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Bauliche Veränderung: Was Eigentümer dürfen und was nicht

Mietrecht | Lesezeit: ca. 16 Minuten

Im Wohnungseigentumsrecht kommt es bei der Frage nach baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums immer wieder zu Konflikten. Ob es um den Anbau eines Balkons, die Installation einer Solaranlage oder den Einbau eines modernen Klimageräts geht – solche Maßnahmen berühren stets die Interessen der gesamten Eigentümergemeinschaft. Seit der umfassenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) gelten hierfür neue und grundlegend andere Regeln als zuvor.

Bauliche Veränderung: Mehr als nur ein Substanzeingriff

Zunächst stellt sich die grundlegende Frage, was rechtlich überhaupt unter einer baulichen Veränderung zu verstehen ist. Das Gesetz selbst liefert in § 20 Abs. 1 WEG eine Definition: Bauliche Veränderungen sind alle Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Diese Abgrenzung zur reinen Instandhaltung oder Instandsetzung ist in der Praxis oft entscheidend.

Lange Zeit war in der Rechtsprechung umstritten, ob für eine bauliche Veränderung zwingend ein Eingriff in die Bausubstanz erforderlich ist. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) mittlerweile geklärt und sich für ein weites Verständnis des Begriffs ausgesprochen. Eine bauliche Veränderung liegt demnach nicht nur bei einem Substanzeingriff vor, sondern auch dann, wenn eine auf Dauer angelegte Maßnahme das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert. In einer Entscheidung vom 18. Juli 2025 (Az: V ZR 29/24) stellte der BGH klar, dass beispielsweise eine große, über die gesamte Balkonbrüstung reichende Solaranlage eine solche wesentliche optische Veränderung darstellt und somit als bauliche Veränderung zu qualifizieren ist – unabhängig davon, ob sie fest mit der Bausubstanz verbunden ist oder lediglich auf dem Balkon aufsteht. Entscheidend sind die Dauerhaftigkeit der Maßnahme und ihre erhebliche Auswirkung auf den Gesamteindruck der Anlage.

Diese weite Auslegung wird durch eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen bestätigt, die bereits vor der WEG-Reform ergangen sind, aber deren Grundgedanken weiterhin Relevanz besitzen. So wurde beispielsweise das Anlegen eines mit Steinplatten befestigten Weges oder einer Terrasse auf einer gemeinschaftlichen Rasenfläche als bauliche Veränderung gewertet (LG Berlin, 13.09.2016 - Az: 53 S 107/15 WEG). Ebenso stellt die Errichtung einer Terrasse mit Pergola eine bauliche Veränderung dar (AG Sinzig, 08.08.2019 - Az: 10a C 8/18 WEG).

Auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick weniger eingriffsintensiv erscheinen, können darunterfallen. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass selbst eine bloße Änderung der Farbgebung der Fassade eine bauliche Veränderung sein kann, wenn dadurch der architektonisch-ästhetische Gesamteindruck nachhaltig verändert wird, etwa durch eine auffällige, sich stark abhebende Farbe für Balkone (OLG Hamburg, 17.01.2005 - Az: 2 Wx 103/04; LG Hamburg, 10.04.2013 - Az: 318 S 81/12). Sogar die Entfernung eines bestehenden Fassadengrüns und die Verhinderung seines Nachwachsens wurden als zustimmungspflichtige bauliche Veränderung eingestuft (OLG Düsseldorf, 17.12.2004 - Az: I-3 Wx 298/04). Auch die Schaffung eines direkten Zugangs von einem Balkon zum Garten mittels einer Treppe ist eine klassische bauliche Veränderung, da sie nicht nur die Optik, sondern auch die Nutzungsmöglichkeiten des Gartens verändert (AG Berlin-Tempelhof/Kreuzberg, 20.12.2018 - Az: 72 C 77/18.WEG).

Wann liegt keine bauliche Veränderung vor?

Nicht jede bauliche Maßnahme am Gemeinschaftseigentum ist automatisch eine bauliche Veränderung im Sinne des § 20 WEG. Abzugrenzen ist sie von der ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung sowie der modernisierenden Instandsetzung. Die Instandhaltung umfasst Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Soll-Zustandes, während die Instandsetzung die Wiederherstellung des Soll-Zustandes zum Ziel hat. Solche Maßnahmen können von der Gemeinschaft mit einfacher Mehrheit beschlossen werden und bedürfen keiner Zustimmung im Sinne der Regelungen für bauliche Veränderungen.

Interessant wird es bei der sogenannten modernisierenden Instandsetzung. Hierbei wird nicht nur ein Mangel behoben, sondern gleichzeitig eine Modernisierung vorgenommen. Eine solche Maßnahme ist dann noch der Instandsetzung zuzuordnen und keine bauliche Veränderung, wenn sie eine sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare technische Verbesserung darstellt. Das Oberlandesgericht München entschied beispielsweise, dass der Austausch maroder, massiver Balkonbrüstungen durch moderne Leichtmetallgeländer eine modernisierende Instandsetzung sein kann, die mehrheitlich beschlossen werden darf. Die Richter argumentierten, dass die ordnungsmäßige Instandsetzung nicht auf eine bloße Wiederherstellung des exakt gleichen früheren Zustands beschränkt ist, sondern auch die Nutzung neuer technischer Entwicklungen und verbesserter Standards umfassen kann (OLG München, 14.11.2005 - Az: 34 Wx 105/05).

Bauliche Veränderungen erfordern zwingend einen Gestattungsbeschluss

Das WEMoG hat das Verfahren für die Zulassung baulicher Veränderungen grundlegend neu geordnet und vereinfacht, aber auch formalisiert. Der entscheidende Grundsatz findet sich in § 20 Abs. 1 WEG: Jede bauliche Veränderung bedarf grundsätzlich eines Gestattungsbeschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dieser sogenannte Beschlusszwang gilt ausnahmslos.

Der Bundesgerichtshof hat diese formale Hürde in einer Entscheidung vom 17. März 2023 (Az: V ZR 140/22) bestätigt. Ein bauwilliger Wohnungseigentümer muss zwingend vor Beginn der Baumaßnahme einen entsprechenden Beschluss der Eigentümerversammlung herbeiführen. Es ist nicht zulässig, die Maßnahme eigenmächtig durchzuführen und sich später darauf zu berufen, man hätte ja einen Anspruch auf die Gestattung gehabt. Ein solcher Anspruch kann einem Beseitigungsverlangen der Gemeinschaft nicht nach Treu und Glauben entgegengehalten werden.

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Stand: 04.09.2025
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