Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Alkoholkonsum am Arbeitsplatz kann weitreichende Konsequenzen haben - insbesondere dann, wenn er die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt oder andere gefährdet. Doch nicht jeder Fall ist gleich zu bewerten. Entscheidend ist, ob eine behandlungsbedürftige Sucht vorliegt oder lediglich ein Fehlverhalten.
Während Alkoholabhängigkeit als Krankheit gilt und eine
personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, kommt bei einfachem Alkoholkonsum nur eine
verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
Wann liegt Alkoholabhängigkeit vor?
Alkoholabhängigkeit liegt vor, wenn der gewohnheitsmäßige, übermäßige Alkoholgenuss trotz besserer Einsicht nicht aufgegeben oder reduziert werden kann. Wesentliches Merkmal dieser Erkrankung ist die physische oder psychische Abhängigkeit vom Alkohol. Sie äußert sich vor allem im Verlust der Selbstkontrolle. Der Alkoholiker kann, wenn er zu trinken beginnt, den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren, mit dem Trinken nicht mehr aufhören. Dazu kommt die Unfähigkeit zur Abstinenz; der Alkoholiker kann auf Alkohol nicht mehr verzichten (BAG, 09.04.1987 - Az: 2 AZR 210/86; LAG Berlin-Brandenburg, 17.08.2009 - Az:
10 Sa 506/09).
Unterschied zwischen Alkoholsucht und Alkoholmissbrauch
Grundsätzlich ist zwischen kontrollierbarem Alkoholmissbrauch und unkontrollierter Alkoholabhängigkeit zu unterscheiden.
Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs kommt nur in Betracht, wenn noch keine Alkoholabhängigkeit im medizinischen Sinne festgestellt wurde.
Alkoholabhängigkeit ist dagegen grundsätzlich personenbedingt zu behandeln. Eine
krankheitsbedingte Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit kommt dann in Betracht, wenn der
Arbeitnehmer aufgrund seiner Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen.
Weil Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist und auch nicht ohne Weiteres als schuldhaftes Verhalten gewertet werden darf, darf eine Kündigung nicht auf ein einmaliges alkoholbedingtes Fehlverhalten gestützt werden, wenn dieses auf der Suchterkrankung beruht.
Hat der Arbeitnehmer die Abhängigkeit nicht schuldhaft herbeigeführt, so bestehen die gleichen Kündigungsmöglichkeiten wie bei einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit.
Einem Arbeitnehmer kann dann wegen Alkoholsucht gekündigt werden, wenn aufgrund dieser Erkrankung eine Gefahr für Leib oder Leben anderer besteht (BAG, 20.03.2014 - Az:
2 AZR 565/12).
Ein Verschulden müsste der
Arbeitgeber dagegen beweisen können, wenn er dennoch eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen will.
Wann ist eine Kündigung bei Alkoholsucht erlaubt?
Eine Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit kann der Arbeitgeber grundsätzlich erst dann aussprechen, wenn alle dem Arbeitgeber zumutbaren Möglichkeiten zu einer Vermeidung der Kündigung ausgeschöpft worden sind. Daher sind vom Arbeitgeber auch alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der Betroffene unter Wahrnehmung des Direktionsrechtes einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und diese ggf. sogar freizumachen , sofern dies dem Arbeitgeber zumutbar ist. Eine Entscheidung gegen eine solche Umsetzung muss der Arbeitgeber begründen können.
Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung wegen Alkoholerkrankung
1. Eine zukünftige Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ist nicht zu erwarten (negative Gesundheitsprognose)
Bei der Prognose kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer therapiewillig ist. Fehlende Therapiebereitschaft des Arbeitnehmers oder wiederholte, erfolglose Entzugsversuche sprechen für eine negative Prognose.
Maßgeblich ist die Gesundheitsprognose zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs. Eine nachträgliche Therapie kann die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr beeinflussen.
2. Es liegt eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung vor
Es muss aufgrund der Alkoholabhängigkeit zu störenden Fehlzeiten, einer Leistungsminderung oder zu Sicherheitsrisiken im Betrieb gekommen sein. Auch der Schutz von Mitarbeitern und Kunden kann bei der Abwägung eine entscheidende Rolle spielen.
3. Es ist keine Weiterbeschäftigung möglich
Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer anderweitig - ggf. auf einem ungefährlichen Arbeitsplatz - eingesetzt werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann eine Kündigung ausgesprochen werden.
4. Die Interessenabwägung muss gegen den Arbeitnehmer ausfallen
Es ist zu prüfen, ob die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
Betriebliche Gründe für eine Kündigung sind z.B.: mangelnde Planungsmöglichkeit, Auswirkungen auf den Arbeitsablauf, Sicherheitsrisiken, Überlastung anderer Arbeitnehmer, hohe Nebenkosten und eine etwaige Rückfallgefahr.
Zugunsten des Arbeitnehmers sind beispielsweise die Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, vorhandene Umsetzungsmöglichkeit, wirtschaftliche Belastbarkeit des Arbeitgebers und Kenntnis von der Erkrankung bei Einstellung zu berücksichtigen.
Schützten bEM und Therapiebereitschaft vor einer Kündigung?
Die Bereitschaft des Arbeitnehmers zu einer Therapie bzw. Entziehungskur kann einer Kündigung entgegenstehen, da ein erfolgreicher Abschluss die Gesundheitsprognose verbessern kann. Der Arbeitgeber muss dem betroffenen Arbeitnehmer diese Möglichkeit einräumen.
Ein Rückfall führt nicht automatisch zu einer negativen Prognose, da keine Erfahrungswerte vorliegen, nach denen ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz einen endgültigen Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeutet.
Ein Rückfälligwerden am Anfang der Therapie ist deshalb noch kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung, wenn der Betroffene sich bis zum Kündigungstermin ansonsten unauffällig verhält, die mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarungen einhält und sich die Leberwerte bis dahin positiv entwickeln.
Eine negative Prognose kann jedoch dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (vgl. BAG, 20.03.2014 - Az:
2 AZR 565/12).
Ist eine Therapie offensichtlich erfolglos oder wird diese vom Arbeitnehmer abgelehnt, ist eine Kündigung zulässig.
Darüber hinaus ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) vom Arbeitgeber durchzuführen, wenn es zu krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen gekommen ist.
Wird kein bEM durchgeführt, kann dies im
Kündigungsschutzprozess zulasten des Arbeitgebers gewertet werden, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch ein bEM mildere Maßnahmen als eine Kündigung gefunden worden wären.
Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung bei Alkoholkonsum
Sofern es zu Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers durch Trunkenheit am Arbeitsplatz gekommen ist, ohne dass eine Abhängigkeit vorliegt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Denn in einem solchen Fall kann dem Arbeitnehmer ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Kündigung aufgrund von Alkoholgenuss außerhalb der Arbeitszeit nur bei konkreten Auswirkungen auf die Arbeit oder dann, wenn „Restalkohol“ zur Arbeit mitgebracht wird, zulässig ist.
Ob der Arbeitgeber
zunächst abmahnen muss oder gleich kündigen kann, hängt von der Art der Tätigkeit, der Gefahr durch die alkoholbedingten Einschränkungen des Reaktionsvermögens und von der Frage, ob erhebliche Schäden entstehen können, ab.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass im jeweiligen Einzelfall geprüft werden muss, ob eine Gefahr für sich selbst und / oder andere eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt oder aber die Maßstäbe einer personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen anzuwenden sind.
Weitere Informationen
Alkohol am Arbeitsplatz