Für den Fall, dass ein
Reisemangel während einer
Pauschalreise trotz Meldung und Fristsetzung nicht behoben wird, steht dem
Reisenden die Möglichkeit der Selbstabhilfe zu. Die Kosten muss dann der
Veranstalter tragen. Doch ganz so einfach ist dies in der Praxis nicht.
Wann ist eine Selbstabhilfe überhaupt möglich?
Die Voraussetzungen und Auswirkungen der Selbstabhilfe sind in
§ 651 k BGB geregelt.
Grundsätzlich muss der Reisende eine für die Mängelbeseitigung angemessene Frist gesetzt haben und natürlich auch ein behebbarer Reisemangel im Sinne von
§ 651 i BGB vorliegen. Erst nach ergebnislosem Fristablauf oder wenn der Reiseveranstalter die Abhilfe verweigert, kann der Reisende auf eigene Faust tätig werden.
Und hier ergibt sich für den Reisenden bereits das erste Problem. Der Gesetzgeber spricht von einer „vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist“. Was angemessen ist, hängt jedoch immer vom Einzelfall ab und ist im Streitfall vom zuständigen Richter zu bewerten. Und genau das stellt ein erhebliches Risiko dar. Denn war die Frist am Ende doch nicht angemessen, dann bleibt der Reisende unter Umständen auf seinen Kosten sitzen.
Es gilt hinsichtlich der Frist lediglich der Grundsatz, dass die Frist umso kürzer gesetzt werden kann, je schwerwiegender der Mangel und damit je dringender die Notwendigkeit einer Abhilfe war. Ebenfalls sind die Dauer des Aufenthalts und die persönlichen Umstände des Reisenden zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist auch die objektiv zur Behebung des Mangels erforderliche Zeit zu berücksichtigen.
Daher kann bei weniger schwerwiegenden Mängeln durchaus eine Frist von einigen Tagen angemessen sein, während bei einem schweren Mangel, der sich zudem relativ schnell beheben lässt, eine sehr kurze Frist - z.B. spätestens bis Ende des Tages oder innerhalb weniger Stunden - angemessen sein kann. Eine zu kurz bemessene Frist ist in eine angemessene Fristsetzung umzudeuten.
Kommt es hinsichtlich der Angemessenheit zum Streit, so müssen die wesentlichen Umstände, aus denen sich die Angemessenheit ergeben soll, im Prozess vorgetragen werden.
Verweigert der Veranstalter unberechtigterweise die Abhilfe, reagiert gar nicht oder nur unklar oder unverbindlich - auch in solchen Fällen ist von einer Verweigerung auszugehen -, gestaltet sich die Lage einfacher. Eine Frist wäre hier zwecklos („entbehrlich“). Der Reisende ist jedoch hierfür im Streitfall in der Beweispflicht.
Sofern ein besonderes Interesse des Reisenden an sofortiger Abhilfe besteht, kann der Reisende ebenfalls sofort handeln. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die örtliche Reiseleitung nicht erreichbar ist und eine Verständigung der Zentrale des Veranstalters keinen Sinn macht, weil etwaige Abhilfe zu spät käme. So kann der Reisende dann, wenn das
Gepäck fehlt, unbedingt benötigte Gegenstände sofort kaufen.
Wann muss der Reiseveranstalter eine Ersatzleistung anbieten?
Reisende müssen jedoch beachten, dass die Verweigerung für sich keine Grundlage für eine Selbstabhilfe ist, wenn diese berechtigt ist. Dies ist bei Unmöglichkeit der Abhilfe oder oder unverhältnismäßiger Kosten für den Veranstalter der Fall. In diesem Fall muss der Reiseveranstalter Abhilfe durch angemessene Ersatzleistungen anbieten (§ 651 k Abs. 3 S. 1 BGB).
Sofern die Pauschalreise durch die Ersatzleistungen im Vergleich zur ursprünglich geschuldeten
Reise nicht von mindestens gleichwertiger Beschaffenheit ist, ist eine angemessene Herabsetzung des
Reisepreises zu gewähren.
