Tabakrauch in Mehrfamilienhäusern führt regelmäßig zu Konflikten zwischen den Bewohnern. Während das Rauchen in der eigenen Wohnung grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, stellt sich die Situation in den Gemeinschaftsflächen, insbesondere im
Treppenhaus, anders dar.
Zweckwidrige Nutzung: Rauchverbot im Treppenhaus
Das Treppenhaus dient primär dem Zweck, den Bewohnern und ihren Besuchern den Zugang zu den Wohnungen, dem Keller oder dem Dachboden zu ermöglichen. Es ist ein Durchgangs- und Gemeinschaftsbereich. Das Verweilen im Treppenhaus, um dort eine oder mehrere Zigaretten zu rauchen, stellt keine zweckmäßige Benutzung dar. Das Rauchen ist im Treppenhaus daher grundsätzlich zu unterlassen.
Das Amtsgericht Hannover hat dies in einem Fall innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestätigt. Ein Wohnungseigentümer rauchte dort täglich bis zu fünf Zigaretten im Treppenhaus, wodurch sich die Mieter eines anderen Eigentümers gestört fühlten. Der Raucher argumentierte, er könne nicht in der Wohnung rauchen, da seine Ehefrau dies aus gesundheitlichen Gründen nicht vertrage. Zudem rauche er stets bei geöffnetem Fenster. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte fest, dass das Aufsuchen des Treppenhauses zum Rauchen und das dortige Verweilen der Zweckbestimmung eines Treppenhauses widerspricht. Durch diese zweckbestimmungswidrige Nutzung werden die übrigen Wohnungseigentümer beziehungsweise Hausbewohner in ihren Rechten beeinträchtigt. Selbst bei geöffnetem Fenster sei es unvermeidlich, dass Rauch im Treppenhaus verbleibt und beispielsweise auf den als Trockenboden genutzten Dachboden zieht (AG Hannover, 31.01.2000 - Az:
70 II 414/99).
Unerheblich war hierbei, ob sich alle Bewohner oder nur einzelne, wie die Mieter des Antragstellers, beeinträchtigt fühlen. Es reicht aus, wenn sich ein Bewohner nachweislich gestört fühlt. Interessanterweise entkräftete der Raucher sein eigenes Argument: Der Umstand, dass er aus Rücksicht auf seine Ehefrau das Treppenhaus zum Rauchen aufsuchte, belegte gerade, dass das Rauchen eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt. Wenn die Ehefrau in der Wohnung derart beeinträchtigt werde, ist nicht ersichtlich, warum andere Bewohner dies im Treppenhaus hinnehmen müssten. Das Gericht untersagte das Rauchen im Treppenhaus daher per einstweiliger Verfügung.
Wenn Rauch aus der Wohnung ins Treppenhaus zieht
Anders als im Treppenhaus gehört das Rauchen in der selbstgenutzten Wohnung grundsätzlich zum Mietgebrauch, sofern im Mietvertrag keine anderslautende, wirksame Vereinbarung getroffen wurde. Ein generelles gesetzliches Rauchverbot für die eigene Wohnung besteht nicht. Mieter müssen es daher bis zu einem gewissen Grad hinnehmen, dass in einem Mehrfamilienhaus auch Raucher wohnen und
Tabakgeruch auftreten kann.
Diese gilt jedoch nicht schrankenlos und findet seine Grenze dort, wo die Rechte anderer Mieter oder des Vermieters verletzt werden. Die maßgebliche Norm ist hierbei das mietvertragliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das sich aus § 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ergibt.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme folgt die Verpflichtung für den rauchenden Mieter, einfache und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um Beeinträchtigungen von Mitmietern zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere das ausreichende
Lüften der eigenen Wohnung, um die Rauchkonzentration zu minimieren, sowie das regelmäßige Leeren von Aschenbechern. Wird diese Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Erreicht die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches oder sogar gesundheitsgefährdendes Ausmaß, kann dies eine
Störung des Hausfriedens darstellen. In gravierenden Fällen kann eine solche Störung den Vermieter unter Umständen sogar zum Ausspruch einer
Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen.
