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Die MPU-Untersuchung: Welche Grundsätze gelten für das Gutachten?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) ist oft mit großer Unsicherheit verbunden – auch wenn es sich hierbei nicht um eine Strafe, sondern eine präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr handelt. Die Fahreignungsbegutachtung entscheidet darüber, ob eine Person als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird und ihre Fahrerlaubnis zurückerhält oder behalten darf.

Angesichts der weitreichenden Konsequenzen eines solchen Gutachtens ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Untersuchung selbst nach strengen und nachvollziehbaren Regeln abläuft. Diese Regeln sind nicht dem Ermessen der Begutachtungsstellen überlassen, sondern klar definiert. Die zentralen Vorschriften finden sich in den §§ 11–14 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), sowie insbesondere in deren Anlagen 4 und 15. Diese legen detailliert die Grundsätze fest, die sowohl bei der Durchführung der Untersuchung als auch bei der anschließenden Erstellung des Gutachtens zu beachten sind. Sie dienen dem Schutz des Betroffenen vor willkürlichen oder wissenschaftlich nicht fundierten Bewertungen und sollen gleichzeitig sicherstellen, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gewahrt bleibt.

Untersuchung muss anlassbezogen und wissenschaftlich sein

Die Grundlage jeder MPU ist die strikte Bindung an den Anlass und die wissenschaftlichen Standards. Gemäß Anlage 15 zur FeV darf die Untersuchung nicht zu einer umfassenden Persönlichkeitsanalyse des Betroffenen ausarten. Vielmehr muss sie sich auf die von der Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung konzentrieren. Die Behörde leitet das Verfahren ein, weil konkrete Zweifel an der Fahreignung bestehen – sei es wegen einer TrunkenheitsfahrtDrogenkonsums oder wiederholter Verkehrsverstöße. Der Gutachter hat die Aufgabe, exakt diese Zweifel aufzuklären und darf seinen Untersuchungsrahmen nicht eigenmächtig erweitern.

Die Untersuchung darf nur durch amtlich anerkannte Begutachtungsstellen durchgeführt werden, deren Unabhängigkeit gesetzlich gesichert ist (vgl. § 66 FeV).

Der Gegenstand der Untersuchung ist demnach klar begrenzt: Es werden ausschließlich solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen geprüft, die für die Kraftfahreignung von Bedeutung sind. Allgemeine Charaktereigenschaften oder Lebensumstände, die keinen direkten Bezug zur Sicherheit im Straßenverkehr haben, sind irrelevant. Ferner ist vorgeschrieben, dass die Untersuchungsmethoden anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen genügen müssen. Dies stellt sicher, dass die verwendeten Testverfahren, Gesprächsführungen und diagnostischen Kriterien objektiv, valide und zuverlässig sind.

Bevor die eigentliche Untersuchung beginnt, hat der Gutachter den Betroffenen umfassend über den Gegenstand und den Zweck der Begutachtung aufzuklären. Zudem muss der gesamte Untersuchungsverlauf sorgfältig aufgezeichnet werden.

Der Betroffene darf sich auf die MPU vorbereiten, z.B. durch Nachweise über Abstinenz oder Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen.

Die Herausgabe des Gutachtens an die Behörde darf nur nach Zustimmung des Betroffenen erfolgen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV).

Ein negatives Gutachten führt nicht automatisch zur Entziehung der Fahrerlaubnis, der Betroffene kann im Fahrerlaubnisverfahren noch Stellung nehmen.

Es ist ebenfalls möglich, ein Gutachten anzufechten, etwa durch ein Gegen-Gutachten.

Prognose bei Alkohol- und Drogenauffälligkeiten

Ein besonders wichtiger Bereich der MPU betrifft die Aufklärung von Eignungszweifeln im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen. Hier geht es nicht primär um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern um eine Prognose für die Zukunft. Der Gutachter muss bewerten, ob zu erwarten ist, dass die betreffende Person zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln führen wird. Hat in der Vergangenheit eine Abhängigkeit von Alkohol oder Betäubungsmitteln bestanden, so muss die Untersuchung darauf abzielen festzustellen, ob diese Abhängigkeit nicht mehr besteht. Die Rechtsprechung misst dabei ärztlichen Diagnosen, die im Rahmen einer stationären Behandlung gestellt wurden, eine hohe Verlässlichkeit bei (vgl. VGH Bayern, 27.07.2012 - Az: 11 CS 12.1511). Eine solche Diagnose kann auch dann berücksichtigt werden, wenn sie in einem Kurzentlassungsbrief einer Fachklinik formuliert wurde, da davon auszugehen ist, dass sie auf einer intensiven und fachkundigen Auseinandersetzung mit dem Patienten beruht.

Lag lediglich ein Alkoholmissbrauch ohne Abhängigkeit vor, verschiebt sich der Fokus der Untersuchung. Dann ist zu klären, ob der Betroffene zukünftig in der Lage sein wird, den Alkoholkonsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs zuverlässig voneinander zu trennen. Die Fahrerlaubnis darf in solchen Fällen nur dann wiedererteilt werden, wenn ein grundlegender Wandel in der Einstellung nachgewiesen wird. Es reicht nicht aus, lediglich Abstinenz zu geloben. Vielmehr müssen zum Zeitpunkt der Begutachtung Bedingungen vorliegen, die einen Rückfall in alte Verhaltensmuster als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Das Gutachten kann in diesem Zusammenhang auch Empfehlungen für Auflagen aussprechen, etwa die Teilnahme an Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung oder die Anordnung von Nachschulungen, um die positive Prognose abzusichern.

