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Nacherfüllung beim Fahrzeugkauf: Wann eine Nachbesserung bei Mängeln eingefordert werden kann

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 18 Minuten

Beim Autokauf kann es trotz aller Vorsicht zu Mängeln kommen. In solchen Fällen steht dem Käufer das Recht auf Nacherfüllung zu - etwa durch Reparatur oder Ersatzlieferung. Doch wie funktioniert die Nacherfüllung beim Fahrzeugkauf genau, welche Rechte hat der Käufer und worin unterscheiden sich Neuwagen- und Gebrauchtwagen in der Gewährleistung?

Was bedeutet Nacherfüllung?

Nacherfüllung umfasst zwei mögliche Leistungen des Verkäufers:
  • Mängelbeseitigung (Reparatur)
  • Ersatzlieferung (Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs)
Der Käufer hat grundsätzlich die Wahl, ob er eine Reparatur oder eine Ersatzlieferung verlangt. Der Verkäufer muss diesem Wunsch entsprechen, es sei denn, die gewählte Art der Nacherfüllung ist nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.

Es steht übrigens dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache nicht entgegen, dass er gegebenenfalls zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels verlangt hat. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs ist gesetzlich (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, sodass der Käufer nicht daran gehindert ist, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen. Außerdem darf ein Käufer auch dann an seiner Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung festhalten, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt wird (BGH, 24.10.2018 - Az: VIII ZR 66/17).

Hinweis: Die Nacherfüllung ist eine zwingende erste Stufe im Rahmen der Gewährleistung. Der Käufer muss dem Verkäufer zunächst die Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, bevor er weitere Rechte wie Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz geltend machen kann.

Besonderheiten bei der Nacherfüllung beim Gebrauchtwagenkauf

Beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs ist die Möglichkeit der Nacherfüllung naturgemäß eingeschränkt. Eine Ersatzlieferung ist meist ausgeschlossen, da ein „gleichwertiges“ Gebrauchtfahrzeug selten verfügbar sein dürfte.

Daher beschränkt sich die Nacherfüllung beim Gebrauchtwagenkauf in der Regel auf die Mängelbeseitigung.

Nach § 439 Abs. 4 BGB kann der Verkäufer die gewünschte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

Bei Gebrauchtwagen kann eine Reparatur schnell unverhältnismäßig teuer werden, etwa wenn eine Instandsetzung mehr kosten würde als der Zeitwert des Fahrzeugs. Der Verkäufer kann in einem solchen Fall die Nachbesserung verweigern.

Der Käufer ist dann auf die andere Art der Nacherfüllung, oder - wenn auch diese wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten vom Verkäufer abgelehnt wird - auf die übrigen Gewährleistungsrechte - etwa Rücktritt vom Vertrag oder Minderung des Kaufpreise - beschränkt.

Besonderheiten bei der Nacherfüllung beim Neuwagenkauf

Beim Kauf eines Neuwagens sind die Maßstäbe strenger. Käufer eines Neufahrzeugs dürfen berechtigterweise erwarten, ein einwandfreies Produkt zu erhalten. Dementsprechend steht ihnen neben der Reparatur grundsätzlich auch das Recht auf Ersatzlieferung eines neuen Fahrzeugs zu, solange der Käufer das Fahrzeug noch nicht länger nutzt oder eine erhebliche Wertminderung eingetreten ist.

Gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB kann der Käufer verlangen, dass ihm ein neues, mangelfreies Fahrzeug geliefert wird. Eine Ablehnung durch den Verkäufer ist nur bei Unverhältnismäßigkeit der Kosten möglich, was bei Neuwagen jedoch selten angenommen wird.

Hinweis: Das Ersatzfahrzeug muss die ursprünglich vereinbarte Ausstattung und Eigenschaften aufweisen – auch was Modelljahr oder Ausstattung angeht.

Sofern die Herstellung des ursprünglich bestellten Modells eingestellt wurde, oder der Käufer das mangelhafte Fahrzeug bereits über einen längeren Zeitraum genutzt hat (sog. „Verschlechterung durch Gebrauch“), kann der Käufer in der Regel nur die Reparatur verlangen oder die weiteren Gewährleistungsrechte geltend machen.

Unter Umständen kann aber auch ein Anspruch auf Ersatzlieferung in Form eines Nachfolgemodells bestehen. Denn der Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache ist nicht auf die Ersatzbeschaffung einer mangelfreien, im Übrigen aber identischen Sache beschränkt, sondern bestimmt sich vielmehr nach der vom Verkäufer im jeweiligen Einzelfall übernommenen Beschaffungspflicht. Diese kann über die ursprüngliche Leistungsverpflichtung des Verkäufers hinausgehen und sich auf eine vom Kaufgegenstand abweichende Sache - etwa ein zwischenzeitlich auf den Markt getretenes Nachfolgemodell des Kaufgegenstands - erstrecken, die nach dem Parteiwillen als gleichwertig und gleichartig anzusehen ist. Welche Ersatzsache in diesem Sinne als austauschbar, also als mit dem Kaufgegenstand gleichwertig und gleichartig zu bewerten ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien bei Vertragsschluss. Inhalt und Reichweite der vom Verkäufer für den Fall der Mangelhaftigkeit der Kaufsache übernommenen Beschaffungspflicht können deshalb - je nach Parteiwillen - durchaus Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufweisen und sich auf ein zwischenzeitlich auf den Markt getretenes und das Vorgängermodell ersetzendes Nachfolgemodell des Kaufgegenstands erstrecken (BGH, 20.07.2022 - Az: VIII ZR 183/21).

