Wird ein Wohnungseigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen, findet das
Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung Anwendung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.
Beurteilt sich die bauliche Veränderung nach dem bis zum 30. November 2020 geltenden Recht, kann der Störer dem Beseitigungsverlangen nach § 242 BGB einen nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG aF gegebenen Gestattungsanspruch entgegenhalten.
Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums setzt nicht zwingend einen Substanzeingriff voraus, sondern kann auch bei einer sonstigen auf Dauer angelegten Maßnahme, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert, gegeben sein (hier: Solaranlage).
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2004 war er durch Beschluss des Amtsgerichts zur Entfernung der an der Brüstung seines zum Hof gelegenen Balkons befestigten Solaranlage verpflichtet worden; eine Zwangsvollstreckung scheiterte aus unbekannten Gründen. Derzeit befindet sich über die gesamte Länge des Balkons eine aus neun Solarplatten bestehende Solaranlage, von der nicht bekannt ist, ob sie an der Balkonbrüstung oder an einer auf dem Balkon stehenden Konstruktion montiert ist. Die Anlage hebt sich erheblich von der Gestaltung der anderen Balkone ab. Sie ist deutlich sichtbar, jedenfalls nachdem die Klägerin zwischen 2018 und 2022 Bäume, Sträucher und Pflanzen auf der Hofseite des Objekts entfernen bzw. zurückschneiden ließ.
Mit ihrer im Jahr 2022 erhobenen Klage begehrt die Klägerin, soweit noch von Interesse, die Verurteilung des Beklagten zum Rückbau der Sonnenkollektoren dergestalt, dass sie von außen nicht mehr sichtbar sind. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, möchte die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
Hierzu führte das Gericht aus:
Das Berufungsgericht meint, der Zulässigkeit der Klage stehe der Vorprozess nicht entgegen, weil sich der Sachverhalt geändert habe. Der Beklagte habe nach eigenen Angaben Änderungen an der Solaranlage vorgenommen; zudem habe sich die Entfernung der Pflanzen auf die Sichtbarkeit der Anlage ausgewirkt. Die Klägerin habe aber in der Sache keinen Rückbauanspruch gegen den Beklagten. Dabei sei das Wohnungseigentumsgesetz in der ab dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung anzuwenden, weil der Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die Entfernung der Pflanzen noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte habe die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zwar ohne den gemäß § 20 Abs. 1 WEG erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommen. Er könne einem Beseitigungsanspruch aber nach Treu und Glauben einen Anspruch auf Gestattung nach § 20 Abs. 3 WEG entgegenhalten. Der Gestattungsanspruch ergebe sich daraus, dass die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung nicht beeinträchtigt seien. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme durch den Beklagten seien die Sonnenkollektoren wegen der Bepflanzung nicht zu erkennen gewesen. Dass dies zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung aufgrund einer Entscheidung der Wohnungseigentümer über die Entfernung der Pflanzen anders sei, gehe nicht zu seinen Lasten.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.
Jedenfalls im Ergebnis zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Klage und insbesondere davon aus, dass die Rechtskraft des im Jahr 2004 ergangenen gerichtlichen Beschlusses dieser nicht entgegensteht.
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