Eine behindertengerechte Unterbringung wird nicht automatisch Vertragsinhalt, wenn ein Schwerbehinderter persönlich in einem
Reisebüro eine
Reise bucht und bei der Buchung ein Vermerk „Kundenwunsch: Terrasse“ aufgenommen wurde.
Sie wird auch dadurch nicht Vertragsinhalt, daß der Reisende nach der Buchungserklärung dem Veranstalter eine Kopie seines Behindertenausweises schickt und angibt, eine ebenerdige Wohnung mit Terrasse zu benötigen und der
Veranstalter hierzu schweigt.
Es besteht somit kein Kündigungs- oder Minderungsgrund, wenn der Reisende im 4. Stockwerk des gebuchten Hotels ohne Fahrstuhl untergebracht wird.
Anmerkung AnwaltOnline:
Vermeiden lassen sich solche Situationen, indem bei der Buchung die genauen Vorstellungen hinsichtlich der Unterbringung zum Ausdruck gebracht werden und diese in den
Reisevertrag aufgenommen werden.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger macht
Minderungs- und
Schadenersatzansprüche aus eigenem wie abgetretenem Recht im Zusammenhang mit der Buchung einer
Pauschalreise geltend.
Er buchte bei der Beklagten eine 14-tägige Pauschal-Flugreise in die Appartmentanlage „Nova Quinta“ in Armacao de Pera/Portugal mit Frühstück. Laut
Reiseprospekt sollten die Appartments mit Balkon oder Terrasse mit seitlichem Meerblick ausgestattet sein. Tatsächlich verfügte die Anlage über keine Fahrstühle, worauf im Prospekt nicht hingewiesen worden ist. Bei der Buchung äußerte der Kläger den Wunsch, in einem Appartment mit Terrasse untergebracht zu werden. Er ist schwerbehindert zu 90 % mit den Merkmalen aG/B, d.h. außergewöhnlich gehbehindert und benötigt ständige Begleitung. Seinen entsprechenden Behindertenausweis hatte er dem Reisebüroangestellten zu Dokumentationszwecken vorgelegt. Im übrigen war er mit Gehhilfen im Reisebüro vorstellig geworden. Der Reisebüroangestellte erklärte ihm, dass er diesen Wunsch nur unverbindlich aufnehmen könne und nahm in den Buchungstext den Vermerk auf „Kundenwunsch: Terrasse; Unverbindlicher Sonderwunsch, S. Ziff. 3 der ausführlichen TUI Reisebedingungen“, die dem Kläger mit dem Prospekt vorlagen. Damit war der Kläger zunächst einverstanden, unterzeichnete die Buchung und leistete eine Reisepreisanzahlung. Mit späterem Schreiben, das der Kläger bei der Post aufgab, zeigte er der Beklagten gegenüber unter Beifügung einer Kopie seines Behindert-Ausweises seine Schwerstbehinderung an, erklärte, eine Wohnung zu ebener Erde mit Terrasse zu benötigen und bat um Reservierung und Bestätigung. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Der Kläger entrichtete den restlichen
Reisepreis und trat die Reise an.
Am Zielort wurde der Kläger tatsächlich im 4. Stock untergebracht, weil sämtliche Wohnungen im Erdgeschoss, deren „Terrassen“ im übrigen nicht ebenerdig lagen sondern nur über Treppenstufen zu erreichen waren, bereits vergeben waren. Für den Gang von der Rezeption zum Appartment benötigte der Kläger eine Stunde. Nach Auskunft der Reiseleiterin, bei der er am zweiten Tag moniert hatte, nicht ebenerdig einquartiert worden zu sein, war ein Zimmerwechsel nicht möglich und ein Rückflug frühestens in 6-8 Tagen denkbar, und zwar zu anderen Zielflughäfen und möglicherweise mit getrennten Flügen. Sie bot ihm eine wunschgemäße Ersatzunterkunft an zu einem Aufpreis, den er vorzuzahlen verpflichtet gewesen wäre. Dies lehnte der Kläger ab, zumal er als Rentner zu einer derartigen Vorfinanzierung nicht in der Lage war. Der Kläger verbrachte den Urlaub weitgehend in der Wohnung, die er bis zur Abreise zwei mal verließ. Die geplanten Ausflugsfahrten mit dem schon vor Reiseantritt angemieteten Wagen konnten nur die Begleitpersonen des Klägers vornehmen.
Nach seiner Urlaubsrückkehr machte der Kläger gegenüber der Beklagten für sich und seine Mitreisenden Schadenersatzansprüche in Höhe des vollen Reisepreises geltend wegen der nicht ebenerdigen Unterbringung und führte weitere Beschwerdepunkte an (Lärmbelästigung durch Disco-Lärm; unzureichende Anzahl von Liegestühlen, Auflagen und Schirmen, ganztägiger Baulärm durch Bau-, Kran- und Schwertransport von den ca. 80 m entfernten Neubauten), die er der Reiseleitung aber - unstreitig - vor Ort nicht angezeigt hatte. Die Beklagte leistete darauf ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für drei Personen eine Ausgleichszahlung und lehnte jede weitere Zahlung ab.
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