Der Begriff Kindeswohl soll das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in jeder Hinsicht umfassen. Besonders bei rechtlichen Entscheidungen, die das
Sorge- und
Umgangsrecht betreffen, soll sich die Entscheidung vorrangig am Kindeswohl orientieren.
In Deutschland wird insbesondere den leiblichen Eltern unterstellt, dass diese in aller Regel ihre Entscheidungen am Kindeswohl orientieren.
Das Kindeswohlprinzip dient dem Schutz der Kinder und begrenzt das Sorgerecht, da der Staat auf diesem Wege beispielsweise in die Erziehung des Kindes eingreifen kann, wenn das Wohl des Kindes gefährdet wird.
Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung
Der Begriff Kindeswohl ist nicht definiert, es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dies bedeutet, dass der Begriff Kindeswohl einer Auslegung bedarf. Denn was dem Wohl des Kindes entspricht, lässt sich nicht pauschal definieren. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Das Kindeswohl findet sein Gegenstück in der Kindeswohlgefährdung. Mithin dürfte all das, was keine Kindeswohlgefährdung darstellt, letztendlich dem Kindeswohl entsprechen.
Kindeswohlgefährdung liegt dann vor, wenn das geistige, körperliche oder seelische Wohl eines Kindes gravierende Beeinträchtigungen erleidet und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Die Beeinträchtigungen müssen zudem eine dauerhafte oder zeitweilige Schädigung in der Entwicklung des Kindes zur Folge haben bzw. haben kann und diese mit ziemlicher Sicherheit vorhersehbar ist.
Dies ist zweifellos dann der Fall, wenn das Kind vernachlässigt, misshandelt oder missbraucht wird.
Kinder haben zudem ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen, psychische Beeinträchtigungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig und würden gegen das Kindeswohl verstoßen.
Dem Kindeswohl entspricht es weiterhin, soziale Kontakte pflegen zu können. Daher kann der Kontakt zu wichtigen Bezugspersonen nicht ohne weiteres unterbunden werden (
§ 1685 BGB).
Auch eine Verletzung der (weiteren) Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention kann eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Die Kinderrechte sind:
- Recht auf Gleichheit
- Recht auf Gesundheit
- Recht auf Bildung
- Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung
- Recht auf freie Meinungsäußerung und Beteiligung
- Recht auf eine gewaltfreie Erziehung
- Recht auf Schutz vor sexueller und wirtschaftlicher Ausbeutung
- Recht auf Schutz im Krieg und vor Grausamkeit
- Recht auf Familie und elterliche Fürsorge
- Recht auf besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung
Wie erfolgt eine gerichtliche Beurteilung?
Kann eine mögliche Kindeswohlgefährdung nicht klar eingeordnet werden und ist eine gerichtliche Entscheidung erforderlich, so werden bei der Beurteilung objektive Kriterien zur Beurteilung herangezogen. Diese sind üblicherweise:
- Der Kindeswille
- Das Prinzip der Förderung
- Das Prinzip der Kontinuität
- Die Bindung des Kindes
- Die Erziehungsfähigkeit des/der Sorgeberechtigten
In jedem Einzelfall sind diese Kriterien unterschiedlich zu gewichten. Der Kindeswille bekommt mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit vermehrte Bedeutung.
Die Leitfrage ist hierbei immer, ob das Kind in der gegenwärtigen Situation gesund aufwachsen kann und ob seine Persönlichkeitsentwicklung ausreichend gefördert wird.
Was passiert bei einer Kindeswohlgefährdung?
Wird eine Kindeswohlgefährdung festgestellt, so kann das Familiengericht bzw. das Jugendamt eingreifen. Hierzu stehen unterschiedliche Möglichkeiten bereit, die von der Hilfe- und Unterstützungsleistung über Weisungen und Verbote bis hin zur teilweisen oder vollständigen Entziehung des Sorgerechts reichen.
Sind der/die Sorgeberechtigte nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden, ist das Familiengericht gemäß
§ 1666 BGB dazu berechtigt, folgende Maßnahmen anzuordnen:
- Anordnung, Hilfen in Anspruch zu nehmen (z.B. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe)
- Anordnung, die Schulpflicht einzuhalten
- Verbot des Kontaktes zum Kind
- Einem Elternteil oder einer mit der Erziehung beauftragten Person kann vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit verboten werden, sich den Orten zu nähern, an denen sich das gefährdete Kind befindet.
- Teilweiser oder vollständiger Entzug des Sorgerechts
Grundsätzlich ist bei jeder Maßnahme die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Maßnahme muss geeignet sein, die Gefahr für das Kind zu verhindern.
Daher sind zunächst helfende und unterstützende Maßnahmen bzw. die Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern das Ziel um die Wahrung bzw. Wiederherstellung des Kindeswohls zu erreichen.
Maßnahmen, die eine Trennung des Kindes von den Eltern nach sich ziehen würden, dürfen nur dann angewendet werden, wenn die Gefahr für das Kind nicht auf andere Art abgewendet werden kann.
Wann wird in der Praxis eine Kindeswohlgefährdung angenommen?
Damit in der Praxis eine Kindeswohlgefährdung angenommen wird, sind folgende Kriterien zu erfüllen:
1) Drohende Gefahr für das geistige, seelische oder körperliche Wohl des Kindes. Es genügt, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen.
2) Die Gefahr muss unmittelbar bevorstehen oder schon stattfinden. Eine Kindeswohlgefährdung, die in der Vergangenheit stattgefunden hat, ist nicht ausreichend, wenn diese nicht mehr andauert.
3) Der drohende Schaden muss erheblich („von einiger Bedeutung“) sein. Hierzu ist es in aller Regel erforderlich, dass die Versorgung des Kindes den Mindestanforderungen nicht (mehr) genügt.
4) Es muss eine ziemliche Sicherheit dahingehend vorliegen, dass sich der Schaden ohne ein entsprechendes Eingreifen realisieren würde.
In folgenden Fällen wird eine Kindeswohlgefährdung angenommen:
- Straftat gegenüber einem Kind
- körperliche/seelische Misshandlung
- Tötungsversuch
- sexueller Missbrauch oder ein konkreter Verdacht auf sexuellen Missbrauch
- Verweigerung einer notwendigen ärztlichen Behandlung
- Verweigerung der Ausbildungsfinanzierung
- Abmeldung eines schulpflichtigen Kindes von der Schule
- Verwahrlosung des Kindes
- Wenn der erforderlichen Aufsichtspflicht nicht nachgekommen wird
- Gefährdung des Vermögens des Kindes
In folgenden Beispielfällen kann je nach konkreter Ausprägung eine Kindeswohlgefährdung vorliegen:
- Alkohol- oder Drogensucht der Eltern
- Zerwürfnisse zwischen den Eltern wirken sich negativ auf das Kind aus
- Anmeldung an einer Schule, die nicht dem Kindeswillen entspricht