Immer wieder werden Internetnutzer Opfer von kostenpflichtigen Abonnements, die im Rahmen von scheinbar kostenfreien Gewinnspielen oder anderen Angeboten wie Hausaufgabenhilfen, Rezeptsammlungen oder Onlinespielen unwissentlich abgeschlossen werden. Gerade Kinder und Jugendliche können die oft geschickt versteckte Zahlungspflicht in vielen Fällen nicht erkennen.
Erhalten die Eltern dann Rechnungen oder Mahnungen, sind sie oftmals überrascht und versuchen, eine Zahlung zu vermeiden, indem sie einen Vertragsschluss bestreiten oder auf die Forderungen zunächst gar nicht reagieren. Die Anbieter solcher Dienste gehen in derartigen Fällen häufig dazu über, die Betroffenen zunächst mit eigenen Mahnungen unter Druck zu setzen und schalten anschließend Inkassobüros oder Rechtsanwälte ein, um die Forderungen beizutreiben. Angesichts des wachsenden Drucks zahlen verunsicherte Nutzer und auch Eltern von betroffenen Kindern die geforderten Gebühren in vielen Fällen, um weiteren Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Doch es stellt sich die grundlegende Frage, ob überhaupt eine rechtliche Zahlungspflicht besteht, wenn ein minderjähriges Kind einen solchen Vertrag über den Internetanschluss der Eltern abgeschlossen hat.
Wirksamkeit von Verträgen mit Minderjährigen
Zunächst ist zu klären, ob zwischen dem Kind und dem Anbieter ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Die Antwort darauf hängt von der
Geschäftsfähigkeit des Kindes ab. Kinder unter sieben Jahren sind geschäftsunfähig. Eine von ihnen abgegebene Willenserklärung ist nichtig, sodass in keinem Fall ein Vertrag zwischen dem Kind und dem Anbieter zustande kommt. Es existiert folglich auch keine andere rechtliche Grundlage, auf die der Anbieter einen Anspruch gegen das Kind stützen könnte.
Minderjährige, die das siebte, aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt. Verträge, die sie ohne die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter – in der Regel der Eltern – schließen, sind zunächst schwebend unwirksam. Ihre Wirksamkeit hängt von der Genehmigung durch die Eltern ab. Verweigern die Eltern die Genehmigung, ist der Vertrag von Anfang an unwirksam. Eine Ausnahme bildet der sogenannte
Taschengeldparagraph. Danach ist ein von einem Minderjährigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn er die Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von seinen gesetzlichen Vertretern überlassen worden sind. Bei Abo-Fallen handelt es sich jedoch um Dauerschuldverhältnisse mit wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen, die typischerweise nicht vom Taschengeldparagraph gedeckt sind, da dieser auf vollständig erfüllte Geschäfte abzielt. In den meisten Fällen kommt also kein wirksamer Vertrag mit dem Kind zustande.
Vertragsschluss mit den Eltern durch das Handeln des Kindes?
Eine schwierigere Frage ist, ob die Eltern für das Handeln ihres Kindes vertraglich einstehen müssen. Selbst wenn das Kind nicht wirksam einen Vertrag im eigenen Namen schließen konnte, könnte es die Eltern bei seinem Handeln vertreten haben. Da eine ausdrückliche Bevollmächtigung in den seltensten Fällen vorliegt, kommt ein Vertragsschluss mit den Eltern nach den Grundsätzen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht. Für die Annahme einer solchen Rechtsscheinvollmacht ist es unerheblich, ob der Handelnde, hier das Kind, selbst geschäftsfähig ist. Der entscheidende Anschein könnte sich daraus ergeben, dass das Kind den Computer, das E-Mail-Konto oder die Zugangsdaten der Eltern für den Vertragsabschluss nutzen konnte und auch genutzt hat.
Die Rechtsprechung hat sich lange Zeit schwergetan, eine Haftung der Eltern in solchen Fällen zu bejahen. Eine Entscheidung des Landgerichts Bonn lehnte eine solche Haftung in einem Fall ab, in dem ein elfjähriger Junge über den eBay-Account seines Vaters ein Fahrzeug im Wert von 54.900 Euro erworben hatte (LG Bonn, 19.12.2003 - Az.:
2 O 472/03). Der Verkäufer verlangte vom Vater Schadensersatz, nachdem dieser den Kauf mit der Begründung widerrufen hatte, sein Sohn habe ohne sein Wissen gehandelt. Das Gericht wies die Klage ab. Es argumentierte, dass der Verkäufer nicht habe beweisen können, dass der Vater selbst das Kaufangebot abgegeben habe. Eine Haftung nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht verneinten die Richter ebenfalls. Sie begründeten dies damit, dass es angesichts der damaligen Sicherheitsstandards im Internet an einem schutzwürdigen Vertrauen des Verkäufers fehle. Sämtliche Teilnehmer einer Internetauktion würden sich der Gefahr eines Eingriffs durch unbefugte Dritte aussetzen. Allein die Inhaberschaft eines passwortgeschützten Mitgliedskontos führe nicht dazu, die Missbrauchsgefahr pauschal dem Kontoinhaber aufzubürden. Diese Risikoverteilung sei im Online-Handel hinzunehmen, auch wenn dies dazu führe, dass ein Anspruch aus einem elektronisch geschlossenen Vertrag nur selten zu beweisen sei (vgl. BGH, 07.11.2001 - Az.:
VIII ZR 13/01).
