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Sachverständigenkosten: Wer trägt die Kosten für ein Gutachten nach einem Verkehrsunfall?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 18 Minuten

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Die Kosten für die Schadensermittlung durch einen Sachverständigen sind Teil des Unfallschadens und somit in der Regel ebenfalls zu regulieren.

Im Regelfall darf der Geschädigte einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.

Der Geschädigte kann sich auch einen Sachverständigen von der Versicherung auswählen lassen.

Der Betroffene hat auch dann ein Anrecht darauf, einen eigenen Gutachter zu beauftragen, wenn die gegnerische Versicherung bereits einen Sachverständigen beauftragt hat.

Warum muss der Unfallschädiger die Kosten tragen?

Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, gehören die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist.

Die Kosten sind entsprechend der Haftungsquote zu übernehmen. Bei Alleinschuld des Schädigers also zu 100%. Kommt es zu einer Haftungsverteilung, sind die Gutachterkosten entsprechend anteilig zu tragen.

Welche Kosten sind vom Schädiger zu übernehmen?

Auch die Sachverständigenkosten für die Teilnahme an einem Nachbesichtigungstermin sind erstattungsfähig, wenn die Versicherung des Schädigers auf einen solchen Termin bestanden hat, weil sie die Höhe der geschätzten Reparaturkosten bezweifelt und der Geschädigte berechtigterweise fürchtet, auf Argumente im Gutachten der Gegenseite nicht angemessen reagieren zu können (AG Kaiserslautern, 04.07.2014 - Az: 11 C 416/14).

Auf gegebenenfalls überhöhte Kostenansätze eines Kfz-Sachverständigen sind die Grundsätze des BGH zum Werkstattrisiko für überhöhte Kostenansätze einer Werkstatt für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs (BGH, 16.01.2024 - Az: VI ZR 253/22) übertragbar. Denn den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten sind nicht nur in dem werkvertraglichen Verhältnis mit einer Reparaturwerkstatt, sondern auch in dem werkvertraglichen Verhältnis mit einem Kfz-Sachverständigen Grenzen gesetzt, vor allem sobald er den Gutachtensauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände des Gutachters gegeben hat. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind demnach auch diejenigen Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen, mithin nicht zur Herstellung erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind. Bei einem Kfz-Sachverständigen, der sein Grundhonorar nicht nach Stunden, sondern nach Schadenshöhe berechnet, kommt ein für den Geschädigten nicht erkennbar überhöhter Ansatz beispielsweise auch dann in Betracht, wenn der Gutachter den Schaden unzutreffend zu hoch einschätzt. Diesbezügliche Mehraufwendungen sind dann ebenfalls ersatzfähig, ebenso Rechnungspositionen, die sich auf - für den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte Maßnahmen im Zusammenhang mit der Begutachtung beziehen. Allerdings kann der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs die Abtretung gegebenenfalls bestehender Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen verlangen (BGH, 12.03.2024 - Az: VI ZR 280/22).

Die Anwendung dieser Grundsätze zum Werkstattrisiko auf die Sachverständigenkosten setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Rechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das Werkstattrisiko bzw. hier das Sachverständigenrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Sachverständigenkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an den Sachverständigen verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (dieses Risiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen. Es gelten auch insoweit dieselben Grundsätze wie für die Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs.

Hat sich der Sachverständige die Schadensersatzforderung des Geschädigten in Höhe der Honorarforderung abtreten lassen, kann er sich als Zessionar allerdings nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen. Die diesbezüglich im Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - Az: VI ZR 239/22 - entwickelten Grundsätze gelten entsprechend für den Sachverständigen.

Die Erstattungspflicht hat jedoch seine Grenze in Höhe der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten. Dies sind in der Regel die in Rechnung gestellten Kosten für das Gutachten, wenn der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat. Der Geschädigte muss nämlich vor der Beauftragung nicht erst eine Markterforschung vornehmen (vgl. BGH, 23.01.2007 - Az: VI ZR 67/06).