Erfolgt eine Nachbesserung, so kann der Käufer eines Neuwagens grundsätzlich erwarten, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht. Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs. Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden (BGH, 06.02.2013 - Az: VIII ZR 374/11).

Wie muss der Käufer die Nacherfüllung verlangen?

Der Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Nacherfüllung besteht darin, einerseits dem Verkäufer im Rahmen einer „zweiten Andienung“ eine letzte Chance einzuräumen, die zu seinen Leistungspflichten zählende Verschaffung einer mangelfreien Sache vorzunehmen und so eine Rückabwicklung des Vertrags zu vermeiden und andererseits zu gewährleisten, dass der Käufer das erhält, was er nach dem Vertrag zu beanspruchen hat.

Der Käufer muss dem Verkäufer zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen und diesem die Möglichkeit geben, das Kaufobjekt zu untersuchen und nachzubessern.

Eine ausdrückliche Fristsetzung ist nicht erforderlich, wenn der Käufer den Mangel rechtzeitig angezeigt und dem Verkäufer eine ausreichende Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat (LG Bonn, 20.07.2016 - Az: 9 O 350/15).

Die Fristsetzung muss im Hinblick auf die Rechtsfolge eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten; ein höfliches Drängen auf Vertragserfüllung oder die Aufforderung an den Schuldner, sich über seine Leistungsbereitschaft zu erklären, genügen daher nicht. Es reicht aus, wenn der Gläubiger durch das ernsthafte Verlangen nach „sofortiger“, „unverzüglicher“ Leistung oder ähnliche Formulierungen zu erkennen gibt, dass dem Schuldner nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum für die Leistung zur Verfügung steht (LG Lübeck, 22.12.2022 - Az: 15 O 60/22).

Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es also nicht.

Ergibt sich dabei aus den Gesamtumständen, dass ein ernsthaftes Nacherfüllungsverlangen vorliegt, schadet es nicht, dass dieses in höfliche Form einer „Bitte“ gekleidet ist (BGH, 13.07.2016 - Az: VIII ZR 49/15).

Ohne Fristsetzung bzw. Ablauf einer angemessenen Frist ist auch ein späterer Rücktritt oder Schadensersatzanspruch nicht möglich.

Eine Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung endgültig verweigert oder eine Nacherfüllung objektiv unmöglich ist.

Wo erfolgt die Nacherfüllung?

In der Regel muss der Käufer das Fahrzeug zum Verkäufer bringen. Denn der Erfüllungsort der Nacherfüllung befindet sich, solange die Parteien nicht Abweichendes vereinbaren oder besondere Umstände vorliegen, am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners.

Wer trägt die Kosten der Nacherfüllung?

Die gesamten Kosten der Nacherfüllung, einschließlich Transport- und Materialkosten, hat der Verkäufer zu tragen (§ 439 Abs. 2 BGB). Hierbei handelt es sich um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, welche die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll. Dies begründet in Fällen, in denen eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeugs an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung des Fahrzeugs an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer. Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots vielmehr grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen. Denn die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. Ein solcher Hinderungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass der Verbraucher mit entstehenden Transportkosten in Vorlage treten muss (BGH, 19.07.2017 - Az: VIII ZR 278/16).

Wann gilt eine Nacherfüllung als fehlgeschlagen?

Nach § 440 Satz 2 BGB gilt eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Danach kann der Käufer Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz verlangen. Hierzu hat das OLG Koblenz festgestellt: Liegen mindestens zwei fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche vor, ist der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Nach diesen fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen ist der Käufer eines Neuwagens nicht verpflichtet, weitere Nachbesserungsversuche hinzunehmen (OLG Koblenz, 08.03.2013 - Az: 3 U 1498/12).

Hat ein Verkäufer beim ersten Nachbesserungsversuch gravierende Ausführungsfehler begangen oder war der erste Nachbesserungsversuch von vornherein nicht auf eine nachhaltige, sondern nur eine provisorische Mängelbeseitigung angelegt, so kann der Käufer ohne Gewährung eines zweiten Nachbesserungsversuchs zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sein (OLG Hamm, 10.03.2011 - Az: I-28 U 131/10).

Wie erfolgt die Nacherfüllung durch den Verkäufer?

Grundsätzlich obliegt es dem Verkäufer darüber zu entscheiden, wie ein Sachmangel im Rahmen der Nacherfüllung behoben werden soll. Entscheidend ist der Erfolg der Maßnahme. Sofern die Parteien jedoch eine konkrete Art und Weise der Mangelbehebung vereinbaren, so muss diese auch so vorgenommen werden. Tut der Verkäufer dies nicht, so steht dem Käufer ein Rücktrittsrecht zu. Insoweit gilt, dass der Verstoß des Verkäufers gegen die Vereinbarung die Erheblichkeit seiner Pflichtverletzung indiziert (OLG Hamm, 06.02.2014 - Az: I-28 U 20/13).

Wann ist eine Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar?

Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere auch die Zuverlässigkeit des Verkäufers, eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung; die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt. Ausschlaggebend ist, dass unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände das Vertrauensverhältnis der Parteien nachhaltig gestört und dem Kläger aufgrund dessen die Nachbesserung nicht zumutbar ist (LG Bremen, 12.12.2018 - Az: 1 O 1632/17).

Mustervorlagen

Mängelanzeige bei Gebrauchtwagen
Stand: 02.06.2025
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