Haftung der Eltern bei Anscheinsvollmacht
Diese eher zurückhaltende Sichtweise wurde durch die Rechtsprechung höherer Gerichte in den letzten Jahren maßgeblich weiterentwickelt und differenziert. Heute sind die Grundsätze der Anscheinsvollmacht auch beim Erwerb digitaler Inhalte über Online-Plattformen uneingeschränkt anwendbar, wenn ein fremdes Nutzerkonto verwendet wird. Die entscheidende Frage ist, ob der Inhaber des Nutzerkontos durch sein Verhalten einen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat, wonach die Nutzung seines Kontos für entsprechende Käufe autorisiert war.
Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene, hier der Elternteil, den Anschein erweckt hat, ein Dritter sei zur Nutzung des Kontos befugt, und er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt das Handeln des Dritten hätte erkennen und verhindern können (vgl. BGH, 11.05.2011 - Az:
VIII ZR 289/09; BGH, 06.04.2017 - Az:
III ZR 368/16). Da ein Plattformbetreiber mangels persönlicher Identitätsprüfung in der Regel nicht erkennen kann, wer tatsächlich hinter einem Nutzerkonto handelt, ist das Vertrauen auf die Autorisierung der Transaktionen durch den Kontoinhaber selbst der maßgebliche Anknüpfungspunkt.
Ein solcher zurechenbarer Rechtsschein entsteht insbesondere dann, wenn über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Transaktionen über ein Konto erfolgt, ohne dass der Inhaber einschreitet. Eine bloß erstmalige oder kurzzeitige unautorisierte Verwendung eines Nutzerkontos genügt hierfür in der Regel nicht. Wird ein Konto jedoch über mehrere Monate oder gar Jahre wiederholt für Käufe genutzt und bleiben die per E-Mail versandten Benachrichtigungen, Rechnungen oder die Belastungen auf der Kreditkartenabrechnung unbeachtet, wird der Rechtsschein einer fortdauernden Duldung oder Autorisierung zurechenbar gesetzt.
Die schuldhafte Mitverursachung dieses Rechtsscheins setzt voraus, dass der Kontoinhaber bei pflichtgemäßer Sorgfalt in der Lage gewesen wäre, das Handeln seines Kindes zu unterbinden. Zu den Sorgfaltspflichten gehören insbesondere die regelmäßige Kontrolle der Kontoauszüge und Kreditkartenabrechnungen, die Überwachung des für das Nutzerkonto hinterlegten E-Mail-Postfachs sowie die Nutzung von Sicherheitsmechanismen, die von den Plattformen angeboten werden, wie etwa Budgetbegrenzungen, individuelle Passwörter oder Familienkonten mit Genehmigungsfunktionen. Unterbleiben solche einfachen und zumutbaren Kontrollmaßnahmen, ist die Annahme einer zurechenbaren Anscheinsvollmacht gerechtfertigt.
Heutzutage bieten nahezu alle größeren Plattformen und Zahlungsdienstleister umfassende technische Sicherungsmechanismen, die speziell zum Schutz Minderjähriger entwickelt wurden – etwa durch Familienkonten mit Genehmigungsfunktionen, individuelle Freigaben, Budgetbegrenzungen, PIN- oder Passwortschutz bei Transaktionen oder auch die Möglichkeit, kinderfreundliche Nutzerkonten getrennt von den Hauptkonten der Eltern zu führen. Die Gerichte legen zunehmend einen strengeren Maßstab an die elterliche Sorgfalt und berufen sich darauf, dass von Eltern erwartet werden kann, diese Schutzmechanismen regelmäßig zu aktivieren und zu überwachen. Unterbleibt dies, spricht dies stark für die Annahme eines zurechenbaren Rechtsscheins und kann im Streitfall nachteilig für die Eltern gewertet werden.
Die Konsequenz ist, dass der Plattformbetreiber berechtigt ist, von einem wirksamen Vertragsschluss mit dem Kontoinhaber auszugehen. Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB scheidet in diesem Fall aus, da mit dem wirksam zustande gekommenen Kaufvertrag ein Rechtsgrund für die Zahlung besteht. Der Anbieter durfte darauf vertrauen, dass die über das Konto getätigten Geschäfte vom Inhaber autorisiert oder zumindest gebilligt waren. Eine Pflicht zur Überprüfung der tatsächlichen Identität des Nutzers besteht für den Anbieter nicht, solange keine objektiven Anhaltspunkte für eine unautorisierte Nutzung vorliegen. Der Umstand allein, dass die erworbenen Inhalte altersgemäß Kindern zuzuordnen sein könnten, reicht nicht aus, um Zweifel an der Autorisierung durch den Kontoinhaber zu begründen (vgl. LG Karlsruhe, 24.09.2025 - Az:
2 O 64/23).
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