Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Der Anspruch auf
Erholungsurlaub ist ein häufiger Streitpunkt bei der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses. Dabei spielen sowohl der Zeitpunkt der
Kündigung als auch die bisherige Urlaubsregelung eine Rolle.
Arbeitgeber und
Arbeitnehmer haben oft unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sich der verbleibende Urlaubsanspruch rechtlich gestaltet.
Wie hoch ist der Urlaubsanspruch?
Gemäß
§ 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Mindesturlaub beträgt bei einer Sechs-Tage-Woche 24 Werktage (
§ 3 Abs. 1 BUrlG). Arbeitnehmer erwerben ihren vollen Urlaubsanspruch jedoch erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Wartezeit (
§ 4 BUrlG).
Insoweit kommt es also hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruch auf den Zeitpunkt der Kündigung an.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch eines kündigenden Arbeitnehmers umfasst den gesamten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erfüllten Urlaubsanspruch und ist nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt (BAG, 22.10.2009 - Az:
8 AZR 865/08).
Kündigung in der ersten Jahreshälfte
Wenn ein Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres endet und der Arbeitnehmer die Wartezeit von sechs Monaten erfüllt hat, entsteht gemäß
§ 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG ein Anspruch auf Teilurlaub. Dieser beträgt ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis bestand.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer mit einem Urlaubsanspruch von 24 Werktagen kündigt zum 31. März. Das Arbeitsverhältnis bestand somit drei volle Monate. Der Urlaubsanspruch beträgt: 24 Tage ÷ 12 × 3 = 6 Urlaubstage.
Kündigung in der zweiten Jahreshälfte
Wird das Arbeitsverhältnis nach der ersten Hälfte des Kalenderjahres beendet, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den vollen Jahresurlaub, sofern die Wartezeit erfüllt wurde (§ 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG).
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer scheidet zum 30. September aus dem Betrieb aus. Da das Arbeitsverhältnis über die erste Jahreshälfte hinaus bestand, besteht Anspruch auf den gesamten Jahresurlaub.
Arbeitnehmer muss Urlaub beantragen
Auch bei Kündigung ist Urlaub zu beantragen, damit dieser nicht verfällt. Der Arbeitgeber muss ihn nicht von sich aus gewähren. Der Arbeitgeber ist ohne Antrag des Arbeitnehmers nicht zur Gewährung von Urlaub verpflichtet und muss deshalb ohne einen solchen Antrag nicht Urlaub als Schadensersatz leisten (LAG München, 20.04.2016 - Az:
11 Sa 983/15).
Wann kommt eine Urlaubsabgeltung in Betracht?
Wenn der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vollständig oder gar nicht in Anspruch genommen hat, entsteht ein
Abgeltungsanspruch. Dieser ist in
§ 7 Abs. 4 BUrlG geregelt:
„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedarf.
Der Abgeltungsanspruch stellt sicher, dass der Arbeitnehmer keinen Nachteil erleidet, wenn der Urlaub nicht genommen werden konnte. Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots (LAG Schleswig-Holstein, 09.06.2021 - Az:
3 Sa 82/21).
Die Urlaubsabgeltung berechnet sich auf Grundlage des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (
§ 11 BUrlG).
Sofern für den über den Mindesturlaub hinausgehenden Teil keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurde, besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Abgeltungsanspruch für den Gesamturlaub (BAG, 22.10.2009 - Az:
8 AZR 865/08).
Wie wirkt sich eine Erkrankung des Arbeitnehmers aus?
Ein Sonderfall tritt ein, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt seinen Urlaub nicht mehr antreten konnte. Entscheidend ist dabei, ob der Urlaubsanspruch zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestand.
Der Urlaubsanspruch wird bei Krankheit auf das folgende Kalenderjahr übertragen. Dieser übertragene Urlaub verfällt allerdings gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer erkrankt im November 2023 und bleibt bis März 2024
arbeitsunfähig. Sein Resturlaub aus 2023 verfällt am 31. März 2025, sofern er bis dahin nicht genommen wurde.
Auch bei krankheitsbedingtem Urlaubsausfall bleibt der Abgeltungsanspruch bestehen, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während des gesamten Arbeitsverhältnisses erkrankt war.
Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber
Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis
fristlos sowie hilfsweise ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist und erklärt er im Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Nach § 1 BUrlG setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (BAG, 10.02.2015 - Az:
9 AZR 455/13).
Ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ungewiss, weil der Arbeitnehmer gegen die fristlose Kündigung
Kündigungsschutzklage erhoben hat, steht dies der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitnehmer das Bestehen seiner Arbeitspflicht kennt, sondern dass er die Gewissheit hat, während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen zu werden, und sich deshalb nicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung bereithalten muss (BAG, 25.08.2020 - Az:
9 AZR 612/19).
Die Erklärung in einem Kündigungsschreiben, es werde eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen abgegolten, stellt im Übrigen ein deklaratorisches Schuldversprechen dar. Ist die Anzahl der Urlaubstage aufgrund einer fehlerhaften Angabe im Personalabrechnungssystem zu hoch angegeben worden, so kann die Erklärung grundsätzlich weder angefochten werden, noch ist es dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf das Schuldversprechen zu berufen (LAG Köln, 04.04.2012 - Az:
9 Sa 797/11).
Ausschluss von Doppelansprüchen bei unwirksamer Kündigung
Der Anspruch auf Urlaub besteht nach
§ 6 Abs. 1 BUrlG nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist.
Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres den Arbeitgeber wechselt. Sie erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.
Geht ein Arbeitnehmer nach einer rechtswidrigen Kündigung einer anderen Beschäftigung nach, entstehen für den Zeitraum der zeitlichen Überschneidung beider Arbeitsverhältnisse auch dann ungeminderte Urlaubsansprüche sowohl gegenüber dem alten als auch gegenüber dem neuen Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht hätte kumulativ erfüllen können.
In einem solchen Fall ist jedoch zur Vermeidung doppelter Urlaubsansprüche der Urlaub, den der Arbeitnehmer vom neuen Arbeitgeber erhalten hat, in entsprechender Anwendung von
§ 11 Nr. 1 KSchG und
§ 615 Satz 2 BGB auf den Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch gegen seinen alten Arbeitgeber anzurechnen. Die Anrechnung ist kalenderjahresbezogen vorzunehmen (BAG, 05.12.2023 - Az:
9 AZR 230/22).