Familien mit Kindern stehen vor besonderen Herausforderungen bei der Reiseplanung. Kommt es kurz vor Reisebeginn zu einem Unfall oder einer plötzlichen Erkrankung des Kindes, kann dies die gesamte
Reise infrage stellen. In der Praxis bedeutet dies häufig, dass die Familie entweder vollständig vom
Reisevertrag zurücktritt oder die Reise verspätet antritt.
Ist ein Rücktritt vom Reisevertrag vor Reisebeginn möglich?
War der Unfall des Kindes vom
Reiseveranstalter nicht zu verantworten - was in der Regel der Fall sein dürfte -, so kommt eine Haftung des Reiseveranstalters für die Folgen des Unfalls nicht in Betracht.
Nach geltendem Reiserecht kann der Reisende jedoch gemäß
§ 651h Abs. 1 BGB vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Ein Unfall des Kindes stellt in diesem Zusammenhang jedoch keinen besonderen Rücktrittsgrund dar, es handelt es sich vielmehr um einen Rücktritt aus persönlichen Gründen.
Der Rücktritt muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Auch das bloße Nichterscheinen am Flughafen oder am Treffpunkt zur Abreise kann rechtlich als Rücktritt gewertet werden.
Die Konsequenz eines Rücktritts ist, dass der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten
Reisepreis verliert. Der Veranstalter kann aber eine angemessene Entschädigung verlangen.
Stornopauschalen und Entschädigungsansprüche des Reiseveranstalters
In der Praxis sind in nahezu allen
Allgemeinen Reisebedingungen (ARB) der Veranstalter sogenannte
Stornopauschalen vorgesehen. Diese richten sich nach dem Zeitpunkt des Rücktritts vor Reisebeginn. Erfolgt der Rücktritt kurzfristig, etwa am Tag der geplanten Abreise, so betragen die Pauschalen häufig 80 % bis 90 % des Reisepreises. Solch eine Stornopauschale ist zulässig, sofern sie die voraussichtlichen ersparten Aufwendungen sowie die mögliche anderweitige Verwendung der Reiseleistungen angemessen berücksichtigt.
Der Reisende hat die Möglichkeit, nachzuweisen, dass dem Veranstalter tatsächlich ein geringerer Schaden entstanden ist. Gemäß § 651h Abs. 2 Satz 2 BGB muss der Reiseveranstalter nämlich auf Verlangen des Reisenden die Höhe der Entschädigung begründen.
In der Praxis ist dieser Nachweis jedoch schwierig, da der Reiseveranstalter die Reiseplätze oft nicht kurzfristig weitervermitteln kann. Ein erfolgreich geführter Nachweis gelingt daher nur in Ausnahmefällen - etwa wenn die Reise deutlich überbucht ist oder bei besonders gefragten Terminen (z. B. Schulferien).
Ist eine Teilreise bei verspätetem Reiseantritt möglich?
In manchen Fällen wollen die Reisenden trotz des Unfalls mit zeitlicher Verzögerung die Reise antreten – beispielsweise dann, wenn das verletzte Kind bereits nach kurzer Zeit transportfähig ist oder ein Elternteil mit den übrigen Familienmitgliedern später nachreist. Soll die Reise zumindest teilweise angetreten werden, so ist eine solche Lösung grundsätzlich möglich, bedarf jedoch der Zustimmung des Reiseveranstalters.
Der Veranstalter kann in diesen Fällen anbieten, dass lediglich die Anreisekosten nochmals zu tragen sind. Dies ist insbesondere bei Pauschalreisen mit Flugbeförderung von Bedeutung, da der ursprünglich gebuchte Flug nicht genutzt wurde und nun neu organisiert werden muss. Ein solches Angebot stellt regelmäßig eine kulante Lösung dar und ist rechtlich als neues Vertragsangebot zu bewerten. Nimmt der Reisende dieses an, wird ein neuer Vertrag geschlossen, der gesondert abzurechnen ist.
Anders verhält es sich, wenn mit dem Reiseveranstalter vereinbart wurde, dass die gesamte Anreise beim späteren Zeitpunkt kostenfrei durchgeführt werden kann. Eine solche Vereinbarung kann auch mit einem Mitarbeiter des Reiseveranstalters am Flughafen bzw. am jeweiligen Abreiseort abgeschlossen werden. Der Reisende ist in solchen Fällen aber in der Beweislast, was den rechtsverbindlichen Abschluss dieser Vereinbarung angeht. Daher ist dringend anzuraten, eine entsprechende Zusicherung schriftlich bestätigen zu lassen.
Kann eine Reiserücktrittsversicherung vor den Rücktrittskosten schützen?
Eine
Reiserücktrittsversicherung kann in Fällen wie dem beschriebenen die finanziellen Belastungen erheblich reduzieren. Wird die Reise aus gesundheitlichen Gründen, etwa wegen eines Unfalls oder einer akuten Erkrankung des Kindes, nicht angetreten, übernimmt die Versicherung je nach Vertragsgestaltung in aller Regel die anfallenden Stornokosten. Voraussetzung ist regelmäßig, dass der Versicherungsfall unverzüglich angezeigt und durch ärztliches Attest nachgewiesen wird.
Sofern der Versicherungsvertrag einen Selbstbehalt, Ausschlüsse bei Vorerkrankungen oder bei bestimmten Arten von Unfällen enthält, so kann es sein, dass lediglich ein Teil der Stornokosten oder im schlechtesten Fall gar keine Kosten übernommen werden. Hier ist der konkret abgeschlossene Vertrag genau zu prüfen.
Zu beachten ist weiterhin, dass nicht jede Reiserücktrittsversicherung automatisch für alle Mitreisenden gilt. Besonders bei Familienreisen sollten daher alle teilnehmenden Personen einzeln oder als Gruppe in den Versicherungsschutz einbezogen werden.
Anspruch Erstattung von Steuern und Gebühren bei nicht angetretenen Flügen?
Unabhängig von der Frage einer Stornierung oder eines Rücktritts besteht bei nicht genutzten Flugtickets unter Umständen ein Anspruch auf Erstattung von Steuern und Gebühren.
Die Erstattung von Steuern und Gebühren bei nicht angetretenen Flügen ist grundsätzlich auch bei Pauschalreisen möglich, allerdings nicht automatisch und nicht in jedem Fall durchsetzbar. Es kommt entscheidend darauf an, wie der Flug Bestandteil der
Pauschalreise war – insbesondere, ob es sich um einen Linienflug oder einen Charterflug handelt und wer Vertragspartner des Flugbeförderungsvertrags ist.
Wenn der Flug Teil der Pauschalreise ist und der Veranstalter für den Flugvertrag mit der Airline verantwortlich ist (also Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist), hat der Reisende keinen direkten Anspruch gegen die Airline. Der Veranstalter ist jedoch nicht verpflichtet, Steuern und Gebühren separat zu erstatten, wenn die gesamte Reise nicht angetreten wird, wenn ein anderes nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
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