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Bagatellschaden am Auto: Wann ist ein Schaden geringfügig und wer trägt die Kosten?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

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Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit beim Ausparken oder eine kleine Fehleinschätzung im fließenden Verkehr – und schon ist es passiert. Ein kleiner Kratzer oder eine Delle im Blech des Fahrzeugs. Solche Vorkommnisse werden umgangssprachlich oft als Bagatellschaden abgetan. Doch was aus juristischer Sicht als Bagatelle gilt, ist relativ klar definiert und hat weitreichende Konsequenzen für die Schadensregulierung, das Verhalten am Unfallort und sogar für einen späteren Verkauf des Fahrzeugs.

Definition des Bagatellschadens: Eine Frage des Ausmaßes und der Kosten

Ein Bagatellschaden liegt grundsätzlich dann vor, wenn es sich um einen einfach gelagerten und oberflächlichen Schaden handelt. Typische Beispiele sind Lackkratzer, kleine Schrammen oder geringfügige Dellen, bei denen für einen technischen Laien auf den ersten Blick erkennbar ist, dass es sich um eine Kleinigkeit handelt. Entscheidend für die Einordnung ist jedoch nicht allein der optische Eindruck, sondern vor allem die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten. In der aktuellen Rechtsprechung hat sich eine sogenannte Bagatellschadengrenze etabliert, die mittlerweile bei etwa 1.000 Euro liegt. Verschiedene Gerichte haben diese Grenze in Anbetracht der allgemeinen Preissteigerungen und der gestiegenen Reparaturkosten in den letzten Jahren von früher angesetzten Werten wie 700 oder 750 Euro angehoben (vgl. LG Arnsberg, 07.12.2016 - Az: I-3 S 54/16).

Die Tücke liegt jedoch im Detail, denn die Bauweise moderner Fahrzeuge macht eine zuverlässige Einschätzung für Laien oft unmöglich. Flexible Kunststoffstoßfänger geben bei einem Anstoß nach und federn anschließend wieder in ihre ursprüngliche Form zurück, sodass äußerlich kaum oder gar kein Schaden sichtbar ist. Die Aufprallenergie wird jedoch an innen liegende, Energie absorbierende Bauteile wie Querträger, Pralldämpfer oder die Karosseriestruktur weitergeleitet. Diese können dabei gestaucht, verbogen oder gebrochen werden, ohne dass dies von außen erkennbar ist. Ein vermeintlicher Bagatellschaden kann sich so bei genauerer Untersuchung als komplexer Unfallschaden entpuppen, dessen Reparaturkosten schnell mehrere tausend Euro betragen können.

Richtiges Verhalten am Unfallort

Unabhängig von der Schadenshöhe gelten für alle Unfallbeteiligten die Verhaltenspflichten des § 34 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dies bedeutet, dass unverzüglich anzuhalten, die Unfallstelle abzusichern und bei geringfügigen Schäden an den Straßenrand zu fahren ist. Das Einschalten der Warnblinkanlage, das Aufstellen des Warndreiecks und das Anlegen einer Warnweste dienen der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.

Wer sich vom Unfallort entfernt, ohne die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung zu ermöglichen, begeht eine Straftat nach § 142 des Strafgesetzbuches (StGB) – das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, auch bekannt als Unfallflucht. Diese Gefahr wird bei Bagatellschäden häufig unterschätzt. Eine Ausnahme von der Wartepflicht besteht nur bei einem völlig belanglosen Schaden, dessen Grenze die Rechtsprechung äußerst niedrig ansetzt, nämlich im Bereich von 20 bis 50 Euro (vgl. OLG Düsseldorf, 13.09.2018 - Az: I-4 U 41/18). Ein Schaden, dessen Beseitigung höhere Kosten verursacht, ist nicht mehr belanglos und begründet eine Wartepflicht. Insbesondere bei Parkplatzunfällen muss der Verursacher eine angemessene Zeit auf den Geschädigten warten – in der Regel zwischen 20 und 60 Minuten. Erscheint niemand, muss unverzüglich die Polizei informiert werden. Ein Zettel an der Windschutzscheibe genügt dabei ausdrücklich nicht, da dieser wegfliegen oder durch Witterungseinflüsse unleserlich werden kann.

Schadensfeststellung: Gutachten, Kurzgutachten oder Kostenvoranschlag?

Nach einem unverschuldeten Unfall stellt sich die zentrale Frage, wie der Schaden korrekt zu beziffern ist. Die Kosten für die Schadensfeststellung gehören nach § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich zum ersatzpflichtigen Schaden (vgl. BGH, 29.11.1988 - Az: X ZR 112/87). Die gegnerische Haftpflichtversicherung ist jedoch nur verpflichtet, die Kosten für erforderliche und zweckmäßige Maßnahmen zu übernehmen. Dies führt regelmäßig zu Auseinandersetzungen über die Art der Schadensfeststellung.

Bei Schäden, die eindeutig unterhalb der Bagatellgrenze von circa 1.000 Euro liegen, verstößt die Beauftragung eines vollwertigen und teuren Sachverständigengutachtens in der Regel gegen die Schadenminderungspflicht des Geschädigten aus § 254 BGB. Die Kosten stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zum Schaden. In solchen Fällen genügt in der Regel ein Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt, um den Schaden gegenüber der Versicherung nachzuweisen. Die für die Erstellung dieses Kostenvoranschlags anfallenden Gebühren sind von der gegnerischen Versicherung zu erstatten, da auch ein Laie den Schaden beziffern können muss, um seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. AG Böblingen, 28.01.2014 - Az: 2 C 2391/13).

Liegt der Schaden hingegen erkennbar über der Bagatellgrenze, hat der Geschädigte das Recht, einen unabhängigen Sachverständigen seiner Wahl zu beauftragen. Die Kosten hierfür muss die Versicherung des Unfallverursachers vollständig tragen. Dieses Recht kann die Versicherung nicht mit dem Hinweis verwehren, ein Gutachten sei nicht erforderlich oder sie wolle einen eigenen Gutachter schicken.

Die Schwierigkeit für den Geschädigten besteht darin, im Vorfeld zu beurteilen, ob die Bagatellgrenze überschritten wird. Maßgeblich für die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten ist die Sicht eines verständig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung (vgl. BGH, 30.11.2004 - Az: VI ZR 365/03). Konnte der Geschädigte als Laie nicht sicher erkennen, dass es sich nur um einen Kleinstschaden handelt, darf er einen Gutachter beauftragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht nur oberflächliche Kratzer, sondern auch Verformungen vorliegen oder der Verdacht auf Schäden an nicht sichtbaren Teilen besteht (vgl. AG Ulm, 23.06.2016 - Az: 1 C 933/15). Auch bei älteren Fahrzeugen kann ein Gutachten erforderlich sein, um das Verhältnis von Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert zu klären und einen möglichen wirtschaftlichen Totalschaden festzustellen (vgl. LG Darmstadt, 05.07.2013 - Az: 6 S 34/13).

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Stand: 06.10.2025
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