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Unterhalt trotz vorgezogenem Ruhestand: Was gilt bei Frührente und Altersteilzeit?

Familienrecht | Lesezeit: ca. 11 Minuten

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Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand geht oft mit einer Reduzierung der monatlichen Einkünfte einher. Bestehen zu diesem Zeitpunkt Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem geschiedenen Ehegatten oder Kindern, stellt sich unweigerlich die Frage nach den Konsequenzen für die laufenden Zahlungen. Insbesondere der vorzeitige, also vor Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze angetretene Ruhestand, wirft unterhaltsrechtliche Fragen auf.

Grundsätzlich gilt, dass eine bestehende Unterhaltsverpflichtung durch den Eintritt des Unterhaltspflichtigen in den vorgezogenen Ruhestand nicht automatisch endet oder sich verringert. Entscheidend ist vielmehr, welches Einkommen für die zukünftige Berechnung des Unterhaltsanspruchs zugrunde zu legen ist.

Grundsätzliche Erwerbsobliegenheit bis zur Regelaltersgrenze

Im Unterhaltsrecht existiert der Grundsatz der Erwerbsobliegenheit. Das bedeutet, dass ein Unterhaltspflichtiger dazu angehalten ist, seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen, um seinen Verpflichtungen nachkommen zu können. Diese Obliegenheit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, endet nicht willkürlich, sondern grundsätzlich erst mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze. Allein die Tatsache, dass die sozialrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer vorgezogenen Altersrente, beispielsweise mit 63 Jahren, erfüllt sind, führt nicht automatisch zum Entfallen der unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Ehegatten- oder Kindesunterhalt handelt. Dies hat der Bundesgerichtshof mehrfach bestätigt, da mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze keine Erwerbstätigkeit mehr verlangt werden kann (vgl. BGH, 12.01.2011 - Az: XII ZR 83/08). Einkommen aus einer späteren freiwilligen Erwerbstätigkeit („überobligatorisch“) wird nicht automatisch, sondern nur nach einer Einzelfallabwägung für den Unterhalt berücksichtigt.

Die Frage, ob von einer Person vor Erreichen der gesetzliche Regelaltersgrenze noch eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, ist nach rein unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Die in den Sozialgesetzen verankerten flexiblen Altersgrenzen sind dabei kein geeigneter Maßstab, da diese auf sozialpolitischen Erwägungen beruhen, die für die unterhaltsrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend sind.

Entschließt sich ein Unterhaltspflichtiger also freiwillig für den vorzeitigen Ruhestand, obwohl er gesundheitlich und aufgrund der Arbeitsmarktlage weiterhin in der Lage wäre, sein bisheriges Einkommen zu erzielen, wird dies als Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit gewertet. In einem solchen Fall kann für die Unterhaltsberechnung ein fiktives Einkommen angesetzt werden, das der Höhe des bisherigen Verdienstes entspricht. Der Unterhaltsschuldner muss sich so behandeln lassen, als würde er weiterhin voll erwerbstätig sein. Diese Fiktion kann bis zur Regelaltersgrenze aufrechterhalten werden (vgl. OLG Saarbrücken, 17.02.2011 - Az: 6 UF 114/10).

Erst mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze entfällt die Erwerbsobliegenheit endgültig und es muss grundsätzlich nur noch das tatsächliche Altersruhegeld eingesetzt werden.

Freiwillige Entscheidung oder drohender Arbeitsplatzverlust?

Eine andere Bewertung ist jedoch geboten, wenn der Eintritt in den Vorruhestand oder die Vereinbarung von Altersteilzeit nicht auf einer freien Entscheidung beruht, sondern aus zwingenden beruflichen Gründen erfolgt. Eine freiwillige Reduzierung der Arbeitszeit und die damit einhergehende Einkommensverringerung dürfen grundsätzlich nicht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Personen gehen. Stand der Unterhaltspflichtige jedoch vor der konkreten Gefahr einer betriebsbedingten Kündigung oder dem ersatzlosen Verlust seines Arbeitsplatzes, kann die Altersteilzeit eine sachlich gerechtfertigte Maßnahme zur Sicherung der weiteren Beschäftigung darstellen.

Maßgeblich ist hier die objektive Zwangslage. Ist eine Weiterbeschäftigung nachweislich nicht möglich, muss das tatsächlich reduzierte Einkommen auch unterhaltsrechtlich akzeptiert werden. Es gilt insbesondere zu differenzieren, ob die Maßnahme (Altersteilzeit, vorzeitige Rente) – notfalls unter Beweisaufnahme – wirklich unumgänglich war.