Besonders relevant wird die Pflicht zur Rücksichtnahme, wenn Zigarettenrauch nicht in der Wohnung verbleibt, sondern massiv in das Treppenhaus dringt. Mit einem solchen Fall hatte sich der Bundesgerichtshof zu befassen (BGH, 18.02.2015 - Az:
VIII ZR 186/14). Ein Vermieter hatte einem langjährigen Mieter
fristlos, hilfsweise fristgemäß, gekündigt, weil aus dessen Wohnung starker „Zigarettengestank“ in das Treppenhaus dringe. Der Vorwurf lautete, der Mieter lüfte seine Wohnung nicht ausreichend über die Fenster und leere die Aschenbecher nicht.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch, die ein Mieter durch einfache und zumutbare Maßnahmen wie Fensterlüftung verhindern könnte, im Einzelfall eine Störung des Hausfriedens und eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten darstellen kann. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Beeinträchtigungen ein unerträgliches und gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreichen. Eine Kündigung, sei es fristlos nach
§ 569 Abs. 2 BGB wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens oder ordentlich nach
§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzung, ist demnach grundsätzlich denkbar.
Der Bundesgerichtshof verwies den zitierten Fall jedoch zur erneuten Tatsachenfeststellung an das Berufungsgericht zurück, da die bisherige Beweiswürdigung lückenhaft war. Im weiteren Verlauf wies das Landgericht Düsseldorf die Räumungsklage schließlich ab (LG Düsseldorf, 28.09.2016 - Az:
23 S 18/15).
Diese Entscheidung verdeutlicht die hohen Hürden für eine Kündigung. Das Gericht führte eine umfangreiche Beweisaufnahme durch und vernahm diverse Zeugen. Zwar bestätigte sich, dass es im Treppenhaus grundsätzlich zu Beeinträchtigungen durch Tabakgeruch gekommen war. Es konnte jedoch nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit festgestellt werden, dass diese Beeinträchtigungen auf ein vertragswidriges Verhalten des beklagten Mieters zurückzuführen waren.
An die Prüfung eines nicht mehr
vertragsgemäßen Gebrauchs sind strenge Anforderungen zu stellen, da das Rauchen zum Kernbereich der Lebensführung in der Wohnung gehört. Für eine Kündigung muss der Vermieter nachweisen, dass der Mieter das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, etwa durch unzureichendes Lüften oder mangelnde Entsorgung der Asche. Im Düsseldorfer Fall konnte nach der Zeugenvernehmung nicht ausgeschlossen werden, dass der Tabakgeruch auch von anderen Quellen, etwa Rauchern im Hauseingangsbereich, herrührte. Die Beweisaufnahme ergab kein klares Bild über nachhaltige oder unzumutbare Störungen, die allein dem Beklagten zuzuordnen waren, sodass die Kündigung scheiterte.
Zuvor hatte das Amtsgericht Düsseldorf in erster Instanz der Räumungsklage noch stattgegeben (AG Düsseldorf, 31.07.2013 - Az:
24 C 1355/13). Es sah die unzumutbare Geruchsbelästigung im Treppenhaus als unstreitig an, da der Vortrag des Beklagten hierzu als verspätet zurückgewiesen wurde. Das Amtsgericht wertete das Verhalten des Mieters, der nach dem Tod seiner Frau sein Lüftungsverhalten geändert und die Rollläden geschlossen gehalten habe, als wichtigen Kündigungsgrund, da der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Mitmieter vorrangig sei. Diese Entscheidung wurde jedoch, wie dargelegt, in den höheren Instanzen aufgehoben.
Beeinträchtigung durch Tabakrauch berechtigt zur Mietminderung
Dringt Rauch nicht nur ins Treppenhaus, sondern zieht er von einer Wohnung in die andere, kann dies ebenfalls rechtliche Folgen haben. Das Landgericht Berlin bejahte etwa eine
Mietminderung in Höhe von 3% (LG Berlin, 10.08.2017 - Az:
65 S 362/16). In dem Fall konnten Mieter nachts nicht mit geöffnetem Fenster schlafen, weil aus der darunterliegenden Wohnung Zigarettenrauch in ihr Schlafzimmer drang.
Das Gericht sah hierin eine mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs nach
§ 536 Abs. 1 BGB. Die Störung der Nachtruhe durch Nikotingeruch stelle eine besonders intensive Beeinträchtigung dar, da die Mieter ihr machtlos und unvorhersehbar während der besonders geschützten Ruhezeiten ausgesetzt seien. Auf die zeitliche Häufigkeit der Störungen komme es vor diesem Hintergrund nicht entscheidend an. Der rauchenden Mieterin sei es zumutbar, an anderen Orten der Wohnung zu rauchen, die nicht direkt unter dem Schlafzimmer der Nachbarn liegen.