Der Handel auf Online-Auktionsplattformen und Marktplätzen basiert auf einem
Kaufvertrag zwischen Käufer und Verkäufer. Das was geschieht, wenn der Geschäftspartner seinen Pflichten nicht nachkommt?
Lieferverzögerungen oder
Mängel begründen in der Regel ausschließlich zivilrechtliche Ansprüche, etwa auf Lieferung oder Schadensersatz. Erst wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine der Parteien von Anfang an betrügerisch handelte, kommen strafrechtliche Konsequenzen – insbesondere wegen Betrugs – in Betracht.
Betrug bei Online-Auktionen
Das Hauptaugenmerk bei strafbaren Verhalten im Zusammenhang mit Online-Auktionen betrifft den Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB. Ein Betrug liegt vor, wenn jemand in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Bei Online-Verkäufen ist dies der klassische Fall des sogenannten Eingehungsbetrugs: Der Verkäufer täuscht über seine Lieferabsicht oder die Existenz der Ware, der Käufer überweist daraufhin in dem Irrtum, er werde die Ware erhalten, den Kaufpreis (eine Vermögensverfügung) und erleidet einen Vermögensschaden, da die Lieferung
ausbleibt.
Neben dem Eingehungsbetrug ist der sog. Erfüllungsbetrug relevant: Hierbei täuscht der Verkäufer nicht schon bei Vertragsschluss über seine Leistungsbereitschaft, sondern versendet etwa minderwertige,
gefälschte oder ganz andere Waren als vereinbart. Auch sogenannte Bewertungsmanipulationen, also das Vortäuschen von Seriosität durch gekaufte oder selbst verfasste positive Bewertungen, können für Käufer betrugsrelevant sein, wenn dadurch gezielt ein Irrtum über die Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers erzeugt wird.
Auch Verkäufer können Opfer von betrügerischem Verhalten durch Käufer werden, etwa indem diese gefälschte Zahlungsbelege vorlegen, Rückabwicklungen durch falsche Angaben über Mängel erzwingen oder bei PayPal unberechtigt den Käuferschutz in Anspruch nehmen.
Die Gerichte haben sich wiederholt mit solchen Fällen befasst. In einem Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main hatten Angeklagte über verschiedene Scheinpersonalien auf einer Internetplattform 16 Mal Haushaltsgeräte, insbesondere eine zu dieser Zeit beliebte Küchenmaschine, angeboten. Diese wurden deutlich unter dem üblichen Marktpreis offeriert. Der Plan bestand darin, die Zahlungen per Vorkasse zu kassieren, ohne jemals eine Lieferung zu veranlassen. Die Täter erlangten so über 12.000 Euro. Der Hauptangeklagte wurde unter anderem wegen gewerbsmäßigen gemeinschaftlichen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, wobei Vorstrafen und das Hineinziehen weiterer Personen strafschärfend wirkten (AG Frankfurt/Main, 06.12.2018 - Az:
915 Ls - 3630 Js 209367/15).
In einem anderen Fall vor dem Amtsgericht München bot eine junge Frau auf einer Verkaufsplattform für Bekleidung hochwertige Winterjacken an. Sie schloss mit 27 Interessentinnen Kaufverträge zu Preisen zwischen 200 € und 285 € und vereinbarte Vorkasse. Wie von Anfang an geplant, lieferte sie in den meisten Fällen gar nicht oder in vier Fällen lediglich eine geringwertige Jacke. Das Gericht verhängte eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung und stellte schädliche Neigungen bei der Verurteilten fest, da diese erhebliche kriminelle Energie aufwendete, indem sie beispielsweise Accounts wechselte (AG München, 14.03.2017 - Az:
