Die private Lebensversicherung zählt nach wie vor zu den Säulen der privaten Altersvorsorge und der Absicherung von Hinterbliebenen. Obwohl sie in Zeiten niedriger Zinsen an Attraktivität eingebüßt hat, erfüllt sie weiterhin wichtige Funktionen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind jedoch komplex und für Laien oft schwer zu durchschauen.
Grundlagen und Formen der Lebensversicherung
Eine Lebensversicherung ist ein Vertrag, bei dem ein Versicherungsunternehmen gegen Zahlung von Prämien eine Leistung zusagt, die vom Eintritt bestimmter Ereignisse im Leben der versicherten Person abhängt – typischerweise deren Tod oder das Erreichen eines bestimmten Alters. Die vertraglichen Leistungen können als einmalige Kapitalzahlung oder als lebenslange Rente ausgestaltet sein. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen verschiedenen Vertragsformen, die unterschiedliche Absicherungsziele verfolgen.
TodesfallabsicherungenDie Risikolebensversicherung ist die reinste Form der Todesfallabsicherung. Sie leistet ausschließlich, wenn die versicherte Person während der Vertragslaufzeit verstirbt. Ihr primärer Zweck ist die finanzielle Absicherung von Angehörigen, wie dem Partner oder den Kindern, oder die Sicherung von Verbindlichkeiten, beispielsweise eines Immobiliendarlehens. Eng damit verwandt ist die Kreditlebensversicherung, die speziell auf die Tilgung eines Kredits im Todesfall des Kreditnehmers zugeschnitten ist. Eine weitere Variante ist die Sterbegeldversicherung, die eine kleinere Versicherungssumme zur Deckung der Bestattungskosten vorsieht.
ErlebensfallversicherungenIm Gegensatz dazu steht die Erlebensfallversicherung, die eine Leistung erbringt, wenn die versicherte Person einen vertraglich festgelegten Zeitpunkt erlebt. In der Praxis werden diese Formen meist in der kapitalbildenden oder fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung kombiniert. Diese Verträge sehen sowohl eine Leistung im Todesfall als auch eine Leistung im Erlebensfall vor und dienen somit gleichzeitig der Hinterbliebenenversorgung und dem Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge.
Widerruf: Schneller Ausstieg aus dem Versicherungsvertrag?
Verbrauchern steht beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Dieses Recht ermöglicht es dem Versicherungsnehmer, sich innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen vom Vertrag zu lösen. Für Lebensversicherungen gilt eine verlängerte Widerrufsfrist von 30 Tagen. Diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen erhalten hat.
Wird der Widerruf fristgerecht erklärt, wird der Vertrag von Anfang an unwirksam. Dies hat zur Folge, dass der Versicherer alle bereits gezahlten Prämien erstatten muss. Im Gegenzug erlischt der Versicherungsschutz rückwirkend. Sollte während der kurzen Zeit zwischen Vertragsschluss und Widerruf bereits ein Versicherungsfall eingetreten sein, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.
Fehlerhafte Belehrung und das „ewige Widerrufsrecht“
Von praktischer Relevanz ist die Situation, in der die vom Versicherer erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Entspricht die Belehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen, wird die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Dem Versicherungsnehmer steht dann ein zeitlich unbefristetes, oft als „ewiges Widerrufsrecht“ bezeichnetes Widerspruchsrecht zu. Dies ermöglicht es, Verträge auch noch Jahre oder Jahrzehnte nach Abschluss rückabzuwickeln.
Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung in zahlreichen Entscheidungen präzisiert. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass eine Verbraucherinformation unvollständig ist, wenn sie keine Angaben über die Frist enthält, während der ein Antragsteller an seinen Versicherungsantrag gebunden ist. Das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers entfällt nicht dadurch, dass der Versicherer den Antrag zügig annimmt (BGH, 29.11.2023 - Az:
IV ZR 117/22). Eine solche Lücke kann ebenfalls ein unbefristetes Widerspruchsrecht begründen.
Allerdings hat der BGH der Ausübung dieses Rechts Grenzen gesetzt. So ist ein Bereicherungsanspruch wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer durch einen nur geringfügigen Fehler in der Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Recht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei korrekter Belehrung auszuüben (BGH, 15.02.2023 - Az:
IV ZR 353/21).
Wann ein Fehler als „geringfügig“ einzustufen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Keine Geringfügigkeit liegt laut BGH jedoch vor, wenn eine Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis auf die gesetzlich erforderliche Form, beispielsweise die Schriftform, enthält. Der bloße Hinweis, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genüge, lässt für den Laien nicht den Schluss zu, dass eine bestimmte Form einzuhalten ist. Es ist auch nicht ausreichend, wenn der Hinweis auf die Schriftform an versteckter Stelle in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthalten, aber nicht drucktechnisch hervorgehoben ist (BGH, 15.03.2023 - Az:
IV ZR 40/21; unter Bezugnahme auf BGH, 01.06.2016 - Az:
IV ZR 482/14). In solchen Fällen bleibt das Widerspruchsrecht uneingeschränkt bestehen.
Vertragsbeendigung und der Rückkaufswert
Neben dem Widerruf besteht die Möglichkeit, einen Lebensversicherungsvertrag ordentlich zu kündigen. Im Falle einer Kündigung zahlt der Versicherer den sogenannten Rückkaufswert aus. Dies ist der nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnete Zeitwert der Versicherung. Vor allem in den ersten Vertragsjahren liegt dieser Wert oft deutlich unter der Summe der eingezahlten Beiträge, da der Versicherer zu Beginn hohe Abschluss- und Verwaltungskosten mit den Prämien verrechnet.