Nur dann, wenn der Geschädigte von vornherein erkennen konnte, dass der Sachverständige überhöhte Sachverständigenkosten ansetzt, gilt ein anderes, wenn es dem Schädiger nicht gelingt, einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nachzuweisen.

Wenn das Gutachten ungeeignet ist ...

Erweist sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet, beeinträchtigt dies den Erstattungsanspruch des Geschädigten nur, wenn er die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat.

Dies kommt dann in Betracht, wenn der Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen mit der Begutachtung betraut (Auswahlverschulden) oder wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt.

Dies ist weiterhin der Fall, wenn der Geschädigte auf ein Gutachten vertraut, das nicht frei von dem Verdacht unsachlicher Interessenwahrnehmung ist oder wenn ein Arbeitnehmer des an der Reparatur interessierten Betriebes oder gar dessen Geschäftsführer bzw. Gesellschafter als Sachverständiger beauftragt wird (AG Hanau, 18.10.2023 - Az: 39 C 30/23).

Kein Anspruch auf eigenen Gutachter bei Bagatellschäden!

Nicht bei jedem Schadensfall kann vom Geschädigten gleich ein Gutachter bemüht werden. Bei niedrigen Schäden (Bagatellschäden) - i.d.R. unter 1.000,00 € - werden die Kosten i.a. nicht ersetzt (AG Schleswig, 25.05.2020 - Az: 21 C 110/19; AG Bielefeld, 25.01.2018 - Az: 421 C 438/17; LG Arnsberg, 07.12.2016 - Az: 3 S 54/16). Denn in solchen Fällen stehen die Kosten für ein Gutachten oftmals in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Schaden. Daher würde ein wirtschaftlich denkender Geschädigter in einem solchen Fall schließlich auch von der Beauftragung absehen.

Ein anderes gilt natürlich dann, wenn die einstandspflichtige Versicherung ein Gutachten vom Geschädigten verlangt.

Wird seitens der Versicherung bei einem solchen Bagatellschaden auf einen Gutachter verzichtet, kann der Geschädigte die Kosten für einen dennoch beauftragten Sachverständigen nicht ersetzt verlangen.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Bagatellgrenze von den Gerichten an die Preisentwicklung angepasst wird. Was vor 10 Jahren noch oberhalb der Grenze lag, kann heute bereits als Bagatellschaden zu klassifizieren sein.

Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass für die Frage, ob ein Bagatellschaden vorliegt oder nicht nach Ansicht des BGH nicht alleine auf die voraussichtliche Schadenshöhe abgestellt werden kann, weil der Geschädigte als Laie die tatsächlichen Reparaturkosten oft nicht vorhersehen kann. Aus diesem Grund gibt es auch keine starre betragsmäßige Grenze, bis zu der immer von einem Bagatellschaden auszugehen ist.

An der Richtschnur von 1.000,00 € kann man sich dennoch gut orientieren, weil sich die Gerichte in der Praxis dennoch stark an der Schadenshöhe orientieren.

Im Zweifel über die tatsächliche Schadenshöhe kann es sinnvoll sein, zunächst einen Kostenvoranschlag von einer Werkstatt einzuholen. Die hierbei anfallenden Kosten werden in jedem Fall ersetzt - auch dann, wenn später noch ein Gutachter hinzugezogen wird.

In Grenzfällen kann es sonst dazu kommen, dass über die Erforderlichkeit der Gutachterkosten ein Prozess mit ungewissem Ausgang geführt wird.

Tipp: Eine sachverständige Kostenkalkulation (Kurzgutachten) ist auch bei Bagatellschäden ersatzfähig (vgl. AG Böblingen, 28.01.2014 - Az: 2 C 2391/13; AG Heidenheim, 27.12.2013 - Az: 5 C 699/13; AG Berlin-Mitte, 24.09.2013 - Az: 102 C 3011/13), wenn die Kosten sich unterhalb von 100 € bzw. 10% der Reparaturkosten bewegen.

Was spricht für die Beauftragung eines eigenen Sachverständigen?