1026 Ls 428 JS 100 706/16 jug).
Abgrenzung zur zivilrechtlichen Arglist
Nicht jede falsche Angabe in einem Angebot erfüllt sofort den Straftatbestand des Betrugs, kann aber erhebliche zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die an der Schwelle zum Strafrecht liegen. Relevant ist hier die arglistige Täuschung gemäß § 123 BGB. Eine solche lag nach Ansicht des Landgerichts Karlsruhe im Fall eines Motorradkaufs über eBay vor. Der Verkäufer hatte in der
Artikelbeschreibung die Anzahl der Vorbesitzer mit „0“ angegeben. Diese Eigenschaft war für den Käufer kaufentscheidend, da mehr Vorbesitzer bei Motorrädern den Wert erheblich mindern. Tatsächlich wusste der Verkäufer, dass diese Angabe falsch war. Das Gericht stellte fest, dass die Angabe einer bestimmten Beschaffenheit, hier „0 Vorbesitzer“, Vertragsgrundlage wird. Die bewusste Falschangabe wertete das Gericht als arglistige Täuschung, die den Kläger zur Anfechtung des Kaufvertrags binnen Jahresfrist berechtigt (§ 124 Abs. 1 BGB; LG Karlsruhe, 15.05.2013 - Az:
6 O 375/12).
Interessant ist hierbei die juristische Einordnung des Gerichts: Wer durch arglistige Täuschung einen anderen zu einem nachteiligen Vertragsschluss veranlasst, begeht einen Betrug. Die arglistige Täuschung nach § 123 BGB stellt zivilrechtlich zugleich ein Verschulden bei Vertragsschluss und regelmäßig auch die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB dar. Dies eröffnete dem Käufer im konkreten Fall nicht nur die Rückabwicklung des Vertrags, sondern auch den Ersatz seiner Aufwendungen, wie etwa die Miete für einen Anhänger.
Identitätsmissbrauch: Wenn der Vertragspartner nicht der Täter ist
Eine häufige Problematik bei Online-Geschäften ist die Verschleierung der wahren Täteridentität. Für den Geschädigten ist oft nicht erkennbar, ob der Inhaber des Verkäuferkontos auch die handelnde Person ist. Für den Abschluss eines Kaufvertrags gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 145 ff. BGB. Ein Vertrag setzt voraus, dass die Erklärungen zurechenbar von den Parteien abgegeben wurden. Wird ein Angebot unter fremdem Namen eingestellt, entsteht eine vertragliche Bindung mit dem Namensträger nur, wenn dieser selbst gehandelt hat, es genehmigt oder die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) greifen.
Oftmals behaupten Inhaber von Verkäuferkonten, ihr Account sei gehackt worden. Das Amtsgericht Frankenthal hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Kläger aus einer Auktion über ein Rennrad gegen den Account-Inhaber vorging (AG Frankenthal, 28.09.2022 - Az:
3c C 113/22). Der Beklagte wandte ein, sein Konto sei gehackt worden und er habe die Auktion nicht gestartet. Das Gericht wies die Klage ab. Der Kläger trage die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages. Ein Anscheinsbeweis zulasten des Kontoinhabers greife nicht, da der Sicherheitsstandard im Internet derzeit nicht ausreichend sei. Auch eine AGB-Klausel der Plattform, wonach Mitglieder für alle Aktivitäten haften, begründet keine Haftung gegenüber anderen Auktionsteilnehmern (vgl. BGH, 11.05.2011 - Az:
VIII ZR 289/09). Im dortigen Fall kam hinzu, dass der Kläger selbst eine verdächtige E-Mail mit einem zweifelhaften Abwicklungsvorschlag erhalten hatte, was den Anscheinsbeweis ohnehin erschüttert hätte.
Noch komplizierter wird es, wenn Täter die Identität unbeteiligter Dritter missbrauchen, um als sogenannte „Finanzagenten“ Gelder zu waschen. Das Amtsgericht Kempen stellte klar, dass bei einem betrügerischen Angebot unter Verwendung fremder Identitätsdaten kein Kaufvertrag mit dem Namensträger zustande kommt. Selbst wenn die Täter dem Käufer zur Täuschung Ausweisdokumente des Dritten vorlegen, entsteht keine Verpflichtung des Namensträgers. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) gegen den Kontoinhaber, über dessen Konto die Zahlung lief, besteht nicht. Leistungsempfänger ist nach objektiver Betrachtung derjenige, dem die Leistung erkennbar zugutekommen sollte – hier der betrügerische Anbieter, nicht der unwissende Kontoinhaber.
