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Kein Zugewinnausgleich bei grober Unbilligkeit: Die Ausnahme vom Halbteilungsprinzip

Familienrecht | Lesezeit: ca. 14 Minuten

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Der Zugewinnausgleich ist in seinem Grundsatz einfach und zugleich in der praktischen Anwendung oft kompliziert. Nach dem gesetzlichen Leitbild der Zugewinngemeinschaft und dem daraus folgenden Halbteilungsgrundsatz soll das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen im Falle einer Scheidung hälftig zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Was beide Partner gemeinsam oder auch jeder für sich zum Vermögenszuwachs beigetragen hat, soll am Ende beiden zu gleichen Teilen zugutekommen. Entgegen einer weitverbreiteten Annahme handelt es sich bei diesem Ausgleichsmechanismus jedoch nicht um einen unumstößlichen Automatismus, der nur durch einen notariellen Ehevertrag ausgeschlossen werden kann.

Vielen ist die Vorschrift des § 1381 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unbekannt, da bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs häufig sehr schematisch vorgegangen wird. Diese Norm stellt jedoch ein wichtiges Korrektiv dar. Sie besagt, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte die Erfüllung der Forderung verweigern kann, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des konkreten Falles grob unbillig wäre. Eine solche grobe Unbilligkeit liegt jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen vor, in denen die rein rechnerische Durchführung des Ausgleichs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde.

Einrede der groben Unbilligkeit muss aktiv erhoben werden

Entscheidend ist, dass die grobe Unbilligkeit nicht von Amts wegen durch das Familiengericht berücksichtigt wird. Es handelt sich um eine sogenannte Einrede, die der ausgleichspflichtige Ehegatte aktiv im Gerichtsverfahren geltend machen muss. Versäumt es der Verpflichtete, sich auf die grobe Unbilligkeit zu berufen, wird das Gericht den Zugewinnausgleichsanspruch auch dann zusprechen, wenn die materiellen Voraussetzungen für eine Verweigerung eigentlich vorliegen würden. Diese Einrede muss spätestens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erhoben werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der außergewöhnlichen Umstände, die eine grobe Unbilligkeit begründen sollen, trägt vollständig derjenige Ehegatte, der die Zahlung verweigern möchte.

Schwerwiegende Verletzung wirtschaftlicher Pflichten

Der Gesetzgeber nennt in § 1381 Abs. 2 BGB einen Regelbeispiel für eine mögliche grobe Unbilligkeit. Diese kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat und nun den Ausgleich fordert, über einen längeren Zeitraum hinweg die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat. Der Begriff der wirtschaftlichen Verpflichtungen ist dabei von der Rechtsprechung denkbar weit gefasst worden.

Darunter fällt in erster Linie die schuldhafte und dauerhafte Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber der Familie. Bloße Misswirtschaft oder ein generell schlechter Umgang mit Geld reichen hierfür jedoch nicht aus. Entscheidend ist das Kriterium des Verschuldens. Kann ein Ehegatte beispielsweise aufgrund einer schweren Krankheit seinen wirtschaftlichen Beitrag nicht leisten, liegt keine schuldhafte Pflichtverletzung vor, die eine Kürzung des Zugewinnausgleichs rechtfertigen könnte.

Zu den wirtschaftlichen Pflichten zählt jedoch nicht nur die finanzielle Versorgung der Familie. Bereits im Jahr 1987 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass auch die beharrliche und schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Haushaltsführung eine solche Pflichtverletzung darstellen kann (OLG Düsseldorf, 21.01.1987 - Az: 5 UF 101/86). Ebenso können wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber gemeinsamen Kindern betroffen sein oder die unberechtigte Nutzung von gemeinschaftlichem Wohnraum über einen längeren Zeitraum. In besonders gelagerten Fällen kann sogar die Schädigung des Ehepartners durch den Bruch der innerehelichen Verschwiegenheit, etwa durch die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen an Konkurrenten, eine Pflichtverletzung darstellen, die sich auf den Zugewinnausgleich auswirken kann.

Schweres persönliches Fehlverhalten als Ausschlussgrund

Die Gründe für eine Leistungsverweigerung müssen nicht zwingend aus dem rein wirtschaftlichen Bereich stammen. Auch ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten kann in geeigneten Fällen die Zahlung des Zugewinns grob unbillig erscheinen lassen. Die Hürden hierfür sind jedoch extrem hoch. Keinesfalls ausreichend sind normale Beziehungsprobleme oder eine einfache Eheverfehlung wie ein einmaliger Ehebruch. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden, dass selbst die Aufnahme einer neuen Liebesbeziehung in der gemeinsamen Ehewohnung in der Regel nicht genügt, um ein Leistungsverweigerungsrecht zu begründen (OLG Brandenburg, 19.12.2006 - Az: 10 UF 236/05).

Eine Leistungsverweigerung kommt nur bei besonders schwerem Fehlverhalten in Betracht, das die Grundlagen der ehelichen Solidarität fundamental zerstört. Die Rechtsprechung nennt hier beispielhaft Straftaten gegen den Ehepartner oder dessen nahe Angehörige, schwere körperliche Misshandlungen über einen längeren Zeitraum oder besonders gravierende Verletzungen der ehelichen Treue, die weit über einen gewöhnlichen Ehebruch hinausgehen.

Ein besonders drastischer Fall, der zum vollständigen Ausschluss des Zugewinnausgleichsanspruchs führte, wurde vom Oberlandesgericht München entschieden (OLG München, 30.08.2022 - Az: 2 UF 425/22 e). In diesem Fall hatte der ausgleichsberechtigte Ehemann die gemeinsame Tochter über Jahre hinweg sexuell missbraucht. Das Gericht stellte fest, dass der sexuelle Missbrauch eines gemeinsamen Kindes ein extrem schweres Fehlverhalten auch gegenüber dem anderen Elternteil darstellt. Durch dieses Verhalten habe der Ehemann in einem solchen Ausmaß gegen das Wesen der Ehe, die eheliche Solidarität und das in ihn gesetzte Vertrauen verstoßen, dass eine Teilhabe am Vermögenszuwachs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Ein solch brutales und ehezerstörendes Verhalten führt zum Ausschluss des Anspruchs, wobei es auf die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Fehlverhaltens nicht ankommt.

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Stand: 25.09.2025
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