Was gilt bei wiederholten Verstößen und Straftaten?

Nicht nur Alkohol- und Drogendelikte können zu einer MPU führen, sondern auch wiederholte oder erhebliche Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Straftaten, die auf ein hohes Aggressionspotenzial oder eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber Regeln schließen lassen. Auch hier richtet sich der Blick des Gutachters in die Zukunft: Es ist zu prognostizieren, ob zu erwarten ist, dass die Person nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen Gesetze verstoßen wird. Ähnlich wie bei Alkohol- und Drogenfragestellungen ist auch hier ein nachvollziehbarer und stabiler Einstellungswandel die Voraussetzung für eine positive Prognose. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass die Anordnung einer MPU auch bei einer Häufung unterschiedlicher Delikte gerechtfertigt sein kann. So können beispielsweise mehrere Fälle von Fahren ohne Fahrerlaubnis in Kombination mit Geschwindigkeitsüberschreitungen und Alkoholdelikten die Anordnung einer Begutachtung tragen (vgl. VG Gelsenkirchen, 16.03.2011 - Az: 7 K 2892/10).

Nachvollziehbarkeit des Gutachtens als oberstes Gebot

Nach Abschluss der Untersuchung werden die Ergebnisse in einem schriftlichen Gutachten zusammengefasst. Auch für dessen Erstellung gelten strenge formale und inhaltliche Anforderungen. Das Gutachten muss in einer allgemein verständlichen Sprache verfasst, logisch schlüssig sowie nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit erfordert, dass alle wesentlichen Befunde aus den medizinischen und psychologischen Untersuchungsteilen wiedergegeben und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen transparent dargestellt werden. Ein außenstehender Dritter muss den Gedankengang des Gutachters von der Befunderhebung bis zum Endergebnis lückenlos folgen können.

Die Nachprüfbarkeit zielt auf die wissenschaftliche Fundierung ab. Die angewendeten Untersuchungsverfahren müssen benannt werden, und falls sich die Schlussfolgerungen auf externe Forschungsergebnisse stützen, sind die entsprechenden Quellen anzugeben. Das Gutachten muss dabei nicht die wissenschaftlichen Grundlagen im Detail darlegen, aber es muss einem anderen Sachverständigen ermöglichen, die Methodik und deren Anwendung zu überprüfen. Gerichte betonen immer wieder die Wichtigkeit dieser Grundsätze. Ein Gutachten, das diesen Anforderungen nicht genügt, kann als Grundlage für eine behördliche Entscheidung, wie den Entzug der Fahrerlaubnis, unzureichend sein (vgl. VG Bremen, 24.03.2011 - Az: 5 V 2090/10). Es muss zudem in allen wesentlichen Punkten vollständig sein und die von der Behörde gestellten Fragen beantworten. Der Umfang kann dabei variieren: Bei einer eindeutigen Faktenlage kann das Gutachten knapper ausfallen, während eine komplizierte oder widersprüchliche Situation eine ausführlichere Darstellung erfordert.

Kann ein Dolmetscher hinzugezogen werden?

Um die Chancengleichheit zu wahren, kann die MPU unter Hinzuziehung eines beeidigten Dolmetschers durchgeführt werden, falls der Betroffene die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht. Die Kosten hierfür hat jedoch der Betroffene selbst zu tragen.

Interessenkonflikte sind ausgeschlossen

Ein weiterer wesentlicher Grundsatz betrifft die Unabhängigkeit des Gutachters. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es gesetzlich ausgeschlossen, dass eine Person, die den Betroffenen in einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung oder in einem Aufbauseminar betreut hat oder betreuen wird, diesen auch begutachtet. Die Unbefangenheit der Sachverständigen folgt vor allem aus § 11 Abs. 5 FeV und Anlage 15 Nr. 2.5.

Verwertung älterer Gutachten

Ein MPU-Gutachten wird zudem nicht unbegrenzt in der Akte des Betroffenen aufbewahrt. Grundsätzlich gilt eine Löschungsfrist von zehn Jahren. Allerdings richtet sich die Frist nach der Tilgung der zugrundeliegenden Entscheidung über die Fahrerlaubnis. Dies kann dazu führen, dass die Frist auch länger als zehn Jahre beträgt, wenn die Eintragung im Fahreignungsregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister eine längere Tilgungsfrist hat. Ein Gutachten stellt eine neue, eigenständige Tatsache dar. Es kann daher auch dann noch verwertet werden, wenn die ursprünglichen Taten, die zur Anordnung führten, bereits getilgt sind (vgl. VG Berlin, 04.03.2021 - Az: 4 K 125.20). Dies liegt darin begründet, dass das Gutachten eigene Bewertungen und Beurteilungen enthält, die über die reinen Fakten der früheren Delikte hinausgehen, etwa indem es den Umgang des Betroffenen mit seiner Vergangenheit analysiert. Eine solche Verwertbarkeit unterliegt jedoch in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Abwägung und gilt nicht schrankenlos.
Stand: 16.10.2025
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