein. Hat ein Unternehmenskonzept von vornherein keine realistische Aussicht, sich am Markt zu etablieren, und ist eine Insolvenz absehbar, sind positive Auswirkungen nicht zu erwarten und eine Erteilung scheidet aus. Für den späteren Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts ist eine dreijährige Bewährungsphase vorgesehen, in der der Selbstständige den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens unter Beweis stellen muss (VG Würzburg, 01.12.2022 - Az:
W 7 S 22.1368).
Für türkische Staatsangehörige können sich aus dem Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Türkei besondere Rechte ergeben. Die darin enthaltenen Stillhalteklauseln verbieten die Einführung neuer Hindernisse für die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit. Bei der rechtlichen Prüfung ist daher auf die jeweils günstigste Rechtslage abzustellen, die seit Inkrafttreten der Klausel galt (VG Würzburg, 17.06.2024 - Az:
W 7 K 22.47).
3. Aufenthalt aus familiären Gründen
Der Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 des Grundgesetzes (GG) und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat im Aufenthaltsrecht ein hohes Gewicht. Die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug wird zum Schutz der familiären Lebensgemeinschaft erteilt.
Ein zentraler Anwendungsfall ist der Nachzug zum deutschen Ehegatten oder minderjährigen Kind. Auch dem nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteil eines minderjährigen Deutschen kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft bereits im Bundesgebiet gelebt wird (§ 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Dies setzt keinen gemeinsamen Haushalt voraus, erfordert aber eine tatsächlich gelebte Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft, die über bloße Unterhaltszahlungen oder gelegentliche Kontakte hinausgeht. Bei der Entscheidung ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und zu prüfen, ob eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind für sein
Wohl angewiesen ist. Die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, drängt einwanderungspolitische Belange in diesen Fällen regelmäßig zurück, selbst wenn der Ausländer zuvor gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Gerade bei sehr kleinen Kindern wiegt eine Trennung besonders schwer, da diese sie als endgültigen Verlust erfahren können (VGH Bayern, 25.01.2024 - Az:
19 ZB 23.1946; VG Ansbach, 21.02.2025 - Az:
AN 11 S 24.2336).
Scheitert die Ehe, kann sich für den nachgezogenen Ehegatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ergeben. Hat die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens drei Jahre rechtmäßig in Deutschland bestanden, wird die Aufenthaltserlaubnis nach der
Trennung für ein Jahr als eigenständiges Recht verlängert (§ 31 AufenthG). Diese erstmalige Verlängerung ist privilegiert und wird auch bei Bezug von Sozialleistungen gewährt, um dem Betroffenen die Chance zu geben, sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Für jede weitere Verlängerung danach müssen jedoch wieder die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, insbesondere die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts, erfüllt sein (VG Ansbach, 06.03.2025 - Az:
AN 11 S 24.2717).
Eine besondere Konstellation ergibt sich, wenn ein Ausländer, der sich mit einer Duldung in Deutschland aufhält, hier die Ehe schließt. Die visumsfreie Einreise zur Eheschließung ist in § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV privilegiert. Diese Vorschrift ist jedoch eng auszulegen. Sie begünstigt nur Personen, die sich bereits aus anderen Gründen mit einer Duldung im Bundesgebiet aufhalten und dann die Ehe schließen. Sie findet keine Anwendung, wenn die Duldung allein zu dem Zweck erteilt wurde, die Eheschließung zu ermöglichen (VGH Bayern, 23.11.2023 - Az:
10 ZB 22.2547).
4. Aufenthalt aus humanitären Gründen und das Chancen-Aufenthaltsrecht
Eine Aufenthaltserlaubnis kann auch aus völkerrechtlichen, dringenden humanitären oder persönlichen Gründen erteilt werden. Eine besondere Regelung in diesem Bereich ist das sogenannte
Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG. Es soll gut integrierten, langjährig geduldeten Ausländern die Möglichkeit geben, innerhalb von 18 Monaten die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach § 25a oder § 25b AufenthG zu erfüllen.
Die Erteilung ist jedoch an strikte Voraussetzungen und Ausschlussgründe geknüpft. Wer wegen bestimmter Straftaten zu mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurde, ist zwingend ausgeschlossen. Zudem kann die Erlaubnis versagt werden, wenn von vornherein feststeht, dass der Übergang in ein Bleiberecht nach 18 Monaten unmöglich ist. Dies kann beispielsweise einen sehr jungen Minderjährigen betreffen, bei dem ausgeschlossen ist, dass er innerhalb der Frist die erforderlichen Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen kann (VG Würzburg, 10.09.2024 - Az:
W 7 K 23.1478).
Eine zentrale Voraussetzung für das Chancen-Aufenthaltsrecht ist das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dieses darf kein bloßes Lippenbekenntnis sein. Stellt sich nachträglich heraus, dass der Antragsteller eine diesem Bekenntnis entgegenstehende Gesinnung hat, kann die erteilte Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen werden. Dies wurde in einem Fall bejaht, in dem eine Antragstellerin in ihrem WhatsApp-Status antisemitische und den Nationalsozialismus verharmlosende Bilder, unter anderem von Adolf Hitler, veröffentlichte. Das Gericht sah darin einen klaren Beleg, dass ihr schriftliches Bekenntnis inhaltlich unzutreffend war (VG Münster, 12.06.2024 - Az:
8 L 284/24).
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
Da die Aufenthaltserlaubnis immer befristet ist, muss rechtzeitig vor Ablauf ihre Verlängerung beantragt werden. Bei der Entscheidung über die Verlängerung prüft die Ausländerbehörde erneut, ob die ursprünglichen und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen. Insbesondere wird geprüft, ob der Aufenthaltszweck fortbesteht und ob zwischenzeitlich Ausweisungsgründe entstanden sind. Wie bereits erwähnt, kann das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses einer Verlängerung grundsätzlich entgegenstehen, es sei denn, es liegen die außergewöhnlichen Umstände eines atypischen Falles vor, die eine andere Entscheidung rechtfertigen (VGH Bayern, 16.06.2025 - Az:
19 ZB 25.836). Die Anforderungen an eine erfolgreiche Integration und ein straffreies Leben bleiben somit über die gesamte Dauer des Aufenthalts von entscheidender Bedeutung.