Sind die Ersatzleistungen nicht mit den im
Vertrag vereinbarten Leistungen vergleichbar oder ist die vom Reiseveranstalter angebotene Herabsetzung des Reisepreises nicht angemessen, kann der Reisende die Ersatzleistung ablehnen. In diesem Fall entfällt der Anspruch des Reiseveranstalters auf den Reisepreis hinsichtlich der nicht mehr zu erbringenden Reiseleistung. Ein Gleiches gilt für den Fall, dass der Reiseveranstalter außerstande ist, Ersatzleistungen anzubieten.
Kann man nach der Selbstabhilfe noch den Reisepreis mindern?
Grundsätzlich geht die Kostenerstattung durch den Reiseveranstalter der
Minderung vor. Nur dann, wenn durch die Selbstabhilfe keine vollständige Mangelbeseitigung möglich war oder mit der Selbstabhilfe erhebliche Erschwernisse verbunden waren, die ihrerseits noch einen Reisemangel darstellen, kommen weitergehende Minderungsansprüche des Reisenden in Betracht.
Wann ist ein Wechsel der Unterkunft möglich?
Sofern der Reisende in einer mangelhaften Unterkunft untergebracht wird und keine mangelfreie bereitgestellt wird, so bedeutet dies nicht in jedem Fall, dass auf eigene Faust eine neue Unterkunft organisiert werden kann (erweiterte Selbstabhilfe).
Hat ein Reisender sich eine Ersatzunterkunft besorgt, so sind die Kosten hierfür nur dann zu erstatten, wenn die Reise erheblich beeinträchtigt war.
Hierzu muss ein Schwellenwert für eine angemessene Minderung erreicht werden, was vom Reisenden vor Ort leider nicht immer zweifelsfrei bewertet werden kann.
Einige Gerichte ziehen die Grenze, ab der der Reisende zum Bezug einer Ersatzunterkunft berechtigt ist, bei einem Minderungsgrad von 25% (vgl. LG Duisburg, 20.12.2007 - Az:
12 S 92/07; LG Duisburg, 27.09.2007 - Az:
12 S 71/07) - andere dagegen erst bei über 50% (vgl. LG Frankfurt/Main, 22.05.2019 - Az:
2-24 O 149/18), da ab diesem Wert auch eine Kündigung wegen Mangels in Betracht kommt.
Die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise infolge eines Mangels setzt eine tatrichterliche Gesamtwürdigung voraus, in die neben dem Reisezweck und Reisecharakter auch Dauer und Umfang der Mängel einbezogen werden müssen.
Da eine bestimmte Grenze gesetzlich nicht festgeschrieben ist, besteht hier ein erhebliches Risiko für den Reisenden, am Ende auf seinen Kosten sitzen zu bleiben.
Der Reisende kann jedoch auch bei unberechtigter Selbstabhilfe eine hypothetische Minderung für die Zeit nach der Abreise, also dem Umzugszeitpunkt, geltend machen.
Muss der Reiseveranstalter die Kosten des Reisenden ersetzen?
Den finanziellen Aufwand, der dem Reisenden durch die berechtigte Selbstabhilfe entsteht, muss der Reiseveranstalter ersetzen - allerdings nur im erforderlichen Rahmen. Hierzu ist es ratsam, für alle Aufwendungen die entsprechenden Belege zu sammeln. Fehlen diese, ist die Höhe des Aufwendungsersatzes zu schätzen.
Zu ersetzen ist also grundsätzlich nur der Aufwand für eine gleichwertige Ersatzleistung. An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass die Frage, was konkret als gleichwertig zu bewerten ist, ein erhebliches Risiko mit sich trägt, da der Reisende zudem auch den Grundsatz der
Schadensminderungspflicht zu beachten hat.
Wählt der Reisende trotz günstigerer Alternativen eine unverhältnismäßig teure Abhilfe, so wird der Differenzbetrag zur angemessenen Alternative in Abzug gebracht.
Der Anspruch des Reisenden wird mit seiner Entstehung fällig und verjährt mit einer Frist von zwei Jahren (
§ 651 j BGB).