§ 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangt einen seit fünf Jahren ununterbrochen geduldeten, gestatteten oder mit Aufenthaltserlaubnis versehenen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Begriff „ununterbrochen“ ist nach dem klaren Wortlaut ohne Bagatellgrenze auszulegen. Ein kurzzeitiger Auslandsaufenthalt führt daher grundsätzlich zu einer Unterbrechung der rechtlichen Statuskette, wenn die Duldung infolge der Ausreise gemäß § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG erlischt.
Die Vorschrift enthält keine Ausnahmeregelung, die kurzzeitige Unterbrechungen oder Duldungslücken als unschädlich qualifizieren könnte. Anders als § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, der das einschränkende Tatbestandsmerkmal „regelmäßig“ enthält, lässt § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG keine wertende Gesamtbetrachtung oder Ermessensabwägung zu. Eine Duldungslücke führt daher stets zu einer anrechnungsschädlichen Unterbrechung des Voraufenthalts (vgl. VGH Bayern, 25.03.2024 - Az: 19 ZB 23.1280).
Die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 20/3717, S. 43) enthalten zwar Ausführungen, nach denen kurzfristige Unterbrechungen des physischen Inlandsaufenthalts von bis zu drei Monaten unschädlich sein sollen, wenn keine Verlegung des Lebensmittelpunkts erfolgt. Diese Begründung kann jedoch nur unterstützend herangezogen werden, sofern sie im Gesetzestext eine Entsprechung findet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 26.06.2024 - Az: 5 P 1.23) dürfen subjektive Vorstellungen des Gesetzgebers den objektiven Gesetzesinhalt nicht ersetzen. Der Wortlaut des § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG enthält keinen Hinweis darauf, dass die Statuskette bei einer Ausreise aufrechterhalten bleiben könnte.
Der Zweck des
Chancen-Aufenthaltsrechts – die Schaffung einer rechtlichen Möglichkeit zur Integration für langjährig Geduldete – rechtfertigt keine Abweichung vom Wortlaut. Die Vorschrift dient nicht der Wahrung grundrechtlich geschützter Aufenthaltsinteressen, sondern der Schaffung einer zeitlich befristeten Integrationschance. Während § 25b AufenthG auf eine bereits erreichte Integration abstellt und daher Bagatellunterbrechungen zulässt (BVerwG, 18.12.2019 - Az: 1 C 34.18), verlangt § 104c AufenthG als vorgelagerte Regelung eine strikte Erfüllung der formellen Voraussetzungen. Eine Auslegung, die Duldungslücken als unschädlich ansieht, widerspräche dem Regelungssystem und der systematischen Stellung der Norm.
Auch eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht. Der Zweck des § 104c AufenthG, Integrationschancen zu eröffnen, erfordert keine Abweichung vom Tatbestandsmerkmal „ununterbrochen“. Der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Öffnungsklausel oder Härtefallregelung verzichtet. Eine analoge Anwendung des § 85 AufenthG zur Heilung von Duldungslücken ist mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen.
Ein Auslandsaufenthalt wäre nur dann ausnahmsweise unschädlich, wenn die Ausreise mit Zustimmung der Ausländerbehörde und zu einem ausländerrechtlich anerkannten Zweck erfolgte, etwa zur Beschaffung von Identitätspapieren. Fehlt eine solche behördliche Billigung, führt bereits eine kurzzeitige Ausreise zur Unterbrechung der Voraufenthaltszeit.