Anders liegt der Fall jedoch, wenn dem Kontoinhaber ein Mitwissen nachgewiesen werden kann. Das Amtsgericht Meiningen verurteilte einen Kontoinhaber zur Rückzahlung des Kaufpreises, obwohl dieser das Geld bereits an seinen Neffen, den eigentlichen Betrüger, weitergeleitet hatte. Dem „Verkäufer“ war bewusst, dass sein Neffe das Konto für betrügerische Zwecke nutzte. Zwar kam auch hier kein Kaufvertrag mit dem Kontoinhaber zustande. Er hatte die Zahlung aber ohne Rechtsgrund erhalten. Auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) durch die Weiterleitung konnte er sich nicht berufen, da er nach § 819 BGB als bösgläubig galt – die Gesamtumstände mussten sich ihm aufdrängen (AG Meiningen, 19.12.2008 - Az:
21 C 565/07).
Die Beweislast für einen Vertragsschluss oder eine Bevollmächtigung liegt stets bei demjenigen, der Ansprüche geltend macht. Dies wurde auch in einem Fall des Amtsgerichts Bremen deutlich, in dem die Auktionsplattform selbst den Kontoinhaber auf Zahlung von Gebühren verklagte. Der Beklagte behauptete, ein Bekannter habe den Account ohne sein Wissen, aber mit seinem Einverständnis zur Nutzung der Bankverbindung, eröffnet. Das Gericht wies die Klage ab, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass der Beklagte den Vertrag selbst geschlossen hatte. Auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht lag nicht zweifelsfrei vor. Wenn eine Plattform aus Praktikabilitätsgründen auf hinreichende Identifizierung verzichtet, trägt sie das Risiko, dass sich Mitglieder unter falschen Personalien registrieren (AG Bremen, 10.03.2011 - Az:
9 C 58/10).
Viele Plattformen versuchen durch eigene Richtlinien (AGB), Identitätsmissbrauch und betrügerische Aktivitäten einzudämmen. Sie bieten z.B. Käuferschutzprogramme, sichere Kommunikationswege und Zahlungsmethoden wie Treuhandservice an. Nutzer sollten diese Angebote in Anspruch nehmen und Transaktionen über die Plattform abwickeln – dies kann die Risiken erheblich senken. Gleichzeitig regeln die AGB in der Regel die interne Haftungsverteilung zwischen Plattform und Nutzern, ersetzen jedoch nicht die zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit des Einzelnen.
Der Missbrauch personenbezogener Daten bei Online-Geschäften kann darüber hinaus datenschutzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn Identitätsdaten unbefugt verwendet oder weitergegeben werden (vgl. Art. 5, 6, 82 DSGVO).
Beleidigung im Geschäftsverkehr
Strafbares Verhalten beschränkt sich nicht nur auf Vermögensdelikte. Kommt es zu Streitigkeiten über die Abwicklung, eskaliert die Kommunikation nicht selten. Hier rückt der Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB in den Fokus. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte einen Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Dieser hatte sich mit einem Käufer über eine online verkaufte Uhr gestritten. Als der Käufer eine Teilrückzahlung vorschlug, antwortete der Verkäufer per SMS mit „kleine pussy,lass dir einen blasen“ und legte mit „mach das, schwuchtel“ nach. Das Gericht wertete die Bezeichnung „Schwuchtel“ als Herabwürdigung aufgrund der (vermeintlichen) sexuellen Orientierung und damit als sogenannte Formalbeleidigung, die unabhängig vom Kontext strafbar sei. Die Bezeichnung „Pussy“ sei zwar nicht per se eine Beleidigung , im konkreten Fall aber erkennbar ehrverletzend und ohne sachlichen Bezug verwendet worden (AG Frankfurt/Main, 15.01.2021 - Az:
907 Cs-7680 Js 229740/19).
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