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Verlängerung einer Betreuung und die erneute Anhörung des Betroffenen

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß § 278 Abs. 1 FamFG besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen.

Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Das Verfahren betrifft die Verlängerung einer Betreuung für den heute 72jährigen Betroffenen.

Das Amtsgericht hat ein ärztliches Gutachten der Sachverständigen G. eingeholt, einen Verfahrenspfleger bestellt und den Betroffenen persönlich angehört. Nach der Anhörung hat die Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Das Amtsgericht hat die unter anderem mit den Aufgabenbereichen Vermögenssorge, Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung bestehende Betreuung verlängert und die Überprüfungsfrist auf den 20. April 2023 bestimmt. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt. Im Abhilfeverfahren hat das Amtsgericht den Betroffenen wiederum angehört, anschließend ein Gutachten der Sachverständigen Dr. C. eingeholt und sodann den Betroffenen erneut angehört. Es hat der Beschwerde schließlich nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde ohne erneute Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Aufhebung der Betreuung erstrebt.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Beschwerdegericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen hat.

a) Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß § 278 Abs. 1 FamFG besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. BGH, 22.06.2022 - Az: XII ZB 200/21).

Wird in einem Betreuungsverfahren eine nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen vom Amtsgericht erst im Abhilfeverfahren nachgeholt, darf das Beschwerdegericht nicht von der auch im zweitinstanzlichen Verfahren grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen (BGH, 22.09.2021 - Az: XII ZB 93/21). Das gilt ebenfalls im Verfahren über die Verlängerung einer Betreuung, wenn in diesem - wie regelmäßig - nach § 295 Abs. 1 Satz 1 iVm § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine persönliche Anhörung erforderlich ist (vgl. BGH, 23.02.2022 - Az: XII ZB 424/21).

b) Nach diesen Maßstäben hätte das Beschwerdegericht nicht von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen dürfen.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung des Betroffenen eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen G. eingeholt und diese für seine Entscheidung verwertet, ohne den Betroffenen erneut anzuhören. Eine Nachholung der Anhörung im Abhilfeverfahren war nicht zulässig. Das Beschwerdegericht hatte mithin die persönliche Anhörung schon aus diesem Grund nachzuholen. Im Übrigen hat das Amtsgericht - von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht gerügt - im Abhilfeverfahren ebenfalls ein weiteres Gutachten eingeholt. Auf dieses hat sich das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung ebenfalls gestützt und mithin neue Erkenntnisse herangezogen, die eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht erfordert hätten.

2. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann. Das Beschwerdegericht wird die persönliche Anhörung des Betroffenen nachzuholen haben. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht bei Verlängerung der Betreuung Gelegenheit zur erforderlichen konkreten Begründung der Fortdauer der einzelnen Aufgabenbereiche (vgl. BGH, 19.04.2023 - Az: XII ZB 462/22), die den vorinstanzlichen Entscheidungen noch nicht zu entnehmen ist.


BGH, 25.10.2023 - Az: XII ZB 94/23

ECLI:DE:BGH:2023:251023BXIIZB94.23.0

Vorgehend: LG Landshut, 02.02.2023 - Az: 62 T 3288/22

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