Wozu der Mietvertrag Sie wirklich verpflichtet: ➠ Lassen Sie Ihren Vertrag prüfenDie Nachfrage nach kleinen Wohnungen für junge Menschen, die für eine Ausbildung, ein Studium oder den ersten Job in eine neue Stadt ziehen, ist ungebrochen. Dabei kommt es immer wieder vor, dass potenzielle Mieter das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für Vermieter stellt sich in dieser Situation die Frage: Kann ein
Mietvertrag mit einer minderjährigen Person überhaupt wirksam abgeschlossen werden und welche besonderen Risiken und Pflichten sind damit verbunden? Da Minderjährige nur über eine eingeschränkte Geschäftsfähigkeit verfügen, birgt der Abschluss eines solchen Mietvertrages erhebliche Fallstricke, die von der Wirksamkeit des Vertrages bis hin zu Haftungsfragen reichen und eine sorgfältige rechtliche Absicherung erfordern.
Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen
Die entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Mietvertrages mit einer minderjährigen Person ist deren
Geschäftsfähigkeit, welche in den §§ 104 bis 113 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt ist. Das Gesetz unterscheidet hierbei drei Stufen, die für Vermieter von grundlegender Bedeutung sind.
Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten nach
§ 104 Nr. 1 BGB als geschäftsunfähig. Jede von ihnen abgegebene Willenserklärung, wie die Unterzeichnung eines Mietvertrages, ist nach
§ 105 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Ein solcher Vertrag entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung, und der Vermieter kann daraus keine Ansprüche, etwa auf Mietzahlung, herleiten.
Die für die Vermietungspraxis relevante Gruppe sind Minderjährige zwischen dem vollendeten siebten und dem vollendeten 18. Lebensjahr. Sie sind gemäß
§ 106 BGB in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt. Das bedeutet, dass sie zwar Rechtsgeschäfte abschließen können, diese jedoch zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter bedürfen. In der Regel sind dies beide Elternteile gemeinsam. Ohne diese Zustimmung ist der Vertrag zunächst „schwebend unwirksam“. Erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres tritt die volle Geschäftsfähigkeit ein, die es einer Person erlaubt, Mietverträge vollständig selbstständig und ohne die Notwendigkeit einer elterlichen Mitwirkung abzuschließen.
Das Kammergericht (KG) Berlin weist darauf hin, dass ein rechtlicher Nachteil für den Minderjährigen insbesondere dann besteht, wenn das Geschäft für ihn Belastungen auch nach Volljährigkeit mit sich bringt, etwa durch langfristige Mietverpflichtungen (KG, 31.08.2010 - Az:
1 W 167/10)
Zwar kennt das Gesetz einige Ausnahmen, die die Handlungsfähigkeit von Minderjährigen erweitern, doch diese sind im Kontext von Mietverhältnissen meist nicht anwendbar. Der sogenannte „Taschengeldparagraph“ (
§ 110 BGB) erfasst nur solche Geschäfte, die der Minderjährige mit Mitteln bewirkt, die ihm zur freien Verfügung überlassen wurden. Da ein Mietvertrag eine wiederkehrende und langfristige Verpflichtung darstellt, die in der Regel die finanziellen Möglichkeiten eines Taschengeldes übersteigt, greift diese Ausnahme hier nicht. Eine weitere Ausnahme besteht nach
§ 113 BGB, wenn ein Minderjähriger von seinen gesetzlichen Vertretern zur Aufnahme eines Dienst- oder
Arbeitsverhältnisses ermächtigt wurde. Diese Ermächtigung erstreckt sich auch auf Rechtsgeschäfte, die mit einem solchen Verhältnis in Verbindung stehen, wozu theoretisch auch die Anmietung einer Wohnung am Arbeitsort zählen kann. Aufgrund der erheblichen Rechtsunsicherheiten bezüglich des Umfangs dieser Ermächtigung sollten sich Vermieter auf diese Regelung jedoch keinesfalls verlassen.
Vertragsschluss mit Einwilligung und Genehmigung der gesetzlichen Vertreter
Für einen Vermieter bedeutet die beschränkte Geschäftsfähigkeit eines minderjährigen Mietinteressenten, dass der Mietvertrag ohne die Beteiligung der Eltern rechtlich auf unsicherem Boden steht. Solange der Vertrag schwebend unwirksam ist, kann der Vermieter keine Erfüllung, insbesondere keine Mietzahlungen, verlangen. Das Risiko liegt in dieser Phase vollständig beim Vermieter.