Wenn die Altersteilzeit in einer solchen Konstellation die einzige realistische Möglichkeit war, den Arbeitsplatzverlust abzuwenden, wird die Einkommensminderung unterhaltsrechtlich anerkannt. In diesem Fall ist das tatsächlich erzielte, reduzierte Einkommen aus der Altersteilzeit für die Unterhaltsberechnung maßgeblich, und es wird kein höheres fiktives Einkommen angesetzt. Entscheidend ist also, ob der Schritt in den Vorruhestand eine leichtfertige Minderung des Einkommens oder eine nachvollziehbare Reaktion auf äußere Umstände war.

Welche Rolle spielt eine Abfindung im Unterhaltsrecht?

Häufig ist der Übergang in den Vorruhestand mit der Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber verbunden. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine solche Abfindung Lohnersatzfunktion. Sie dient dazu, die Einkommenslücke zu schließen, die durch den Wegfall des Arbeitslohns entsteht. Unterhaltsrechtlich wird die Abfindung daher nicht als einmaliges Vermögen betrachtet, sondern auf einen angemessenen Zeitraum verteilt, üblicherweise bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Der Unterhaltsschuldner ist somit verpflichtet, die Abfindung zu nutzen, um seine geringere Rente bis zur Höhe seines früheren Nettoeinkommens aufzustocken. Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Ehegattenunterhalt, sondern auch für die Bemessung des Kindesunterhalts.

Eine Besonderheit ergibt sich im Zusammenspiel von Unterhalt und güterrechtlichem Zugewinnausgleich. Haben die Ehegatten eine Abfindung bereits einvernehmlich für die Zahlung des laufenden Unterhalts verwendet, kann diese nicht noch einmal im Rahmen des Zugewinnausgleichs berücksichtigt werden. Eine solche doppelte Teilhabe, sowohl unterhaltsrechtlich als auch güterrechtlich, widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BGH, 21.04.2004 - Az: XII ZR 185/01). Wurde die Abfindung also bereits für Unterhaltszahlungen „verbraucht“, kann sie dem Vermögen, das beim Zugewinnausgleich geteilt wird, entzogen sein. Wurde eine Abfindung bereits im Rahmen des Zugewinnausgleichs berücksichtigt, kann sie im Unterhalt nicht erneut herangezogen werden.

Gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Kindern

Besonders strenge Maßstäbe gelten, wenn es um den Unterhalt für minderjährige Kinder geht. Hier besteht eine sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der unterhaltspflichtige Elternteil ist in diesem Fall verpflichtet, seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und alle zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, um den Mindestunterhalt des Kindes sicherzustellen. Ein leichtfertiges, unterhaltsbezogenes Fehlverhalten, wie die freiwillige Aufgabe eines Arbeitsplatzes zugunsten einer geringeren Vorruhestandsrente, wird hier noch kritischer gesehen. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine vorgezogene Altersrente erfüllt sind, bleibt die Erwerbsobliegenheit gegenüber einem minderjährigen Kind grundsätzlich bis zur gesetzlichen Altersgrenze bestehen (vgl. OLG Saarbrücken, 28.10.2004 - Az: 6 WF 75/04). Bei verbleibenden Zweifeln wird von Leistungsfähigkeit ausgegangen (vgl. OLG Bremen, 10.11.2016 - 4 UF 113/16).

Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit gilt auch bei privilegiert volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB).

Was gilt bei Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze?

Mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet die Erwerbsobliegenheit im unterhaltsrechtlichen Sinne. Es besteht dann keine Verpflichtung mehr, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen, um den bisherigen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen zu können (vgl. OLG Düsseldorf, 20.12.2006 - Az: II-8 UF 136/06). Das Einkommen des Unterhaltspflichtigen besteht dann nur noch aus seinen Altersbezügen.

Geht ein Rentner jedoch freiwillig einer weiteren, sogenannten überobligatorischen Erwerbstätigkeit nach, kann dieses zusätzliche Einkommen unter Umständen teilweise für den Unterhalt herangezogen werden. Dies hängt von der Höhe der zusätzlichen Einkünfte und den Umständen des Einzelfalls ab. Erzielt ein Unterhaltspflichtiger neben seiner Rente erhebliche weitere Einkünfte, kann es nach Billigkeitsgesichtspunkten zumutbar sein, einen Teil davon für die Aufstockung der Unterhaltsleistungen zu verwenden (vgl. OLG Düsseldorf, 12.03.2009 - Az: 8 WF 210/08; OLG Hamm, 10.11.2011 - Az: II-11 UF 194/10).
Stand: 10.10.2025
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