Verkehrsunfall? Mit einer ➠ Unfallregulierung Ansprüche unkompliziert geltend machen!Winterzeit ist für viele auch Skifahrzeit. Doch wo sich zahlreiche Wintersportler auf den Pisten tummeln, bleiben Unfälle nicht aus. Kollisionen zwischen Skifahrern oder Snowboardern führen nicht selten zu erheblichen Verletzungen und hohen Kosten. Die rechtliche Beurteilung von Skiunfällen und der Haftung folgt dabei festen Grundsätzen, die sich über Jahre in der Rechtsprechung etabliert haben.
Als oberste Grundregel beim Skifahren gilt, dass die Geschwindigkeit und das fahrerische Verhalten stets dem eigenen Können sowie den allgemeinen Pisten-, Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen angepasst werden müssen. Dies wurde von den Gerichten immer wieder so entschieden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese und weitere Verhaltenspflichten verstößt und dadurch eine andere Person am Körper verletzt oder deren Eigentum beschädigt, macht sich schadensersatzpflichtig. Dies umfasst nicht nur die Kosten für ärztliche Behandlungen, beschädigte Ausrüstung oder Verdienstausfall, sondern auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Sollten Versicherungen des Geschädigten, wie etwa eine Kranken- oder Unfallversicherung, bereits Leistungen erbracht haben, können diese im Wege des Regresses vom Unfallverursacher zurückgefordert werden. Verfügt der Schädiger über eine private Haftpflichtversicherung, kommt diese im Regelfall für den entstandenen Schaden auf.
FIS-Regeln als maßgeblicher Verhaltensstandard
Um die Frage des Verschuldens bei einem Skiunfall zu klären, ziehen Gerichte in der Praxis regelmäßig die international annerkannten Verhaltensregeln des Internationalen Skiverbandes (FIS) heran. Bereits im Jahr 1967 formulierte der Verband zehn grundlegende Regeln, die als eine Art ungeschriebenes Gesetz auf den Pisten dieser Welt gelten. Obwohl die FIS-Regeln keine Gesetzeskraft besitzen, haben sie sich in der Rechtsprechung als ein anerkannter Maßstab zur Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflichten etabliert. Sie werden als Ausdruck des Gewohnheitsrechts angesehen und dienen als entscheidende Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob sich ein Skifahrer pflichtwidrig verhalten hat. Ihre Geltung ist dabei nicht auf ein bestimmtes Land beschränkt, was ein Urteil des Landgerichts Frankenthal verdeutlicht, bei dem die FIS-Regeln zur Beurteilung eines Unfalls in Kanada herangezogen wurden (vgl. LG Frankenthal, 17.11.2020 - Az:
7 O 141/19).
Die zehn Verhaltensregeln lauten wie folgt: |
1. Rücksicht auf die anderen Skifahrer und Snowboarder |
Jeder Skifahrer und Snowboarder muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet, schädigt oder ihn in der Ausübung seiner Tätigkeit einschränkt. |
2. Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise |
Jeder Skifahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen. |
3. Wahl der Fahrspur |
Der von hinten kommende Skifahrer oder Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet. |
4. Überholen |
Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer oder Snowboarder für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt. |
5. Einfahren und Anfahren |
Jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Skiabfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. |
6. Anhalten |
Jeder Skifahrer und Snowboarder muss es vermeiden, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten. Ein gestürzter Skifahrer oder Snowboarder muss eine solche Stelle so schnell wie möglich freimachen. |
7. Aufstieg und Abstieg |
Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen. |
8. Beachten der Zeichen |
Jeder Skifahrer und Snowboarder muss die Markierung und die Signalisierung beachten. |
9. Hilfeleistung |
Bei Unfällen ist jeder Skifahrer und Snowboarder zur Hilfeleistung verpflichtet. |
10. Ausweispflicht |
Jeder Skifahrer und Snowboarder, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalles seine Personalien angeben. |
Vorrang des vorderen Skifahrers: Die wichtigste Regel in der Praxis
Die mit Abstand häufigsten Unfälle auf Skipisten sind Kollisionen, bei denen ein von hinten kommender Skifahrer mit einem vorausfahrenden Wintersportler zusammenstößt. Für diese Fälle sind insbesondere die FIS-Regeln Nr. 3 und 4 von entscheidender Bedeutung. Regel Nr. 3 besagt, dass der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen hat, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Ergänzend dazu legt Regel Nr. 4 fest, dass das Überholen zwar von allen Seiten gestattet ist, jedoch immer mit einem ausreichenden Abstand erfolgen muss, der dem überholten Skifahrer für all seine Bewegungen genügend Raum lässt.