Um einen von Anfang an wirksamen Vertrag zu schließen, muss die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter vor oder bei der Vertragsunterzeichnung vorliegen (
§ 107 BGB). Es ist dringend anzuraten, diese Einwilligung schriftlich einzuholen. Dies kann entweder durch eine gesonderte schriftliche Erklärung geschehen oder indem die Eltern den Mietvertrag explizit als gesetzliche Vertreter für ihr Kind mitunterzeichnen. Da die Eltern das
Sorgerecht in der Regel gemeinsam ausüben (
§ 1629 Abs. 1 BGB), ist die Unterschrift beider Elternteile erforderlich, um volle Rechtssicherheit zu erlangen. Bei getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern muss der Vermieter prüfen, wer das Sorgerecht innehat, da nur der Sorgeberechtigte wirksam handeln kann. Eine rein stillschweigende Zustimmung, etwa durch die bloße Anwesenheit der Eltern bei der Wohnungsbesichtigung oder beim Einzug, ist nach der Rechtsprechung nicht ausreichend.
Wurde der Vertrag vom Minderjährigen ohne vorherige Einwilligung der Eltern unterzeichnet, ist er schwebend unwirksam. Der Vermieter kann die Eltern in diesem Fall auffordern, den Vertrag nachträglich zu genehmigen (
§ 108 BGB). Diese Aufforderung sollte aus Beweisgründen stets nachweisbar, beispielsweise per Einschreiben, zugestellt werden. Reagieren die Eltern nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Aufforderung, gilt die Genehmigung als verweigert, und der Vertrag ist endgültig unwirksam.
Langfristige Mietverträge muss das Familiengericht genehmigen!
Eine besonders wichtige und oft übersehene Hürde betrifft Mietverträge, die den Minderjährigen über die Vollendung seines 18. Lebensjahres hinaus für längere Zeit binden sollen. Dies ist bei unbefristeten Mietverträgen oder bei Verträgen mit einer festen Laufzeit von mehreren Jahren der Fall. Für den Abschluss solcher Verträge reicht die alleinige Zustimmung der Eltern nicht aus. Es ist zusätzlich eine Genehmigung durch das Familiengericht erforderlich. Ohne diese familiengerichtliche Genehmigung ist der Vertrag unwirksam, selbst wenn beide Elternteile zugestimmt haben. Diese Regelung dient dem Schutz des Minderjährigen vor übermäßig langen Bindungen, die er noch nicht vollständig überblicken kann.
Die familiengerichtliche Genehmigung setzt voraus, dass das Kind durch die Eltern als gesetzliche Vertreter den Abschluss des Mietvertrags begehrt und keine Interessenkollision vorliegt. Gibt es eine solche Interessenkollision oder sind die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen (z.B. nach
§ 1795 BGB), ist ein Ergänzungspfleger vom Gericht zu bestellen (OLG Brandenburg, 01.07.2021 - Az:
9 WF 158/21).
Wurde einem Minderjährigen vom Familiengericht die Ermächtigung zum Abschluss von bestimmten Verträgen erteilt – etwa im Rahmen eines Erwerbsgeschäfts – kann er auch eigenständig Mietverträge abschließen. Hier ruhen die Vertretungsmacht der Eltern, der Minderjährige ist für diese Geschäfte dann selbst voll geschäftsfähig (vgl. OLG Schleswig, 20.07.2020 - Az:
15 WF 192/19).
Absicherung des Vermieters durch Eltern als Mitmieter oder Bürgen
Angesichts der rechtlichen Unsicherheiten ist es für Vermieter unerlässlich, die Eltern des minderjährigen Mieters vertraglich fest einzubinden. Hierfür haben sich in der Praxis zwei Modelle etabliert, die dem Vermieter die notwendige Sicherheit bieten.
Die rechtlich sicherste Variante besteht darin, die Eltern als Mitmieter in den Vertrag aufzunehmen. In diesem Fall werden sowohl der Minderjährige als auch seine Eltern zu gleichberechtigten Vertragspartnern des Vermieters. Es entsteht eine gesamtschuldnerische Haftung, was bedeutet, dass der Vermieter die Mietzahlungen sowie Schadensersatzansprüche nach seiner Wahl von den Eltern oder dem Kind in voller Höhe fordern kann. Da die Eltern in der Regel voll geschäftsfähig sind und über eine bessere Bonität verfügen, bietet diese Konstruktion den umfassendsten Schutz vor Zahlungsausfällen und anderen Vertragsverletzungen.
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