Die Abstandsflächenvorschriften in den Landesbauordnungen, hier § 6 SächsBO, stellen Schutzgesetze i.S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Ein betroffener Nachbar kann wegen deren Verletzung grundsätzlich den Rückbau eines innerhalb der einzuhaltenden Abstandsfläche errichteten Bauwerks entsprechend § 1004 BGB verlangen (quasinegatorischer Beseitigungsanspruch).
Ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt, tritt die in § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO geregelte Rechtsfolge, dass die Einhaltung einer Abstandsfläche nicht erforderlich ist, kraft Gesetzes ein. Das gilt auch im Falle eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens, in dem zwar die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, nicht hingegen die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen geprüft wird. An die Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens durch bestandskräftigen Verwaltungsakt sind die Zivilgerichte gebunden, es sei denn, der Verwaltungsakt ist nichtig. Fehlt es damit - nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben - wegen § 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO an einer Schutzgesetzverletzung, entfällt zugleich der Anknüpfungspunkt für die zivilrechtliche quasinegatorische Haftung.
Soweit die Ausgestaltung der Vorschriften der Sächsischen Bauordnung im Vergleich zur früheren Rechtslage, nach der die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften noch Prüfungsgegenstand der vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens waren, zu einer Einschränkung der Reichweite des öffentlich-rechtlichen Nachbarrechtsschutzes im Hinblick auf die Einhaltung von Abstandsflächen führt, ist dem nicht durch eine systemwidrige Ausweitung zivilrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten zu begegnen.