Aus diesen Regeln hat die Rechtsprechung einen wichtigen Grundsatz abgeleitet: den Anscheinsbeweis zulasten des von hinten kommenden Skifahrers. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem vorderen und einem hinteren Fahrer, spricht der erste Anschein dafür, dass der hintere Fahrer seine Sorgfaltspflichten verletzt und den Unfall verursacht hat. Ähnlich wie im Straßenverkehr bei einem Auffahrunfall wird zunächst vermutet, dass der von hinten Kommende entweder seine Fahrspur falsch gewählt, die Geschwindigkeit nicht angepasst oder den notwendigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (vgl. LG Köln, 15.08.2017 - Az:
30 O 53/17).
Für den vorausfahrenden Geschädigten stellt dieser Anscheinsbeweis eine erhebliche Beweiserleichterung dar. Er muss nicht im Detail nachweisen, wie es zum Unfall kam. Vielmehr muss der von hinten kommende Skifahrer den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er einen atypischen Geschehensablauf beweist, der auf ein Mitverschulden des Vorausfahrenden hindeutet. Dies gelingt in der Praxis jedoch nur selten. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Fall klargestellt, dass der vordere Skifahrer darauf vertrauen darf, dass der von oben kommende Fahrer beim Überholen ausreichend Abstand wahrt. Eine Pflicht, sich hangaufwärts zu orientieren und den rückwärtigen Verkehr zu beobachten, besteht für den Vorausfahrenden grundsätzlich nicht (vgl. OLG Hamm, 05.11.2008 - Az:
13 U 81/08). Vielmehr muss der hintere, überholende Fahrer sein Verhalten vorausschauend auf alle denkbaren Bewegungen des vorderen Fahrers einstellen, selbst wenn dieser weite Bögen fährt oder seine Richtung ändert (vgl. OLG Brandenburg, 04.02.2020 - Az:
12 U 112/19).
Der Anscheinsbeweis greift jedoch nicht schematisch. Voraussetzung ist stets, dass der typische Geschehensablauf einer „Heckkollision“ feststeht. Ist der Unfallhergang zwischen den Beteiligten streitig und lässt sich nicht mehr aufklären, wer von beiden vorausfuhr und wer von hinten kam, ist für die Anwendung eines Anscheinsbeweises kein Raum (vgl. OLG Schleswig, 28.08.2012 - Az:
11 U 10/12).
Weitere wichtige Verhaltenspflichten auf der Piste
Neben der Rücksichtnahme auf vorausfahrende Personen sind weitere FIS-Regeln von praktischer Relevanz. Dazu gehört insbesondere die Beherrschung von Geschwindigkeit und Fahrweise (Regel Nr. 2). Jeder Skifahrer muss auf Sicht fahren und sein Tempo seinem Können, den Verhältnissen und der Verkehrsdichte anpassen. Eine besondere Sorgfaltspflicht gilt zudem beim Einfahren in eine Piste oder beim Wiederanfahren nach einem Halt (Regel Nr. 5). Wer in den fließenden Skiverkehr einfahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass dies ohne Gefahr für sich und andere möglich ist. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führte im Fall des Landgerichts Frankenthal zur vollen Haftung eines Skifahrers, der beim Ausfahren einer Kurve leicht hangaufwärts fuhr und dabei mit einem von oben kommenden Snowboarder kollidierte (vgl. LG Frankenthal, 17.11.2020 - Az:
7 O 141/19).
Darüber hinaus verpflichten die FIS-Regeln dazu, an engen oder unübersichtlichen Stellen nicht ohne Not anzuhalten (Regel Nr. 6), Markierungen und Signale zu beachten (Regel Nr. 8) sowie bei Unfällen Hilfe zu leisten (Regel Nr. 9) und die eigenen Personalien anzugeben (Regel Nr. 10).
Folgen eines Pflichtverstoßes: Schadensersatz und Schmerzensgeld
Hat ein Skifahrer den Unfall schuldhaft verursacht, ist er zum Ersatz des gesamten daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Dazu gehört der materielle Schaden, wie etwa die Kosten für die Heilbehandlung, Reparatur oder Ersatz der Skiausrüstung sowie ein möglicher Verdienstausfall. Handelt es sich bei dem Geschädigten um einen Unternehmer, kann der Erwerbsschaden auch in den Kosten für Ersatzarbeitskräfte oder dem Mehraufwand des vorhandenen Personals bestehen (vgl. OLG Stuttgart, 22.09.2016 - Az:
13 U 26/16).
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