Die Schätzung des Schadens durch einen Sachverständigen der betroffenen Versicherung kann tendenziell niedriger ausfallen als die eines freien Sachverständigen - dies hätte zur Folge, dass auch nur diese Kosten ersetzt werden. Daher kann es sinnvoll bzw. erforderlich sein, einen höheren Schaden durch ein eigenes Gutachten nachzuweisen.

In welchen Fällen kann überhaupt ein Sachverständiger beauftragt werden?

Ein Gutachten kann zum einen in Auftrag gegeben werden, um einen entstandenen Schaden zu beweisen und zum anderen, um es der einstandspflichtigen Versicherung zu ermöglichen, den Schaden abschätzen und bewerten zu können.

Ein Sachverständigengutachten kann jedoch nicht nur nach einem Fremdschaden notwendig werden, sondern auch dann, wenn die Teil- oder Vollkasko einen Schaden übernehmen soll. Die Beauftragung sollte hier jedoch nur in Absprache mit der Versicherung erfolgen, da ansonsten in der Regel keine Kostentragungspflicht für die Versicherung besteht.

Benötigt ein Gericht Unterstützung bei der Bewertung eines Schadens, kann dieses ebenfalls einen Sachverständigen zurate ziehen oder ein bereits erstelltes Gutachten heranziehen.

Was macht der Sachverständige?

Aufgabe des Gutachters ist es, die notwendigen Reparaturkosten und/oder den Wiederbeschaffungswert (Rest- bzw. Zeitwert) zu schätzen und den Schaden fachkundig zu dokumentieren.

Schadensgutachten dienen mithin in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige.

Wenn das Fahrzeug repariert wird, dient das Gutachten eines neutralen Sachverständigen der Kontrolle der von der Werkstatt abgerechneten Kosten durch den Geschädigten und den Schädiger sowie der Überzeugung des ersatzverpflichteten Haftpflichtversicherers.

Denn zum einen ist nur der Betrag zu erstatten, der zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlich ist und zum anderen erfolgt eine Regulierung durch die einstandspflichtige Haftpflichtversicherung nur bis zur sogenannten 130%-Grenze, also bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert.

Es kann also gleichzeitig mit der Schadensdokumentation auch ermittelt werden, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt oder sich die Reparatur des Schadens noch lohnt.

Wie geht es nach dem Gutachten weiter?

Nach Erstellung des Gutachtens hat der Geschädigte die Möglichkeit, den gesamten Schaden auf dieser Basis abzurechnen. Die geschätzten Reparaturkosten bzw. Wiederbeschaffungskosten können somit auch dann ersetzt verlangt werden, wenn der Schaden nicht repariert oder das zerstörte Fahrzeug nicht ersetzt wird. Die Abrechnung auf Gutachtenbasis nennt man fiktive Abrechnung. Alternativ kann der Schaden natürlich auch repariert werden. Das Risiko, das hierbei am Ende höhere Kosten entstehen, als im Gutachten vorgesehen („Werkstattrisiko“) liegt hierbei i.d.R. beim Schädiger.

Ein Nutzungsausfall-Schadensersatz kann bei tatsächlicher Reparatur ebenfalls verlangt werden.

Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung beschränkt sich gemäß §§ 249, 251 BGB auf die für die Reparatur oder Ersatzbeschaffung notwendige Zeit. Die von einem Gutachter geschätzte voraussichtliche Reparaturzeit ist nicht maßgebend.

Im Falle der Reparatur eines Unfallfahrzeuges in Eigenregie kann bei tatsächlichem Ausfall des Unfallfahrzeuges während der Reparaturzeit der Geschädigte zumindest die im Sachverständigengutachten festgesetzten Nutzungsausfalltage geltend machen, wenn zur tatsächlichen Ausfallzeit nicht konkret vorgetragen wird. Denn die notwendige (Mindest-)Dauer kann bei dieser Sachlage nach § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden. In diesem Zusammenhang stellt die vom Gutachter angegebene voraussichtliche Dauer jedenfalls ein Indiz dar (LG Frankfurt/Oder, 13.05.2004 - Az: 15 S 309/03).
Stand: 01.02.2024 (aktualisiert am: 20.05.2025)
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