Die Klauseln zum Rückkaufswert müssen dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen. Der Versicherungsnehmer muss die mit einer Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile klar erkennen können. Insbesondere bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, deren Wertentwicklung von den Schwankungen an den Kapitalmärkten abhängt, stellt die Transparenz eine besondere Herausforderung dar.
Das Landgericht Köln hat entschieden, dass bei fondsgebundenen Versicherungen geringere Anforderungen an die Konkretisierung der Nachteile zu stellen sind als bei klassischen Kapitallebensversicherungen. Ein Versicherungsnehmer, der sich für ein solches Produkt entscheidet, nimmt bewusst ein Verlustrisiko in Kauf. Eine Klausel, die klar und optisch hervorgehoben darauf hinweist, dass eine Kündigung mit Nachteilen verbunden ist und in der Anfangszeit „nur in Ausnahmefällen“ ein Rückkaufswert gezahlt wird, wurde als ausreichend transparent bewertet. Eine Tabelle mit garantierten Rückkaufswerten ist bei fondsgebundenen Produkten aufgrund der unvorhersehbaren Wertentwicklung nicht möglich oder erforderlich (LG Köln, 24.01.2011 - Az:
26 O 126/10). Der Hinweis auf die Nachteile muss dabei in unmittelbarem Zusammenhang mit den Regelungen zur Kündigung stehen (vgl. BGH, 26.09.2007 - Az:
IV ZR 321/05).
Bezugsberechtigung: Wer erhält im Ernstfall das Geld?
Besonders wichtig ist die Bestimmung der bezugsberechtigten Person bei Lebensversicherungen. Dies ist die Person, die im Leistungsfall die Versicherungssumme erhalten soll. Eine klare und aktuelle Regelung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Leistung dem gewünschten Empfänger zugutekommt.
Besonders nach einschneidenden Lebensereignissen wie einer Scheidung wird die Anpassung der Bezugsberechtigung oft vergessen. Das Oberlandesgericht Koblenz stellte hierzu klar, dass eine Scheidung nicht automatisch dazu führt, dass der im Versicherungsschein benannte Ex-Ehepartner seine Ansprüche verliert. Ist die frühere Ehefrau namentlich als bezugsberechtigt eingetragen, zahlt die Versicherung an sie aus – auch wenn der Versicherungsnehmer zwischenzeitlich erneut geheiratet hat. Maßgeblich ist allein die im Vertrag getroffene Verfügung. Der mutmaßliche Wille des Verstorbenen ist in diesem Kontext unerheblich, wenn er nicht durch eine Vertragsänderung umgesetzt wurde (OLG Koblenz, 13.12.2010 - Az:
10 U 973/10).
Eine Besonderheit ergibt sich bei Versicherungen auf das Leben einer anderen Person. Hierbei muss differenziert werden: Die Änderung des Begünstigten für den Todesfall erfordert in der Regel die Zustimmung der versicherten Person. Anders verhält es sich jedoch bei der Übertragung der Versicherungsnehmerstellung oder der Bezugsberechtigung für den Erlebensfall. Hierfür ist eine Einwilligung der versicherten Person nicht erforderlich, so der Bundesgerichtshof (BGH, 27.06.2018 - Az:
IV ZR 222/16).
Beratungshaftung bei komplexen Versicherungsprodukten
Gerade bei fondsgebundenen Produkten oder Beteiligungen an Lebensversicherungsfonds bestehen erhebliche
Beratungs- und Aufklärungspflichten. Wird eine hochriskante Anlage fälschlicherweise als sichere Altersvorsorge empfohlen, können dem Anleger Schadensersatzansprüche zustehen.
Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte eine Anlageberatungsfirma zur Rückabwicklung einer Anlage, weil sie die Anlegerin nicht vollständig über die Risiken aufgeklärt hatte. Zwar wurde auf das Totalverlustrisiko hingewiesen, nicht aber darauf, dass bei einer Kommanditgesellschaft im Insolvenzfall bereits erhaltene Ausschüttungen zurückgefordert werden können (Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung). Dies stellt eine gravierende Pflichtverletzung dar. Der Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann auch nicht allein durch die unterschriebene Empfangsbestätigung für einen Emissionsprospekt geführt werden, wenn nicht dargelegt werden kann, dass dieser dem Anleger auch rechtzeitig vor der Anlageentscheidung zur Verfügung stand (LG Frankfurt/Main, 29.11.2018 - Az:
2-21 O 161/18).
Lebensversicherungen und Sozialleistungen
Der Besitz einer kapitalbildenden Lebensversicherung kann auch die Berechtigung zum Bezug von Sozialleistungen beeinflussen. Nach der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) gelten solche Versicherungen als verwertbares Vermögen, das grundsätzlich vor dem Leistungsbezug eingesetzt werden muss, sofern sie über einen realisierbaren Rückkaufswert verfügen.
Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre. Dieser Begriff schützt den Vermögensinhaber jedoch nur vor einer „Verschleuderung“, also einem deutlichen Missverhältnis zwischen dem Erlös und dem tatsächlichen Wert. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin nicht bereits dann vor, wenn durch die Kündigung der Zweck der Altersvorsorge beeinträchtigt wird. Entscheidend ist allein, ob der realisierbare Rückkaufswert die Summe der eingezahlten Beiträge unterschreitet. Übersteigt der Rückkaufswert die eingezahlten Prämien, liegt keine Unwirtschaftlichkeit vor, und die Versicherung muss zur Deckung des Lebensunterhalts verwertet werden (LSG Berlin, 02.09.2003 - Az:
L 6 AL 16/03). Ausgenommen von der Verwertung sind lediglich staatlich geförderte Altersvorsorgeverträge (z. B. Riester-Renten).