Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob es mit der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist, dass § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von
ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2426) für die Einwilligung des
Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme die Durchführung der Maßnahme in einem Krankenhaus auch bei solchen Betroffenen voraussetzt, die aus medizinischer Sicht gleichermaßen in der Einrichtung, in der sie untergebracht sind und in der ihre gebotene medizinische Versorgung einschließlich ihrer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, zwangsbehandelt werden könnten und die durch die Verbringung in ein Krankenhaus zwecks Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden.
Hierzu führte das Gericht aus:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Frage eingeholt:
Ist es mit der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar, dass § 1906 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2426) für die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme die Durchführung der Maßnahme in einem Krankenhaus auch bei solchen Betroffenen voraussetzt, die aus medizinischer Sicht gleichermaßen in der Einrichtung, in der sie untergebracht sind und in der ihre gebotene medizinische Versorgung einschließlich ihrer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, zwangsbehandelt werden könnten und die durch die Verbringung in ein Krankenhaus zwecks Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden?
Gründe
A.
Die im Jahr 1963 geborene Betroffene leidet an einer paranoiden Schizophrenie sowie an einem schizophrenen Residuum. Für sie ist deswegen seit dem Jahr 2000 eine Betreuung eingerichtet. Der
Aufgabenkreis des
Berufsbetreuers (Beteiligter zu 1) umfasst unter anderem die
Gesundheitssorge und die
Aufenthaltsbestimmung.
Die Betroffene ist seit dem Jahr 2008 - mit zwischenzeitlichen Klinikaufenthalten - in einem Wohnverbund in L. geschlossen untergebracht. Sie wurde regelmäßig ärztlich in einem dem Wohnverbund nahegelegenen Krankenhaus(L.-Klinik) zwangsbehandelt.
Mit Schreiben vom 11. August 2022 und 7. September 2022 hat der Betreuer beantragt, für die Betroffene eine (weitere) ärztliche Zwangsmaßnahme mit der Gabe von bis zu 4 ml Haldol Decanoat intramuskulär 28-tägig im Rahmen einer stationsäquivalenten Behandlung auf der Station des von der Betroffenen bewohnten Hauses, hilfsweise in der L.-Klinik, für den Zeitraum von sechs Wochen zu genehmigen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die zur Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme erforderliche Verbringung der Betroffenen in die L.-Klinik, die in der Vergangenheit teilweise nur mittels ihrer Fixierung möglich gewesen sei, führe bei ihr regelmäßig zu einer Retraumatisierung. Dies könne durch eine sog. stationsäquivalente Behandlung, die gleichwertig zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung sei, in der Wohneinrichtung der Betroffenen vermieden werden.
Das Amtsgericht hat die beantragte ärztliche Zwangsmaßnahme (nur) im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus bis zum 1. November 2022 genehmigt; zugleich hat es die zuständige Behörde ermächtigt, auf Veranlassung des Betreuers erforderlichenfalls Gewalt bei der Zuführung der Betroffenen in ein Krankenhaus anzuwenden. Die Durchführung einer stationsäquivalenten Zwangsbehandlung in der Wohneinrichtung der Betroffenen hat es hingegen abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen von dem Betreuer namens der Betroffenen eingelegte Beschwerde, mit der er weiterhin die Genehmigung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme in der Wohneinrichtung der Betroffenen begehrt hat, zurückgewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Betroffene - nachdem der Zeitraum für die beantragte Zwangsbehandlung in ihrer Wohneinrichtung nach Einlegung der Rechtsbeschwerde abgelaufen ist - die Feststellung erreichen, dass sie die Beschlüsse von Amtsgericht und Landgericht in ihren Rechten verletzt haben, soweit darin eine Zwangsbehandlung in ihrer Wohneinrichtung abgelehnt worden ist.
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